Buchholz. 17 Jahre alter Spitzenturner will den Traum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen für Panama noch nicht aufgeben.

Der Traum von den Olympischen Spielen begann für Turner Pablo Broszio (17) vor vier Jahren mit einem tragischen Schicksalsschlag. Kurz nach seinem 13. Geburtstag stirbt sein Bruder, die in Bremen lebende Familie Broszio hatte eine schwere Zeit durchzustehen. „Das ist ein sehr trauriger Hintergrund. Danach nahm sich mein Vater mehr Zeit für mich. Er wurde dann mein Trainer und wir haben angefangen, das ganze Ziel richtig zu verfolgen“, erinnert sich der heute 17-Jährige.

Vater Jan war früher selber Leistungsturner, heute gibt er sein Wissen an seinen Sohn Pablo weiter. 2017 wechselte das Vater-Sohn-Duo zum TSV Buchholz 08. Die Kunstturn-Arena in der Buchholzer Nordheidehalle bietet dem Duo die besten Trainingsmöglichkeiten.

Heute kämpft Pablo Broszio für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. „Mein Vater hat mich früher mit in die Halle genommen. Also habe ich mit vier Jahren angefangen zu turnen, mit sechs Jahren bin ich in den Turnverein eingetreten“, berichtet Broszio. Da die Konkurrenz in Deutschland zu stark ist, turnt der 17-Jährige für die Nationalmannschaft von Panama – dem Heimatland seiner Mutter Michele. Bei einem Familienbesuch im Dezember 2018 durfte der gebürtige Bremer mit doppelter Staatsbürgerschaft beim Verband in Panama-City vorturnen.

Während den Corona-Beschränkungen trainierte Pablo Broszio (17) im Firmengebäude seines Vaters.
Während den Corona-Beschränkungen trainierte Pablo Broszio (17) im Firmengebäude seines Vaters. © Privat

Broszio überzeugte, wurde unter die besten vier Nachwuchsturner des mittelamerikanischen Landes eingestuft und gehört seitdem zum festen Kader der Junioren-Nationalmannschaft. „Es ist für mich ein Nachteil, dass ich nicht vor Ort bin und mich regelmäßig mit den anderen Turnern treffen kann. So können wir uns gegenseitig nicht so gut pushen. Wir haben aber eine Instagram-Gruppe und schicken uns regelmäßig Videos“, erzählt der Teenager.

Qualifikation um einen Zehntelpunkt verpasst

2019 verpasste Broszio die Qualifikation zur Junioren-Weltmeisterschaft um einen Zehntelpunkt. Nur der Sieger erhielt das WM-Ticket – Pablo Broszio ging als Vizemeister des Junioren-Mehrkampfes somit leer aus. Der 17-Jährige trainiert an sechs Tagen in der Woche. „Pro Tag mache ich meistens zwischen drei und vier Stunden, Sonntags ist frei“, berichtet der siebenfache Niedersachsenmeister. Für die Einheiten nehmen Vater Jan und Sohn Pablo beinahe täglich die Fahrt von Bremen nach Buchholz auf sich.

Zeit für Hobbys und Freunde bleibt da kaum. „Bis vor einem Jahr habe ich noch Gitarre gespielt, dann aber auch wegen Turnen damit aufgehört. Mit meinen Freunden treffe ich mich dann meistens am Wochenende. Das klappt aber auch nur am Sonntag, weil ich die restliche Zeit trainiere“, sagt der Gymnasiast. Broszio besucht die elfte Klasse eines Bremer Gymnasiums. Im kommenden Jahr stehen für ihn die Abiturprüfungen an. Die Doppelbelastung sei kein Problem. „Ich lasse mich dabei nicht stressen. Viele von meinen Freunden haben da viel größeren Stress“, gibt sich der 17-Jährige entspannt.

Pro Woche verbringt Pablo Broszio rund 30 Stunden mit Training. Motivationsprobleme habe er trotzdem nicht. „Die Motivation ist bei mir jeden Tag da. Ich weiß genau, was ich will. Ich arbeite sehr hart und habe einen genauen Plan. Deshalb denke ich, dass ich es in die Herren-Nationalmannschaft schaffen kann“, sagt Broszio.

Ohne Wettkämpfe fehlt die Chance sich zu beweisen

Vor den Corona-Beschränkungen absolvierte er mit zwei weiteren Mitgliedern der Junioren-Nationalmannschaft Panamas ein Trainingslager in Florida (USA). Dort trainierte der 08-Turner unter Yin Alvarez, einem der erfolgreichsten Trainer der Branche. Alvarez turnte früher für die Nationalmannschaft der USA und machte nach seiner aktiven Karriere mehrere Turner zu Weltmeistern und Olympiasiegern. Zu Hause in Bremen trainiert Broszio regelmäßig unter seiner Online-Anleitung.

Als im März in Deutschland die Sporthallen geschlossen wurden stand der 17-Jährige vor einer komplizierten Situation. Doch anstatt eine mehrwöchige Trainingsunterbrechung in Kauf zu nehmen, wurde er gemeinsam mit seinem Vater aktiv. Kurzerhand liehen sie sich bei seinem Bremer Heimatverein TV Grohn einige Geräte aus und brachten sie mit einem Lkw ins Büro seines Vaters. Jan Broszio führt in Bremen eine Firma für Energietechnik und Solaranlagen. Während Vater Jan am Schreibtisch saß, übte Sohn Pablo wenige Meter entfernt an Barren, Pauschenpferd und Reck. In der vier Meter hohen Garage brachten die Broszios noch Ringe an – die Paradedisziplin des Turntalents.

Der 17 Jahre alte Pablo Broszio trainierte im Februar in Florida mit dem US-amerikanischen Trainer Yin Alvarez. 
Der 17 Jahre alte Pablo Broszio trainierte im Februar in Florida mit dem US-amerikanischen Trainer Yin Alvarez.  © Privat

Seit dem 9. Mai trainiert Broszio zum Großteil wieder in der Buchholzer Nordheidehalle. Dafür erhielt der Teenager eine Sondergenehmigung. Eigentlich seien die Olympischen Spiele 2024 in Paris sein klares Ziel gewesen. Durch die Verschiebung der Spiele von Tokio 2020 könnte der Olympiatraum aber möglicherweise bereits im nächsten Jahr wahr werden. Die größte Hürde liegt jedoch in der Qualifikation. Ohne Wettkämpfe fehlt den Athleten die Chance, sich zu beweisen.

Deutsche Jugendmeisterschaften sind noch nicht abgesagt

„Es ist nicht klar, ob es die Möglichkeit für Olympia 2021 überhaupt noch gibt, da eigentlich alle Startplätze Panamas schon vergeben sind. Mein mittelfristiges Ziel ist aber ganz klar 2024. Jetzt bin ich noch nicht so weit. Aber ich arbeite darauf hin und werde bereit sein“, sagt Broszio.

Zurzeit arbeite er auf die deutschen Jugendmeisterschaften im Herbst hin. Die ist nach heutigem Stand noch nicht abgesagt. „Mein Ziel ist es, eine Medaille an den Ringen und mindestens das Gerätefinale am Barren zu erreichen“, sagt er. Die größten Schwächen habe er noch am Pauschenpferd und am Boden. „Das sind Sachen, die man jeden Tag trainieren muss. Auch wenn es mir nicht den größten Spaß macht“, sagt Pablo Broszio zum Ende des Gesprächs.

Dann entschwindet er – zum vierstündigen harten Training in der Nordheidehalle.