Burghart Klaußner liebt Kirchen vor allem wegen ihrer Kunst. Er mag die Literatur und die Architektur, die durch die Gotteshäuser entstanden sind. Ansonsten steht der Schauspieler der Religion sehr kritisch gegenüberBurghart Klaußner liebt Kirchen vor allem wegen ihrer Kunst. Er mag die Literatur und die Architektur, die durch die Gotteshäuser entstanden sind. Ansonsten steht der Schauspieler der Religion sehr kritisch gegenüberBurghart Klaußner liebt Kirchen vor allem wegen ihrer Kunst. Er mag die Literatur und die Architektur, die durch die Gotteshäuser entstanden sind. Ansonsten steht der Schauspieler der Religion sehr kritisch gegenüberBurghart Klaußner liebt Kirchen vor allem wegen ihrer Kunst. Er mag die Literatur und die Architektur, die durch die Gotteshäuser entstanden sind. Ansonsten steht der Schauspieler der Religion sehr kritisch gegenüber

Maike Schiller

Hamburg „So.“ Mit einem kleinen Dann-wolln-wir-mal-Seufzer und wachem, fast amüsiertem Blick lässt sich Burghart Klaußner in die Kirchenbank fallen. Er trägt einen gestreiften Schal mit Bären-Logo am Saum, ein Geschenk des Berlinale-Leiters Dieter Kosslick; es ist kühl in der Flottbeker Kirche, wie es in den meisten Kirchen kühl ist. Burghart Klaußner, Schauspieler, wohnt in Fußnähe der Flottbeker Kirche, ist aber trotzdem mit dem Auto gekommen. „Weil ich faul bin!“ sagt er und lacht und seine Stimme trägt gut in diesem Raum, in dem er vor ein paar Jahren schon einmal eine Lesung hatte. Truman Capote. Ausgerechnet. Nun ist Capote – außer der räumlichen Nähe – seine einzige Verbindung zu dieser Gemeinde. Zu irgendeiner Gemeinde.

Denn Burghart Klaußner liebt Kirchen, das hatte er schon beim ersten Telefonat versichert. „Ich! liebe!! Kirchen!“ Mit Ausrufezeichen und Schauspielerbetonung. Aber „aus dem Verein“ sei er vor langer, langer Zeit ausgetreten. Und das mit noch viel fetterem Ausrufezeichen.

Es ist kurz nach Ostern, in den Flottbeker Vorgärten schaukeln bunt bemalte Eier an den knospenden Zweigen, auch der Blumenschmuck in der Kirche ist noch nicht abgeräumt. Klaußner sitzt in der achten Reihe, er schaut auf den Christus über dem Altar und schüttelt den Kopf. „Auferstehung“, sagt er und klingt dabei regelrecht empört. „Wer soll denn das glauben?!“

Seine Worte bleiben eine Weile im Raum. Eine beredte Stille ist das, eine, die dem Gesagten Gewicht verleiht. Klaußner stört die Stille nicht, er kann sie gut aushalten, genießen vielleicht sogar. „Ruhe, das ist doch schon mal die wichtigste Funktion einer Kirche.“ Wieder der amüsierte Blick.

Als Kind hat der kleine Burghart geglaubt, dass die Wolken „der Dampf vom lieben Gott“ seien. Klaußner lächelt, sein schmales Menjou-Bärtchen über der Oberlippe lächelt mit, als sehe er sich selbst die kindliche Fantasie nach. Seine Mutter habe ihn und die Geschwister in jede Kirche geschleppt, evangelisch, katholisch, Klöster, so lange, „bis ich gesagt habe: ,Mami, ich kann kein Gold mehr sehen!‘“ Eine wirklich gläubige Frau sei sie nicht gewesen, die Mutter, auch wenn sie den Sohn hat taufen und konfirmieren lassen. „Sie war eine kunstsinnige Frau.“ Sie habe die Kirchen für die Gestaltungskraft darin bewundert, für den Willen, den Menschen investiert haben, so wie Burghart Klaußner es noch heute tut. „Ich liebe die Kirchen für ihre Kunst.“ Die Architektur. Die Literatur, natürlich. „Was der Mensch braucht, um spirituell zum Erfolg zu kommen, ist nicht die Religion. Es ist die Kunst!“

Das Sonnenlicht scheint durch die bunten Glasfenster auf, fast bestätigend wirkt das an dieser Stelle, aber Burghart Klaußner bemerkt es nicht. Er schaut nach innen. „Die Kunst ist die Fortsetzung der Religion. Das hat etwas mit dem Forschen des Menschen nach dem Entgrenzten zu tun“, sagt er nun, „mit dem Überschreiten der Individualität.“ Inbrunst und Leidenschaft? „Na klar, auch. Aber die Kunst beschäftigt sich mit den großen Fragen. Sie ist eine Antwort auf die Suche nach dem Sinn. Die Kirche selbst hat diese Funktion erkannt, sie hat die Kunst ja in die Kirche geholt!“ Diese Erkenntnis habe er übrigens nicht allein erlangt, sagt Klaußner, sein Sohn Leonhard, der ältere von zweien, habe dem Vater bei einem Frühstück „sehr klug die Augen darüber geöffnet“.

