Buchholz/Tokio. Drei Jugendliche vom „Team Bookwood“ sind in der ersten Augmented-Reality-Sportart erfolgreich. Ein Spiel wie Völkerball, nur ohne Bälle.
Wer oder was ist HADO? „Das musste ich meiner Mutter auch erstmal 20 Minuten lang erklären“, sagt Florian Pulsa – Deutscher Meister in der hierzulande noch unbekannten Sportart. Der gerade einmal elf Jahre alte Buchholzer gewann im November mit seinen Mitspielern Bennet Sieling (16) und Maximilian Bastein (14) die erste Deutsche Meisterschaft. Mit ihrem „Team Bookwood“ – frei übersetzt für Buchholz – starten sie an diesem Sonntag bei der HADO-Weltmeisterschaft in Tokio. Die Reisekosten übernimmt der Veranstalter.
Zwei Dreier-Teams müssen sich gegenseitig mit Bällen abwerfen
Aber was ist HADO? Das 2014 in Japan entwickelte Spiel ist die erste sogenannte Augmented-Reality-Sportart (AR) der Welt. Im Grundprinzip ist HADO mit Völkerball zu vergleichen: Zwei Dreier-Teams müssen sich gegenseitig mit Bällen abwerfen. Gespielt wird jedoch nicht mit echten, sondern digitalen Bällen. Die Spieler tragen hierzu eine AR-Brille, welche die Bälle für jeden Spieler dreidimensional ins virtuelle Sichtfeld projiziert. Ein Sensor am Handgelenk erkennt, wann ein Spieler einen Ball wirft. Weitere Sensoren registrieren zudem die Feldposition der Spieler und entwickeln das Bild, welches in der Brille angezeigt wird.
„Das ist der erste Sport, bei dem die reale und die digitale Welt zusammengeführt werden. Das ist mit E-Sport, der nur im Sitzen gespielt wird, nicht zu vergleichen. Unser Sport ist sehr bewegungsintensiv, deshalb nenne ich das auch Tech-Sport“, erklärt Arndt Bömelburg (57). Als Geschäftsführer von Etech-Sports vergibt Bömelburg in Deutschland die Spiel-Lizenzen an Sportvereine oder Fitnessstudios. Im kommenden Jahr möchte der Buchholzer einen nationalen HADO-Sportverband gründen.
Bei der dritten WM nehmen erstmals auch Europäer teil
Zum dritten Mal findet in diesem Jahr die HADO-Weltmeisterschaft statt – bis zum diesjährigen Turnier traten ausschließlich asiatische Teams an. Neben dem deutschen „Team Bookwood“ haben sich 2019 sechs weitere europäische Mannschaften qualifiziert. Insgesamt gibt es 16 teilnehmende Teams. „Die Asiaten zelebrieren die Sportart auf einer ganz anderen Ebene. In unserer Gruppe treffen wir auf Japan, das wird sehr interessant“, weiß Arndt Bömelburg. In Asien gebe es eine regelrechte HADO-Euphorie, Malaysia habe gar einen eigenen Fernsehsender für diese Sportart. Die Weltmeisterschaft wird zudem – wie viele andere elektronische Sportarten – live beim Streaming-Dienst „Twitch“ übertragen. Aufgeregt seien die drei Schüler trotzdem nicht.
Und auch dass die WM-Kontrahenten durchschnittlich zehn Jahre älter sind, ist für die drei Jungs aus Buchholz kein Problem. „Deutschland zu repräsentieren, ist cool. Ich möchte auf jeden Fall eine Runde weiter kommen“, sagt Bennet Sieling.
Malaysia hat einen eigenen Fernsehsender für HADO
Der 16-Jährige trat im Alter von sieben bis neun Jahren im Musical „Tarzan“ auf. „Durch die Akrobatik hat Bennet eine sehr gute Hand-Augen-Koordination“, so Trainer Michel Schwedt (35). Der gelernte Sport- und Fitnesskaufmann studiert Sportökonomie – und trainiert seit Juli das „Team Bookwood“. Auch der elf Jahre alte Florian Pulsa habe optimale Voraussetzungen: Der Sechstklässler hat als Handballspieler einen guten Wurf. In einem präparierten Raum im Buchholzer Jugendzentrum und der Lasertag-Arena in Harburg bereitete Schwedt die Schüler auf die Weltmeisterschaft vor.
In jeweils 80-sekündigen Runden gilt es, möglichst viele Gegner zu treffen. Sobald ein Spieler getroffen ist, wird er für zwei Sekunden deaktiviert. Mit elektronisch simulierten Computer-Bots lassen sich spezielle Spielsituationen trainieren und eine Taktik entwickeln. Alle Ergebnisse können gespeichert und nach den Spielrunden analysiert werden. Trainer Michel Schwedt kann zudem das gesamte Spielfeld sowie die Sichtfelder jedes einzelnen Spielers an einem Bildschirm live mitverfolgen.
Es gibt 2000 Euro Preisgeld, aber nicht für Minderjährige
Was sie an HADO so fasziniert? „Man spielt ein Videospiel und bewegt sich trotzdem. Außerdem läuft man doppelt so viel wie beim normalen Völkerball“, sagt Florian Pulsa.
Dass die drei eigentlich Schulunterricht hätten, sei kein Problem gewesen, Lehrer und Schuldirektor reagierten verständnisvoll. „Mein Klassenlehrer war total begeistert. Der wollte gleich Videomaterial auf die Internetseite der Schule stellen“, berichtet Pulsa. Nur seine Sitznachbarin sei nicht glücklich gewesen. „Die ist neidisch weil ich schulfrei habe“, freut sich der Sechstklässler.
Trotzdem ist das Dreierteam nur mit einer Sondergenehmigung spielberechtigt. „Weil es mehr als 2000 Euro Preisgeld zu gewinnen gibt und Minderjährige das nicht gewinnen dürfen“, erklärt Michel Schwedt. Auch wenn der Trainer meint, die Gruppenphase überstehen zu können – mit einem WM-Sieg rechne das „Team Bookwood“ nicht. An Preisgeldern seien sie ohnehin nicht interessiert. „Es ist schon Belohnung genug, dass wir da mitmachen dürfen“, freut sich Florian Pulsa.