Winsen. Die Top-Sportlerinnen der Kunstturngemeinschaft Lüneburger Heide halten sich auf dieser Weise für spätere Wettkämpfe fit.

Not macht erfinderisch. Das gilt nicht erst seit Corona, hat in den vergangenen Wochen aber eine neue Bedeutung bekommen. Erfinderisch präsentierten sich auf jeden Fall die Turnerinnen der Kunstturngemeinschaft (KTG) Lüneburger Heide. Da die Sporthallen mehr als zwei Monate geschlossen waren, sie aber fit bleiben wollten und mussten, suchten sie nach alternativen Trainingsformen. Das führte letztlich dazu, dass manch verdutzter Spaziergänger spektakuläre Salti im Winsener Schlosspark zu sehen bekam oder Riesenfelgen an den öffentlichen Turngeräten im Eckermannpark. Das eigentliche Outdoor-Training führten die KTG-Trainerinnen seit den letzten Mai-Tagen auf dem Sportplatz der Berufsbildenden Schulen (BBS) durch.

Besonders bitter war der Lockdown für zwei der größten Talente. Zoe Hiller (Altersklasse 12) und Laura Brakmann (AK 13) hatten in diesem Jahr ohnehin nur einen kurzen Zeitraum, in dem sie sich für die Deutschen Jugendmeisterschaften qualifizieren konnten. Wegen der Olympischen Spiele sollten die nationalen Titelkämpfe der Nachwuchsklassen zwei Monate früher als üblich, nämlich bereits Ende März in Esslingen durchgeführt werden. Die beiden Mitglieder des MTV Borstel-Sangenstedt nutzten im Januar gleich den ersten von zwei Wettkämpfen, um die geforderte Punktzahl im Vierkampf zu überbieten.

Versuch, die Form zu Hause zu konservieren

In der Endphase der DM-Vorbereitung spitzte sich die Coronalage zu, die Turnhallen wurden geschlossen. Da die Titelkämpfe aber noch nicht abgesagt waren, versuchten Zoe Hiller und Laura Brakmann ihre sehr gute Form unter erschwerten Bedingungen in den heimischen vier Wänden zu konservieren. Als dann doch die Absage vom Deutschen Turnerbund kam, war die Enttäuschung größer als die Erleichterung.

Kür auf dem Holzbalken im Winsener Schlosspark

Die Jugendlichen der KTG Lüneburger Heide ließen sich nicht unterkriegen. Sie organisierten Whats-App-Videokon­ferenzen und trainierten im Wohnzimmer und Garten weiter. Die Zwangspause für Training in der Halle, in der die Mädchen bis zu sechs Tage pro Woche verbringen, forderte die Kreativität heraus. Es wurde nach Sportgeräten im öffentlichen Raum Ausschau gehalten. Und so bekam man mehrmals pro Woche eine erstklassige Kür von Zoe Hiller geboten, die auf den Holzbalken am Winsener Schloss ihre Salti schlug. Auch Laura Brakmann und Lena Miltz ließen sich etwas einfallen und nutzen die Reckstangen im Eckermannpark für ihre Riesenfelgen.

Trainingszeiten auf dem Sportplatz der Berufsschule

Nach kurzer Zeit gelang es Trainerin Birgit Kruse, Trainingszeiten auf dem Sportplatz der Berufsschule zu organisieren. An zwei bis drei Tagen pro Woche arbeiteten die Sportlerinnen in Kleingruppen von maximal fünf Personen unter freiem Himmel an Kondition, Kraft und weiteren Grundlagen. Die neuen und erschwerten Bedingungen und die fehlenden Geräte gaben ihnen ein ganz anderes Trainingsgefühl. Normalerweise kommen sie nicht aus der Halle heraus. „Vielleicht bleiben wir dabei, einen Tag in der Woche draußen zu trainieren“, sagte Trainerin Birgit Kruse, die mit kleinen Gruppen mittlerweile wieder in der Winarena in Winsen trainieren darf.

„Wir haben sehr hohe Hygienevorschriften. Wir gehen mit Maske in die Halle und reißen sofort alle Fenster auf. Die Umkleidekabinen benutzen wir nicht, obwohl wir das dürften“, beschreibt Kruse das Prozedere. Weil sie Landestrainerin in Hamburg ist, trainiert sie mit den Kadermitgliedern auch im Turnzentrum an der Angerstraße. „Es gibt Hände-, Füße- und Flächendesinfektion. Es ist wie im Hochsicherheitstrakt. Aber wir sind dankbar, überhaupt erste Schritte in der Halle tun zu dürfen.“

Jugendmeisterschaften Ende Oktober?

Zu normalen Zeiten sind bis zu fünf Gruppen zeitgleich in der Halle, das geht jetzt nicht. Darum trainieren vor allem die Jüngeren weiter unter freiem Himmel, auch auf dem Sportplatz des MTV Pattensen, ebenfalls ein Stammverein der KTG Lüneburger Heide. Zoe Hiller und Laura Brakmann bauen langsam wieder Spannung auf für ihren Saisonhöhepunkt. Die Deutschen Jugendmeisterschaften sollen voraussichtlich Ende Oktober nachgeholt werden.