Die Söhne der Familie Klaußner sind nicht getauft, ebensowenig wie Klaußners holländische Ehefrau, die „aus einer langen Tradition der Kirchenferne“ stamme. Dabei sei er ein großer Freund von Ritualen, betont Klaußner, für einen Schauspieler, zumal für einen, der auch am Theater zu Hause ist, keine große Überraschung. „Ich nehme den Rausch, die Festlichkeit, die Verzückung sehr gern an. Aber dahinter ist Schluss.“

Natürlich sei die Frage faszinierend, „was im Universum um uns herum passiert“, findet Klaußner. „Dass da Kräfte wirken, starke Kräfte, das ist mir auch klar. Aber ist das dann Gott?“ Es ist eine rhetorische Frage, Burghart Klaußner hat seine Antwort darauf längst gefunden. Er zweifelt nicht. „Man lebt viel besser ohne diesen Schnickschnack“, sagt er. „Die Welt wäre eine bessere ohne Religion.“ Als Heranwachsender habe er noch versucht, Gott zu provozieren. „Wie Franz Moor bei Schiller. Gott, zeig dich! In unserer Familie halten wir es nun so: Der Mensch soll sich um den Menschen kümmern. Nicht um Gott.“

Und trotzdem sind die Dinge bisweilen nicht so eindeutig, wie sie scheinen, gerade dann, wenn der Mensch sich um den Menschen kümmert. Es ist nicht lange her, da hat Burghart Klaußner ein Gebet gesprochen. Ein schwer kranker Freund hatte ihn darum gebeten. Hat es geholfen? „Gesund ist er nicht. Aber es hat ganz bestimmt unserer Freundschaft geholfen.“

Wofür also ist der Glaube gut? Weil er Kraft spendet? Trost ermöglicht? Klaußner schaut skeptisch. „Kraft und Trost?“ Er schüttelt den Kopf. Aber der kranke Freund – war es nicht tröstlich für ihn, dass jemand für ihn betete? Hat ihm das nicht Halt gegeben? Und nicht nur ihm, sondern womöglich auch dem Freund, der für ihn beten konnte? Klaußner winkt ab. „Das war der verzweifelte Versuch, etwas zu tun, irgend etwas.“

Er steht auf, geht nach vorn und schaut zur Kanzel hinauf. „Wenn ich mir vorstelle, ich sollte zu den Leuten predigen. Das ist doch die Chance für jedes selbstübersteigerte Wesen! Mein Wort hätte Gottes Kraft! Ja, wo kommen wir denn da hin?“ Tatsächlich ist das Predigen dem Schauspieler gar nicht so fremd. In seinem vielleicht berühmtesten Film hat Burghart Klaußner einen Pastor gespielt, eine zentrale Figur der Geschichte. „Das weiße Band“ von Michael Haneke wurde für den Oskar nominiert, gewonnen hat er ihn nicht, aber Klaußner, der Hauptdarsteller, durfte nach Hollywood reisen und zum ersten Mal an der Verleihung teilnehmen, bei der anschließenden Party war er einer der letzten. „Kein Sadist, sondern ein liebender Mensch“ sei diese Figur des Pastors gewesen, sagt Klaußner heute. Man kann, wenn man den Film schaut, durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Burghart Klaußner zeigt darin Strenge, Zucht, Härte, die schwarz-weißen Bilder Hanekes unterstreichen das Unempathische, Beklemmende jener Jahre, die der Film am Beispiel eines Dorfes zeigt. „Ein ganzes Leben lang“ habe er sich auf diese Rolle vorbereitet, sagt Klaußner mit einem feinen Lächeln. „Aber das ist natürlich nur die eine Seite der Antwort.“ Es habe tatsächlich einmal einen wichtigen Pfarrer in seinem Leben gegeben, als er jung war, Pfarrer Anton. Ein Kriegsversehrter, ein Ostpreuße, ein „Gutmensch“. Auch an ihn habe er gedacht, als er in „Das weiße Band“ spielte. „Pfarrer Anton war ein guter Mann. Der war seelenkundig.“ Seelenkundig. Ein schönes Wort. Burghart Klaußner lässt es eine Weile im Raum verharren.

