Harburg. Bezirksamt legt Analyse der Sport-Infrastruktur vor. Vor allem an Winter-Hallenzeiten mangelt es. Region Harburg schlimmer dran als Süderelbe.
Dass es für die Sportvereine im Bezirk Harburg schwierig ist, ihre Aktiven mit Trainingszeiten zu versorgen, wissen alle Beteiligten. Jetzt gibt es konkrete Zahlen dazu: 34 Turnhallenfelder und zweieinhalb Fußballplätze fehlen im Bezirk derzeit. Besserung ist innerhalb der nächsten zehn Jahre zwar in Sicht, aber gut wird dennoch nicht alles. 2020 werden nach derzeitigem Planungsstand immer noch 24 Hallenfelder fehlen. Das geht aus der „Sportinfrastrukturanalyse“ für den Bezirk Harburg hervor, die das Bezirksamt den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung und Sport am Montag vorstellen wird. Dem Abendblatt liegt das 120-seitige Papier bereits vor.
Daten auf eine neue Weise erhoben
Die Bezirksversammlung hatte es 2018 beim Sportamt in Auftrag gegeben, damit die Politik aufgrund von belastbaren Zahlen planen kann. Zwei Punkte fallen dabei ins Auge: Zum einen lassen sich viele vorhandene Sportstätten nicht oder nicht im vollen Umfang nutzen. Zum anderen findet zwischen den Regionen des Bezirks eine Umkehr statt, denn während bislang die Region Süderelbe im Hintertreffen war, was die Sportstättenversorgung angeht, wird in 10 Jahren die Region Harburg den größeren Mangel haben. Fast zwei Jahre lang erhob Sportamtsmitarbeiterin Lara Wohldorf Bedarfe und glich sie mit dem vorhandenen Angebot ab. Diese Arbeit ist auch für andere Bezirke interessant, denn die Methodik, die ihrer Arbeit zugrunde liegt, hat Lara Wohldorf selbst entwickelt und dabei verschiedene vorhandene Methoden verknüpft.
Wie ist das tatsächliche Freizeitverhalten?
Jahrzehntelang wurde der Bedarf an Sportstätten und anderer Infrastruktur nach dem so genannten „Goldenen Plan“ berechnet. Das Rechenmuster aus den 1960er-Jahren ordnet einer bestimmten Bevölkerungsanzahl eine bestimmte Schlüssel-Anzahl an Sporthallen, Schwimmbädern und Sportplätzen, aber auch Geschäften, Schulen oder Krankenhäuser zu, die bei der Planung von Städten oder Baugebieten verwirklicht werden mussten. Auf Demografie oder Veränderungen im allgemeinen Freizeitverhalten nimmt diese Methode keine Rücksicht. Neuere Ansätze orientieren sich am tatsächlichen Verhalten der Bevölkerung, das statistisch erhoben wird, oder setzen auf Bürgerbeteiligung. Dennoch war der „Goldene Plan“ noch lange die gängigste Methode.
Das Bezirksamt Harburg mischte die Denkansätze, legte Bevölkerungszahlen zugrunde, ermittelte das tatsächliche Verhalten und beteiligte zwar nicht die Bürger in der breiten Masse, aber die Vertreter der Sportvereine an der Debatte um die tatsächlichen Bedarfe.
Vor allem bei den Hallenzeiten ist es eng
Einen ganzjährigen Mangel gibt es derzeit an kleinen Hallen für Turngruppen, Gymnastikangebote und Wellnesssportarten. Hier fehlen 17 Hallen. Zwei- und Dreifeldhallen bieten so lange ausreichend Platz, wie die Freiluftsportarten tatsächlich im Freien trainieren. Im Winter, wenn Fußballer, Leichtathleten und Hockeyspieler ebenfalls in die Hallen drängen, fehlen auch hier 17 Felder.
„Das überrascht mich jetzt nicht wirklich“, sagt Torsten Schlage, Geschäftsführer des Harburger Turnerbundes, „wir merken das ja jeden Winter. Ich setze mich deshalb ja schon länger für eine weitere Dreifeldhalle in Eißendorf ein, aber es gibt keine Grundstücke. Der Plan der Stadt, an der Stadtteilschule Ehestorfer Weg eine neue große Halle zu bauen, scheiterte daran, dass es auf dem Schulgelände nun doch nicht genügend Platz gibt. Und mit dieser Halle wäre ja auch nur uns gedient gewesen. Andere Vereine haben auch noch Bedarf!“
Mangel auch bei den Sportplätzen
Auch bei den Sportplätzen herrscht Mangel. Das verwundert zunächst, denn es gibt augenscheinlich sehr viele. Ausstattung und Zustand lassen aber nicht immer vollen Betrieb zu, in einigen Fällen gar keinen. Als vollwertiger Platz wird ein Kunstrasenfeld mit Flutlicht gerechnet. Ein Rasenplatz zählt nur zu einem Viertel, weil er nicht so intensiv genutzt werden kann. Ein Platz ohne Flutlicht wurde in der Analyse nur zur Hälfte angerechnet. Hinzu kommen Plätze wie der Außenmühlenweg, die dauerhaft gesperrt sind und dringend saniert werden müssen oder Plätze in dörflichen Stadtteilen wie Neuenfelde oder Neuland, die wegen der isolierten Lage nur von den direkten Anwohnern genutzt werden können. Hier ist der Blick in die Zukunft allerdings erfreulich: Durch Sanierung, Aufwertung und Neubau soll der Bedarf 2030 weitgehend gedeckt sein.
Problematisch bleiben die Hallen. „Ich habe mich noch nicht allzu tief mit dem Papier befasst“, sagt der Sportausschussvorsitzende Günter Rosenberger (FDP) „aber dieser Mangel fällt ins Auge! Und ich fürchte, dass es bei der Stadt an Bereitschaft mangelt, Geld in die Hand zu nehmen, um etwas zu ändern.“
Süderelbe steht jetzt besser da
Sein Stellvertreter Lars Frommann (CDU) hat schon etwas intensiver gelesen. „Erschreckend ist, dass der Bedarf noch höher wäre, wenn die Harburger so viel Sport trieben, wie der Hamburger Bevölkerungsdurchschnitt“, sagt er, „denn noch liegt die Vereinssportquote hier mit 18 Prozent unter dem Hamburger Schnitt von 20 Prozent. Das kann sich durch Zuzüge allerdings ändern.“
Studienautorin Lara Wohldorf empfiehlt, nicht nur mehr Sportstätten zu bauen, sondern die vorhandenen effektiver zu nutzen, durch Synergien oder paralleles Training. Hier sieht auch SPD-Sportausschussmitglied Holger Böhm Spielraum: „Manchmal belegt eine kleine Hand voll Sportler eine ganze Hallenzeit“, sagt er. „Das kann man sicherlich besser lösen.“