Jede Woche berichten Abendblatt-Redakteure über Hintergründe der Hamburger Landespolitik. Heute: Andreas Dey über ein schrilles Relikt.
Das Büro des Finanzsenators ist ein nüchtern eingerichteter Raum. Schreibtisch, Sitzgruppe, eine helle Vitrine - mehr nicht. Umso schriller wirkt das Relikt, das in einem kaum einsehbaren Winkel hängt: eine goldene CD, in einem goldenen Holzrahmen. Eingebrannt der Haushalt 2007/2008, zwei Jahre ohne Neuverschuldung. Der damalige Finanzsenator Michael Freytag hatte das gepresste Eigenlob seinem Nachfolger Carsten Frigge (beide CDU) zu dessen Amtsantritt geschenkt - was den etwas befremdete.
Denn das Jahr 2008 gilt inzwischen selbst unter CDU-Politikern als Sündenfall der Finanzpolitik. Damals hatte die Stadt Rekord-Steuereinnahmen verbucht, doch statt damit Schulden abzubauen, steigerte Schwarz-Grün die Ausgaben kräftig. Es folgte die Finanzkrise, die Steuern brachen ein, für die vielen Wohltaten fehlte nun das Geld, Sparpakete wurden geschnürt, Betroffene waren in Aufruhr.
Das mahnende Beispiel vor Augen, hat Bürgermeister Olaf Scholz ein langfristiges Ziel ausgegeben: Obwohl diese Woche erneut hohe Steuermehreinnahmen vorausgesagt wurden, soll die Stadt erst 2020, wenn das Gesetz es vorschreibt, ohne Schulden auskommen. Kein hektisches Hin und Her zwischen großen Versprechen und drastischen Einschnitten, das bringt Ruhe rein und vermeidet Ärger, so die Theorie.
In der Praxis hat der Senat aber Zoff an diversen Fronten. Beispiel Universität: Als Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt Wind davon bekam, dass Uni-Präsident Dieter Lenzen sich am Mittwoch über Kürzungen seines Etats aufregen will, informierte sie schon am Dienstagabend Journalisten darüber, was davon zu halten ist. Tenor: Die Grausamkeiten hat noch Schwarz-Grün beschlossen, wir haben nur kein Geld, sie zurückzunehmen. An Lenzens Wutrede änderte das nichts mehr, im Gegenteil. Am Freitag zahlte es die Uni der Senatorin zurück. Noch vor ihrem Auftritt bei der 100-Jahr-Feier des Hauptgebäudes veröffentlichte der Akademische Senat einen Forderungskatalog. Die Uni brauche nicht weniger Geld, sondern mehr. Stapelfeldt und Lenzen - dem Vernehmen nach verstehen sie sich gut - gossen bei der Feier aber kein weiteres Öl ins Feuer. Der Brand lodert auch so noch weiter.
Das gilt auch für den Ärger mit den Gewerkschaften um die Beamtenbesoldung. Auch hier geht es um schwarz-grüne Kürzungen, allerdings mit dem Unterschied, dass die SPD sie teilweise zurücknehmen will. Eine Annäherung ist dennoch nicht in Sicht. Und so saßen sich Scholz, Senatskanzleichef Christoph Krupp und Personalamtsleiter Volker Bonorden auf der einen Seite und zehn Gewerkschafter auf der anderen Seite am Mittwoch im Bürgermeisteramtszimmer gegenüber und stellten fest, dass die Lage vertrackt ist. Der Senat hat nichts zu verteilen, die Gewerkschaften können einer Kürzung aus Prinzip nicht zustimmen. Nach dem Treffen drohte die Lehrergewerkschaft GEW sogar mit Streik. "Wir kriegen die gleiche Prügel, als wenn wir nichts gemacht hätten", heißt es zerknirscht im Rathaus.
Bis Montag soll nun geprüft werden, ob Spielraum innerhalb des Pakets ist. Doch der zuständige Fachbereich der Gewerkschaft Ver.di hat bereits beschlossen: Eine Beamtengruppe gegen eine andere auszuspielen geht gar nicht. "Wir lehnen Zugeständnisse ab." Scholz soll sich davon bislang unbeeindruckt zeigen. "Das muss man aushalten", ist einer seiner Lieblingssätze - als einer der Architekten der Agenda 2010 weiß er, wovon er spricht.
Aushalten konnte er daher auch den Ärger des Kieler CDU-Fraktionschefs Christian von Boetticher. "Hamburg sitzt auf einem hohen Ross", hatte der gepoltert, weil sich Scholz nicht um die nördlichen Nachbarn kümmere. Der Bürgermeister hatte Schleswig-Holstein in seiner Regierungserklärung nicht erwähnt, ein Antrittsbesuch in Kiel ist auch nicht vorgesehen. Das sei nicht nötig, heißt es im Rathaus, weil Scholz und Amtskollege Peter Harry Carstensen sich regelmäßig träfen. Merkwürdig nur, dass das nicht grundsätzlich gilt. Finanzsenator Peter Tschentscher reist zum "Antrittsbesuch" am Montag nach Kiel. Dabei hat er seinen Kollegen Rainer Wiegard erst am Donnerstag gesehen. Eine goldene CD wird er kaum überreichen wollen.