Für Wörter kann er sich begeistern. Überhaupt, die Sprache, das Handwerkszeug des Schauspielers. „Etymologie ist mir heilig“, sagt er zum Beispiel, die Entstehung und die Herkunft einer Formulierung faszinieren Klaußner.

„Heilig“, noch so ein Begriff.

„Darin liegt Harmonie, Gesundheit, Heil. Mir ist vieles heilig. Meine Partnerin, meine Kinder, unter Umständen ist mir mein Frühstück heilig. Und wer noch Kraft übrig hat, dem sind vielleicht auch seine Feinde heilig.“

Burghart Klaußner steht noch immer vorn neben der Kanzel. Den Berlinale-Schal hat er abgelegt. „Gott ist Liebe“, steht auf dem Kreuz hinter dem Altar. Klaußner spricht die Worte ein paar Mal in den leeren Kirchenraum. Dann schüttelt er entschieden den Kopf. „Ich würde es genau andersherum formulieren“, sagt er. „Die Liebe ist Gott. Nur so funktioniert es doch.“

Maike Schiller

Hamburg „So.“ Mit einem kleinen Dann-wolln-wir-mal-Seufzer und wachem, fast amüsiertem Blick lässt sich Burghart Klaußner in die Kirchenbank fallen. Er trägt einen gestreiften Schal mit einem Bären-Logo am Saum, ein Geschenk des Berlinale-Leiters Dieter Kosslick; es ist kühl in der Flottbeker Kirche, wie es in den meisten Kirchen kühl ist. Burghart Klaußner, Schauspieler, wohnt in Fußnähe der Flottbeker Kirche, ist aber trotzdem mit dem Auto gekommen. „Weil ich faul bin!“ sagt er und lacht und seine Stimme trägt gut in diesem Raum, in dem er vor ein paar Jahren schon einmal eine Lesung hatte. Truman Capote. Ausgerechnet. Nun ist Capote – außer der räumlichen Nähe – seine einzige Verbindung zu dieser Gemeinde. Zu irgendeiner Gemeinde.

Denn Burghart Klaußner liebt Kirchen, das hatte er schon beim ersten Telefonat versichert. „Ich! liebe!! Kirchen!“ Mit Ausrufezeichen und Schauspielerbetonung. Aber „aus dem Verein“ sei er vor langer, langer Zeit ausgetreten. Und das mit noch viel fetterem Ausrufezeichen.

Es ist kurz nach Ostern, in den Flottbeker Vorgärten schaukeln bunt bemalte Eier an den knospenden Zweigen, auch der Blumenschmuck in der Kirche ist noch nicht abgeräumt. Klaußner sitzt in der achten Reihe, er schaut auf den Christus über dem Altar und schüttelt den Kopf. „Auferstehung“, sagt er und klingt dabei regelrecht empört. „Wer soll denn das glauben?!“

Seine Worte bleiben eine Weile im Raum. Eine beredte Stille ist das, eine, die dem Gesagten Gewicht verleiht. Klaußner stört die Stille nicht, er kann sie gut aushalten, genießen vielleicht sogar. „Ruhe, das ist doch schon mal die wichtigste Funktion einer Kirche.“ Wieder der amüsierte Blick.

Als Kind hat der kleine Burghart geglaubt, dass die Wolken „der Dampf vom lieben Gott“ seien. Klaußner lächelt, sein schmales Minjou-Bärtchen über der Oberlippe lächelt mit, als sehe er sich selbst die kindliche Fantasie nach. Seine Mutter habe ihn und die Geschwister in jede Kirche geschleppt, evangelisch, katholisch, Klöster, so lange, „bis ich gesagt habe: Mami, ich kann kein Gold mehr sehen!“ Eine wirklich gläubige Frau sei sie nicht gewesen, die Mutter, auch wenn sie den Sohn hat taufen und konfirmieren lassen. „Sie war eine kunstsinnige Frau.“ Sie habe die Kirchen für die Gestaltungskraft darin bewundert, für den Willen, den Menschen investiert haben, so wie Burghart Klaußner es noch heute tut. „Ich liebe die Kirchen für ihre Kunst.“ Die Architektur. Die Literatur, natürlich. „Was der Mensch braucht, um spirituell zum Erfolg zu kommen, ist nicht die Religion. Es ist die Kunst!“

