Die Schauspielerin Victoria Trauttmansdorff ist katholisch, wurde aber durch ihre Mutter auch anglikanisch geprägt.In schwierigen Situationen sucht die gebürtige Wienerin die Stille eines Gotteshauses und schöpft Kraft durch das Gebet

    Englische Inschriften an den Wänden, englische Bücher auf der Empore und ein kleines Schild, das auf die „Sundayschool“, die Sonntagsschule für die kleinen Kinder, verweist. Victoria Trauttmansdorff ist sichtlich gerührt, als sie alle diese Details in der imposanten Hamburger Anglikanischen Kirche am Zeughausmarkt wahrnimmt. Sie erinnern die Schauspielerin an ihre Kindheit in Wien, als sie mit ihren Eltern genau gegenüber der dortigen Anglikanischen Kirche wohnte und sonntags mit ihrer Mutter und den Geschwistern zum Gottesdienst ging. „Als ich kleiner war, besuchte ich oft die Sonntagsschule, da konnten wir spielen und mussten nicht still sitzen wie in der katholischen Messe“, sagt sie. Die 57-Jährige, die Ensemblemitglied beim Thalia Theater ist, wuchs mit einer anglikanischen Mutter und einem katholischen Vater auf, dessen Familie aus dem österreichischen Hochadel kommt. „Mein Vater und die Großeltern waren katholisch bis ins Knochenmark“, sagt Trauttmansdorff. So ist sie auch katholisch getauft und gefirmt. Das tägliche Gebet und der häufige Messebesuch gehörten zu ihrer Kindheit. „Ich war schon als kleines Mädchen tief gläubig, habe viel gebetet, immer schon das Mystische und auch die Rituale des katholischen Gottesdienstes geliebt. Ich mag die Gemeinschaft, die man mit den anderen Gläubigen erlebt.“

    Victoria Trauttmansdorff wuchs behütet in einem zunächst großbürgerlichen Haushalt im Dritten Bezirk von Wien auf mit einem geschichtlich sehr bewanderten Vater und einer patenten, engagierten Mutter. „Meine Eltern haben uns sehr frei und mit viel Offenheit für Andersdenkende und Toleranz für andere Religionen erzogen“, erinnert sich Trauttmansdorff. Doch als sie zehn war, trennten sich die Eltern. „Das war ziemlich hart für uns, und zudem wurde das Geld knapp.“ So nahm die Mutter, die eigentlich Schauspielerin werden wollte, jeden Nähjob an, um Victoria und ihre beiden Geschwister über die Runden zu bringen und auch die französische Schule zu bezahlen, auf die die drei Kinder gingen.

    Mit 16 Jahren hat Victoria Trauttmansdorff durch ihren Französischlehrer ihre Liebe zur Schauspielerei entdeckt. „Als Au-pair in England hatte ich einen Job als Kartenabreißerin im Theater. Danach war ich überzeugt von meinem künftigen Beruf.“ Und offenbar hatte sie auch das Talent dafür. Mit Anfang 20 begann sie in Salzburg eine Schauspielausbildung, die sie aber zugunsten eines Theaterengagements am Düsseldorfer Schauspielhaus vorzeitig beendete. Nach einer Spielzeit wechselte sie mit 22 Jahren an das Nationaltheater in Mannheim. „Da war ich sehr alleine. In Mannheim kannte ich niemanden.“ Zum Trost fuhr sie oft nach Speyer zum Gottesdienst in den prächtigen Dom. „Dort hatte ich immer das Gefühl von etwas Höherem, Transzendenten, das mich umgab und mir Kraft gab.“

    Dieses Gefühl hat sie öfters in Gotteshäusern. Es ist ihr dabei egal, ob sie in einer evangelischen Kirche, einer Synagoge oder einer Moschee betet. „Ich mag die Idee, dass wir alle an einen Gott glauben. Wichtig ist, dass es ein Raum ist, wo die Seele Platz hat.“ Sie bewundert allerdings die Kraft der katholischen Kirche „zur Inszenierung“. Ähnliches geschehe ja auch auf der Bühne. „Das Theater ist für mich auch eine Art heiliger Ort, an dem ich im Zusammenwirken mit dem Ensemble und dem Publikum ein spirituelles Erlebnis haben kann.“

    Victoria Trauttmansdorff ist eine zarte, nachdenkliche und sehr humorvolle Frau. Auf der Bühne als auch in Kinoproduktionen spielt sie jedoch meist etwas versponnene oft sogar unsympathische Frauen. „Ich bin ja sonst eher bürgerlich und konservativ, da schaue ich dann im Spiel gerne mal in Abgründe.“ So spielte sie 2007 in Jan Bonnys Familiendrama „Gegenüber“ so überzeugend eine gewalttätige Ehefrau, dass ihr das eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis als Beste Hauptdarstellerin einbrachte.

    Im realen Leben ist sie seit 28 Jahren mit dem Regisseur und Schauspieler Wolf-Dietrich Sprenger verheiratet, den sie 1989 während der Proben zu „Kasimir und Karoline“ am Stuttgarter Schauspielhaus kennenlernte. Nur vier Wochen später heirateten die beiden in einer katholischen Wehrkirche nahe der tschechischen Grenze. 1990 zogen sie nach Hamburg. Kurz darauf kam die erste Tochter, drei Jahre später die zweite Tochter zur Welt. Die beiden sind evangelisch, wie ihr Vater. „Das passte einfach besser nach Hamburg, fand ich.“

    Sie wurde Ensemblemitglied am Thalia Theater – das Leben schien es gut mit ihr zu meinen. Bis zum 24. Dezember 1996, als sie die Diagnose „Morbus Hodgkin“ erhielt, eine schweren Lymphdrüsenerkrankung. Ihre einzige Chance gegen den zehn mal 13 Zentimeter großen Tumor war eine „hammerharte“ Chemotherapie. „In dieser Zeit hatte ich große Angst und habe viel zu Gott gebetet, das hat mich sehr beruhigt.“ Sie hat auch weiter Theater gespielt, das gab ihr neben dem Gebet Kraft.

    Seit 20 Jahren ist sie krebsfrei, doch die Krankheit habe sie schon verändert, sagt sie. „Sie hat mich geerdet und gleichzeitig mein Selbstwertgefühl gesteigert.“ Auch die Sehnsucht nach der Kirche sei stärker geworden. Ein Schauspielkollege nahm sie mit zu dem Jesuitenpater Hermann Breulmann, der bis 2014 Geistlicher Rektor in der Katholischen Akademie Hamburg war. „Er hat mich in seinen Predigten tief berührt. Mit ihm hatten wir tolle Veranstaltungen unter anderem auch im Thalia Theater.“ Der Pater ist nun in Berlin, und Victoria Trauttmansdorff ist wieder auf der Suche nach geistlichem Austausch. Ihr Blick fällt auf die Anglikanische Kirche. „Ich glaube, hier werde ich bald mal sonntags zur Messe herkommen.“