Wulf Brocke, langjähriger CDU-Funktionär, hat ein Insider-Buch über politische Ereignisse in den 70er- und 80er-Jahren geschrieben.
Hamburg. Eine bewegte Epoche hamburgischer Politik hat ihren Chronisten gefunden. Wulf Brocke (63), langjähriger Fraktions- und Landesgeschäftsführer der CDU, hat ein Insider-Buch über politische Ereignisse in den 70er- und 80er-Jahren geschrieben. Vorrangig ist es dem damals mächtigsten Oppositionspolitiker gewidmet: "Bewegte Wasser/Der Politiker Jürgen Echternach".
Echternach, 2006 im Alter von 68 Jahren einem Krebsleiden erlegen, hatte viele Spitzenpositionen inne. Er war Bundesvorsitzender der Jungen Union (1969 bis 1973), Hamburger CDU-Chef (1974 bis 1992), Abgeordneter der Bürgerschaft (1966 bis 1981), davon elf Jahre Fraktionsvorsitzender. Dem Bundestag gehörte der aus einer Theologenfamilie stammende Jurist bis 1994 vierzehn Jahre an, die letzten sechs Jahre als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbau- und Bundesfinanzministerium.
In Hamburg zählte Echternach oft zu den umstrittensten Akteuren auf der politischen Bühne. Autor Brocke geht es jetzt um eine "angemessene Würdigung" des CDU-Politikers, dem er einst als politischer Vertrauter und Freund zur Seite stand.
Da überrascht es nicht, dass Schilderungen und Wertungen des gelernten Journalisten Brocke oft sehr persönlicher Natur sind. Objektiv nicht zu bestreiten sind indes Echternachs Verdienste. Unter seiner Regie etwa verdoppelte sich die Mitgliederzahl der Hamburger CDU auf 15 000 (heute knapp 9300). Auf sein Betreiben hin erhielt die Hamburger Opposition Verfassungsrang.
Jürgen Echternach war ein fleißiger Arbeiter, ein faktensicherer und scharfzüngiger Streiter, der dem SPD-geführten Senat oft auf die Finger klopfte und ihn bisweilen in Bedrängnis brachte. Bei den Bürgerschaftswahlen 1974, 1982 und 1986 kam die CDU auf über 40 Prozent. Dennoch schaffte es die CDU nicht, die SPD-Vormacht zu brechen. Das gelang erst 2001 Ole von Beust mit einem mageren Stimmenanteil von 26,2 Prozent, eine Ironie der Geschichte. Über den heutigen Bürgermeister schreibt Brocke: "Ohne die Förderung Jürgen Echternachs wäre Ole von Beust, der früher nicht der harten politischen Arbeit zugetan war, weg vom Fenster gewesen."
In der Ära Echternach machte eine Reihe von Parteifreunden außerhalb Hamburgs Karriere. Volker Rühe etwa wurde CDU-Generalsekretär und Bundesverteidigungsminister. Auf andere bezogen, schreibt Autor Brocke: "Manch einer, der eng mit Jürgen Echternach verbunden war, will davon nicht mehr viel wissen."
Intern regierte der Parteichef oft mit harter Hand. Wer ihm missliebig war, konnte in der CDU kaum etwas werden. Echternachs Führungsinstrument war der "Freundeskreis", auch "Magdalenenkreis" genannt. Das Buch dokumentiert erstmals alle 36 Mitglieder dieses einst geheimnisumwitterten Gremiums.
Es entschied über Kandidatenaufstellungen und Ämterverteilung in der CDU. Nach der Bürgerschaftswahl 1991 trat der "Magdalenenkreis" das letzte Mal zusammen. Die Wahl wurde 1993 vom Hamburgischen Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Begründung: Die Kandidaten der CDU seien "unter Verstoß gegen verfassungsgemäße Grundsätze der Demokratie und des Wahlrechts nominiert worden". Brocke hält das für ein Fehlurteil. Jedenfalls zog auch die Justiz einen Schlussstrich unter die Ära Echternach. "Verdienste in der Politik werden schnell vergessen", schreibt Wulf Brocke. "Negative Urteile halten sich länger als positive. Dafür ist Jürgen Echternach ein Beispiel."
Das Buch "Bewegte Wasser/Der Politiker Jürgen Echternach", mit Dokumentenanhang 212 Seiten, 17,90 Euro, ist in der Buchhandlung Heymann am Großen Burstah erhältlich.