Das Sonnenlicht scheint durch die bunten Glasfenster auf, fast bestätigend wirkt das an dieser Stelle, aber Burghart Klaußner bemerkt es nicht. Er schaut nach innen. „Die Kunst ist die Fortsetzung der Religion. Das hat etwas mit dem Forschen des Menschen nach dem Entgrenzten zu tun“, sagt er nun, „mit dem Überschreiten der Individualität.“ Inbrunst und Leidenschaft? „Na klar, auch. Aber die Kunst beschäftigt sich mit den großen Fragen. Sie ist eine Antwort auf die Suche nach dem Sinn. Die Kirche selbst hat diese Funktion erkannt, sie hat die Kunst ja in die Kirche geholt!“ Diese Erkenntnis habe er übrigens nicht allein erlangt, sagt Klaußner, sein Sohn Leonhard, der ältere von zweien, habe dem Vater bei einem Frühstück „sehr klug die Augen darüber geöffnet“.

Die Söhne der Familie Klaußner sind nicht getauft, ebenso wenig wie Klaußners holländische Ehefrau, die „aus einer langen Tradition der Kirchenferne“ stamme. Dabei sei er ein großer Freund von Ritualen, betont Klaußner, für einen Schauspieler, zumal für einen, der auch am Theater zu Hause ist, keine große Überraschung. „Ich nehme den Rausch, die Festlichkeit, die Verzückung sehr gern an. Aber dahinter ist Schluss.“

Natürlich sei die Frage faszinierend, „was im Universum um uns herum passiert“, findet Klaußner. „Dass da Kräfte wirken, starke Kräfte, das ist mir auch klar. Aber ist das dann Gott?“ Es ist eine rhetorische Frage, Burghart Klaußner hat seine Antwort darauf längst gefunden. Er zweifelt nicht. „Man lebt viel besser ohne diesen Schnickschnack“, sagt er. „Die Welt wäre eine bessere ohne Religion.“ Als Heranwachsender habe er noch versucht, Gott zu provozieren. „Wie Franz Moor bei Schiller. Gott, zeig dich! In unserer Familie halten wir es nun so: Der Mensch soll sich um den Menschen kümmern. Nicht um Gott.“

Und trotzdem sind die Dinge bisweilen nicht so eindeutig wie sie scheinen, gerade dann, wenn der Mensch sich um den Menschen kümmert. Es ist nicht lange her, da hat Burghart Klaußner ein Gebet gesprochen. Ein schwer kranker Freund hatte ihn darum gebeten. Hat es geholfen? „Gesund ist er nicht. Aber es hat ganz bestimmt unserer Freundschaft geholfen.“

Wofür also ist der Glaube gut? Weil er Kraft spendet? Trost ermöglicht? Klaußner schaut skeptisch. „Kraft und Trost?“ Er schüttelt den Kopf. Aber der kranke Freund – war es nicht tröstlich für ihn, dass jemand für ihn betete? Hat ihm das nicht Halt gegeben? Und nicht nur ihm, sondern womöglich auch dem Freund, der für ihn beten konnte? Klaußner winkt ab. „Das war der verzweifelte Versuch, etwas zu tun, irgend etwas.“

Er steht auf, geht nach vorn und schaut zur Kanzel hinauf. „Wenn ich mir vorstelle, ich sollte zu den Leuten predigen. Das ist doch die Chance für jedes selbstübersteigerte Wesen! Mein Wort hätte Gottes Kraft! Ja, wo kommen wir denn da hin?“ Tatsächlich ist das Predigen dem Schauspieler gar nicht so fremd. In seinem vielleicht berühmtesten Film hat Burghart Klaußner einen Pastor gespielt, eine zentrale Figur der Geschichte. „Das weiße Band“ von Michael Haneke wurde für den Oskar nominiert, gewonnen hat er ihn nicht, aber Klaußner, der Hauptdarsteller, durfte nach Hollywood reisen und zum ersten Mal an der Verleihung teilnehmen, bei der anschließenden Party war er einer der letzten. „Kein Sadist, sondern ein liebender Mensch“ sei diese Figur des Pastors gewesen, sagt Klaußner heute. Man kann, wenn man den Film schaut, durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Burghart Klaußner zeigt darin Strenge, Zucht, Härte, die schwarz-weißen Bilder Hanekes unterstreichen das Unempathische, Beklemmende jener Jahre, die der Film am Beispiel eines Dorfes zeigt. „Ein ganzes Leben lang“ habe er sich auf diese Rolle vorbereitet, sagt Klaußner mit einem feinen Lächeln. „Aber das ist natürlich nur die eine Seite der Antwort.“ Es habe tatsächlich einmal einen wichtigen Pfarrer in seinem Leben gegeben, als er jung war, Pfarrer Anton. Ein Kriegsversehrter, ein Ostpreuße, ein „Gutmensch“. Auch an ihn habe er gedacht, als er in „Das weiße Band“ spielte. „Pfarrer Anton war ein guter Mann. Der war seelenkundig.“ Seelenkundig. Ein schönes Wort. Burghart Klaußner lässt es eine Weile im Raum verharren.

Für Wörter kann er sich begeistern. Überhaupt, die Sprache, das Handwerkszeug des Schauspielers. „Etymologie ist mir heilig“, sagt er zum Beispiel, die Entstehung und die Herkunft einer Formulierung faszinieren Klaußner.

„Heilig“, noch so ein Begriff.

„Darin liegt Harmonie, Gesundheit, Heil. Mir ist vieles heilig. Meine Partnerin, meine Kinder, unter Umständen ist mir mein Frühstück heilig. Und wer noch Kraft übrig hat, dem sind vielleicht auch seine Feinde heilig.“

Burghart Klaußner steht noch immer vorn neben der Kanzel. Den Berlinale-Schal hat er abgelegt. „Gott ist Liebe“, steht auf dem Kreuz hinter dem Altar. Klaußner spricht die Worte ein paar Mal in den leeren Kirchenraum. Dann schüttelt er entschieden den Kopf. „Ich würde es genau andersherum formulieren“, sagt er. „Die Liebe ist Gott. Nur so funktioniert es doch.“

Maike Schiller

Hamburg „So.“ Mit einem kleinen Dann-wolln-wir-mal-Seufzer und wachem, fast amüsiertem Blick lässt sich Burghart Klaußner in die Kirchenbank fallen. Er trägt einen gestreiften Schal mit einem Bären-Logo am Saum, ein Geschenk des Berlinale-Leiters Dieter Kosslick; es ist kühl in der Flottbeker Kirche, wie es in den meisten Kirchen kühl ist. Burghart Klaußner, Schauspieler, wohnt in Fußnähe der Flottbeker Kirche, ist aber trotzdem mit dem Auto gekommen. „Weil ich faul bin!“ sagt er und lacht und seine Stimme trägt gut in diesem Raum, in dem er vor ein paar Jahren schon einmal eine Lesung hatte. Truman Capote. Ausgerechnet. Nun ist Capote – außer der räumlichen Nähe – seine einzige Verbindung zu dieser Gemeinde. Zu irgendeiner Gemeinde.

Denn Burghart Klaußner liebt Kirchen, das hatte er schon beim ersten Telefonat versichert. „Ich! liebe!! Kirchen!“ Mit Ausrufezeichen und Schauspielerbetonung. Aber „aus dem Verein“ sei er vor langer, langer Zeit ausgetreten. Und das mit noch viel fetterem Ausrufezeichen.

Es ist kurz nach Ostern, in den Flottbeker Vorgärten schaukeln bunt bemalte Eier an den knospenden Zweigen, auch der Blumenschmuck in der Kirche ist noch nicht abgeräumt. Klaußner sitzt in der achten Reihe, er schaut auf den Christus über dem Altar und schüttelt den Kopf. „Auferstehung“, sagt er und klingt dabei regelrecht empört. „Wer soll denn das glauben?!“

Seine Worte bleiben eine Weile im Raum. Eine beredte Stille ist das, eine, die dem Gesagten Gewicht verleiht. Klaußner stört die Stille nicht, er kann sie gut aushalten, genießen vielleicht sogar. „Ruhe, das ist doch schon mal die wichtigste Funktion einer Kirche.“ Wieder der amüsierte Blick.

Als Kind hat der kleine Burghart geglaubt, dass die Wolken „der Dampf vom lieben Gott“ seien. Klaußner lächelt, sein schmales Minjou-Bärtchen über der Oberlippe lächelt mit, als sehe er sich selbst die kindliche Fantasie nach. Seine Mutter habe ihn und die Geschwister in jede Kirche geschleppt, evangelisch, katholisch, Klöster, so lange, „bis ich gesagt habe: Mami, ich kann kein Gold mehr sehen!“ Eine wirklich gläubige Frau sei sie nicht gewesen, die Mutter, auch wenn sie den Sohn hat taufen und konfirmieren lassen. „Sie war eine kunstsinnige Frau.“ Sie habe die Kirchen für die Gestaltungskraft darin bewundert, für den Willen, den Menschen investiert haben, so wie Burghart Klaußner es noch heute tut. „Ich liebe die Kirchen für ihre Kunst.“ Die Architektur. Die Literatur, natürlich. „Was der Mensch braucht, um spirituell zum Erfolg zu kommen, ist nicht die Religion. Es ist die Kunst!“

Das Sonnenlicht scheint durch die bunten Glasfenster auf, fast bestätigend wirkt das an dieser Stelle, aber Burghart Klaußner bemerkt es nicht. Er schaut nach innen. „Die Kunst ist die Fortsetzung der Religion. Das hat etwas mit dem Forschen des Menschen nach dem Entgrenzten zu tun“, sagt er nun, „mit dem Überschreiten der Individualität.“ Inbrunst und Leidenschaft? „Na klar, auch. Aber die Kunst beschäftigt sich mit den großen Fragen. Sie ist eine Antwort auf die Suche nach dem Sinn. Die Kirche selbst hat diese Funktion erkannt, sie hat die Kunst ja in die Kirche geholt!“ Diese Erkenntnis habe er übrigens nicht allein erlangt, sagt Klaußner, sein Sohn Leonhard, der ältere von zweien, habe dem Vater bei einem Frühstück „sehr klug die Augen darüber geöffnet“.

Die Söhne der Familie Klaußner sind nicht getauft, ebenso wenig wie Klaußners holländische Ehefrau, die „aus einer langen Tradition der Kirchenferne“ stamme. Dabei sei er ein großer Freund von Ritualen, betont Klaußner, für einen Schauspieler, zumal für einen, der auch am Theater zu Hause ist, keine große Überraschung. „Ich nehme den Rausch, die Festlichkeit, die Verzückung sehr gern an. Aber dahinter ist Schluss.“

Natürlich sei die Frage faszinierend, „was im Universum um uns herum passiert“, findet Klaußner. „Dass da Kräfte wirken, starke Kräfte, das ist mir auch klar. Aber ist das dann Gott?“ Es ist eine rhetorische Frage, Burghart Klaußner hat seine Antwort darauf längst gefunden. Er zweifelt nicht. „Man lebt viel besser ohne diesen Schnickschnack“, sagt er. „Die Welt wäre eine bessere ohne Religion.“ Als Heranwachsender habe er noch versucht, Gott zu provozieren. „Wie Franz Moor bei Schiller. Gott, zeig dich! In unserer Familie halten wir es nun so: Der Mensch soll sich um den Menschen kümmern. Nicht um Gott.“

Und trotzdem sind die Dinge bisweilen nicht so eindeutig wie sie scheinen, gerade dann, wenn der Mensch sich um den Menschen kümmert. Es ist nicht lange her, da hat Burghart Klaußner ein Gebet gesprochen. Ein schwer kranker Freund hatte ihn darum gebeten. Hat es geholfen? „Gesund ist er nicht. Aber es hat ganz bestimmt unserer Freundschaft geholfen.“

Wofür also ist der Glaube gut? Weil er Kraft spendet? Trost ermöglicht? Klaußner schaut skeptisch. „Kraft und Trost?“ Er schüttelt den Kopf. Aber der kranke Freund – war es nicht tröstlich für ihn, dass jemand für ihn betete? Hat ihm das nicht Halt gegeben? Und nicht nur ihm, sondern womöglich auch dem Freund, der für ihn beten konnte? Klaußner winkt ab. „Das war der verzweifelte Versuch, etwas zu tun, irgend etwas.“

Er steht auf, geht nach vorn und schaut zur Kanzel hinauf. „Wenn ich mir vorstelle, ich sollte zu den Leuten predigen. Das ist doch die Chance für jedes selbstübersteigerte Wesen! Mein Wort hätte Gottes Kraft! Ja, wo kommen wir denn da hin?“ Tatsächlich ist das Predigen dem Schauspieler gar nicht so fremd. In seinem vielleicht berühmtesten Film hat Burghart Klaußner einen Pastor gespielt, eine zentrale Figur der Geschichte. „Das weiße Band“ von Michael Haneke wurde für den Oskar nominiert, gewonnen hat er ihn nicht, aber Klaußner, der Hauptdarsteller, durfte nach Hollywood reisen und zum ersten Mal an der Verleihung teilnehmen, bei der anschließenden Party war er einer der letzten. „Kein Sadist, sondern ein liebender Mensch“ sei diese Figur des Pastors gewesen, sagt Klaußner heute. Man kann, wenn man den Film schaut, durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Burghart Klaußner zeigt darin Strenge, Zucht, Härte, die schwarz-weißen Bilder Hanekes unterstreichen das Unempathische, Beklemmende jener Jahre, die der Film am Beispiel eines Dorfes zeigt. „Ein ganzes Leben lang“ habe er sich auf diese Rolle vorbereitet, sagt Klaußner mit einem feinen Lächeln. „Aber das ist natürlich nur die eine Seite der Antwort.“ Es habe tatsächlich einmal einen wichtigen Pfarrer in seinem Leben gegeben, als er jung war, Pfarrer Anton. Ein Kriegsversehrter, ein Ostpreuße, ein „Gutmensch“. Auch an ihn habe er gedacht, als er in „Das weiße Band“ spielte. „Pfarrer Anton war ein guter Mann. Der war seelenkundig.“ Seelenkundig. Ein schönes Wort. Burghart Klaußner lässt es eine Weile im Raum verharren.

Für Wörter kann er sich begeistern. Überhaupt, die Sprache, das Handwerkszeug des Schauspielers. „Etymologie ist mir heilig“, sagt er zum Beispiel, die Entstehung und die Herkunft einer Formulierung faszinieren Klaußner.

„Heilig“, noch so ein Begriff.

„Darin liegt Harmonie, Gesundheit, Heil. Mir ist vieles heilig. Meine Partnerin, meine Kinder, unter Umständen ist mir mein Frühstück heilig. Und wer noch Kraft übrig hat, dem sind vielleicht auch seine Feinde heilig.“

Burghart Klaußner steht noch immer vorn neben der Kanzel. Den Berlinale-Schal hat er abgelegt. „Gott ist Liebe“, steht auf dem Kreuz hinter dem Altar. Klaußner spricht die Worte ein paar Mal in den leeren Kirchenraum. Dann schüttelt er entschieden den Kopf. „Ich würde es genau andersherum formulieren“, sagt er. „Die Liebe ist Gott. Nur so funktioniert es doch.“

o.“ Mit einem kleinen Dann-wolln-wir-mal-Seuf­zer und wachem, fast amüsiertem Blick lässt sich Burghart Klaußner in die Kirchenbank fallen. Er trägt einen gestreiften Schal mit Bären-Logo am Saum, ein Geschenk des Berlinale-Leiters Dieter Kosslick; es ist kühl in der Groß Flottbeker Kirche, wie es in den meisten Kirchen kühl ist. Burghart Klaußner, Schauspieler, wohnt in Fußnähe, ist aber trotzdem mit dem Auto gekommen. „Weil ich faul bin!“ sagt er und lacht, und seine Stimme trägt gut in diesem Raum, in dem er vor ein paar Jahren schon einmal eine Lesung hatte. Truman Capote. Ausgerechnet. Nun ist Capote – außer der räumlichen Nähe – seine einzige Verbindung zu dieser Gemeinde. Zu irgendeiner Gemeinde.

Aber Burghart Klaußner liebt Kirchen. „Ich! liebe!! Kirchen!“ Mit Ausrufezeichen und Schauspielerbetonung. Aber „aus dem Verein“ sei er vor langer, langer Zeit ausgetreten. Und das mit noch viel fetterem Ausrufezeichen.

Es ist kurz nach Ostern, in den Flottbeker Vorgärten baumeln bemalte Eier an den knospenden Zweigen, auch der Blumenschmuck in der Kirche ist noch nicht abgeräumt. Klaußner sitzt in der achten Reihe, er schaut auf den Christus über dem Altar und schüttelt den Kopf. „Auferstehung“, sagt er und klingt dabei regelrecht empört. „Wer soll denn das glauben?!“

Seine Worte verharren eine Weile im Raum. Eine beredte Stille ist das, eine, die dem Gesagten Gewicht verleiht. Klaußner stört die Stille nicht, er kann sie gut aushalten, genießen vielleicht sogar. „Ruhe, das ist doch schon mal die wichtigste Funktion einer Kirche.“ Wieder der amüsierte Blick.

Als Kind hat der kleine Burghart geglaubt, dass die Wolken „der Dampf vom lieben Gott“ seien. Klaußner lächelt, sein schmales Menjou-Bärtchen über der Oberlippe lächelt mit, als sehe er sich selbst die kindliche Fantasie nach. Seine Mutter habe ihn und die Geschwister in jede Kirche geschleppt, evangelisch, katholisch, Klöster, so lange, „bis ich gesagt habe: Mami, ich kann kein Gold mehr sehen!“. Eine wirklich gläubige Frau sei sie nicht gewesen, die Mutter, auch wenn sie den Sohn hat taufen und konfirmieren lassen. „Sie war eine kunstsinnige Frau.“ Sie habe die Kirchen für die Gestaltungskraft darin bewundert, so wie Burghart Klaußner es noch heute tut. Die Kunst. Die Architektur. Die Literatur, natürlich. „Was der Mensch braucht, um spirituell zum Erfolg zu kommen, ist nicht die Religion. Es ist die Kunst!“

Vor kurzem hat er ein Gebet gesprochen, ein kranker Freund bat ihn darum

Das Sonnenlicht scheint durch die bunten Glasfenster auf, fast bestätigend wirkt das an dieser Stelle, aber Burghart Klaußner bemerkt es nicht. Er schaut nach innen. „Die Kunst ist die Fortsetzung der Religion. Das hat etwas mit dem Forschen des Menschen nach dem Entgrenzten zu tun“, sagt er nun, „mit dem Überschreiten der Individualität. Die Kunst ist eine Antwort auf die Suche nach dem Sinn. Die Kirche selbst hat diese Funktion erkannt, sie hat die Kunst ja in die Kirche geholt!“ Er selbst sei ein großer Freund von Ritualen, betont Klaußner, für einen Schauspieler, zumal für einen, der auch am Theater zu Hause ist, keine große Überraschung. „Ich nehme den Rausch, die Verzückung sehr gern an. Aber dahinter ist Schluss.“

Natürlich sei die Frage faszinierend, „was im Universum um uns herum passiert“, findet Klaußner. „Dass da Kräfte wirken, starke Kräfte, das ist mir auch klar. Aber ist das dann Gott?“ Es ist eine rhetorische Frage, Burghart Klaußner hat seine Antwort längst gefunden. Er zweifelt nicht. „Man lebt besser ohne diesen Schnickschnack“, sagt er. „Die Welt wäre besser ohne Religion. Der Mensch soll sich um den Menschen kümmern. Nicht um Gott.“

Und trotzdem sind die Dinge bisweilen nicht so eindeutig, gerade dann, wenn der Mensch sich um den Menschen kümmert. Es ist nicht lange her, da hat Burghart Klaußner ein Gebet gesprochen. Ein schwer kranker Freund hatte ihn darum gebeten. Wofür also ist der Glaube gut? Weil er Kraft spendet? Trost ermöglicht? Klaußner schaut skeptisch. Aber der kranke Freund – war es nicht tröstlich für ihn, dass jemand für ihn betete? Und gab es nicht womöglich auch dem betenden Freund Halt? Klaußner winkt ab. „Das war der verzweifelte Versuch, etwas zu tun, irgend etwas. Not kennt kein Gebot.“

Er steht auf, geht nach vorn und schaut zur Kanzel hinauf. „Predigen. Das ist doch die Chance für jedes selbstübersteigerte Wesen! Mein Wort hätte Gottes Kraft! Ja, wo kommen wir denn da hin?“ In seinem wohl berühmtesten Film hat Burghart Klaußner einen Pastor gespielt. „Das weiße Band“ von Michael Haneke wurde für den Oskar nominiert, Klaußner durfte an der Verleihung teilnehmen. „Ein liebender Mensch, der es in seiner Strenge nicht besser weiß“ sei diese Figur des Pastors, sagt er heute. Ein Liebender? Man kann, wenn man den Film schaut, durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Zucht, Härte, die schwarz-weißen Bilder Hanekes unterstreichen das Beklemmende. „Ein ganzes Leben lang“ habe er sich auf diese Rolle vorbereitet, sagt Klaußner mit feinem Lächeln. „Aber das ist natürlich nur die eine Seite der Antwort.“

Es habe tatsächlich einen wichtigen Pfarrer in seinem Leben gegeben, als er jung war, Pfarrer Anton. „Der war seelenkundig.“ Seelenkundig. Ein schönes Wort. Für Wörter kann sich Klaußner begeistern. Überhaupt, die Sprache. „Etymologie ist mir heilig“, sagt er zum Beispiel, die Entstehung und die Herkunft einer Formulierung faszinieren ihn. „Heilig“, noch so ein Begriff. „Darin liegt Harmonie, Gesundheit, Heil. Mir ist vieles heilig. Meine Partnerin, meine Kinder, unter Umständen ist mir mein Frühstück heilig.“

Burghart Klaußner steht noch immer vorn neben der Kanzel. „Gott ist Liebe“, steht auf dem Kreuz hinter dem Altar. Klaußner spricht die Worte ein paar Mal in den leeren Kirchenraum. Dann schüttelt er entschieden den Kopf. „Ich würde es genau andersherum formulieren“, sagt er. „Die Liebe ist Gott. Nur so funktioniert es doch.“