Buchholz. 1852 Teilnehmer beim größten Volkslauf im Landkreis Harburg. Viele kamen zu spät. Straßen waren für langen Motorrad-Konvoi gesperrt.
Fünf Minuten sind es noch bis zum nächsten Startschuss beim 21. Buchholzer Stadtlauf. Die Schüler der Jahrgänge 2004 bis 2009 haben sich längst an der Startlinie aufgestellt. Möglichst aus der ersten Startreihe wollen sie die 2000 Meter langen Schleife durch die Fußgängerzone in Angriff nehmen. Ein Stückchen weiter stehen ihre Eltern am Streckenrand; das Smartphone ist auf Filmmodus eingestellt, um den Nachwuchs in Bewegtbildern zu verewigen. Jetzt bloß nicht ins Bild laufen!
Wie einst Helmut Schön ist Arno Reglitzky der Mann mit der Mütze
Weiter vorn, auf einem kleinen Podest neben dem großen Startbogen, steht der Mann mit der Mütze. Diese Bezeichnung durfte in den 1970er-Jahren nur einer tragen: Fußball-Bundestrainer Helmut Schön. Udo Jürgens widmete ihm zum Abschied sogar ein Lied: „Der Mann mit der Mütze geht nach Haus.“
Der Buchholzer Mann mit der Mütze, noch dazu eine auffällig gelbe, geht noch nicht nach Haus. Auch wenn er immer wieder mit diesem Szenario kokettiert. Es ist Arno Reglitzky, die Integrationsfigur und der Macher hinter dem Buchholzer Stadtlauf. Schnell führt der 83-Jährige noch ein Interview mit einem Sponsor, dann zählt er gemeinsam mit den Kids neben ihm auf der Breiten Straße den Countdown herunter. Einige rennen schon los, bevor die Null erschallt, dramatisch ist das nicht. Bald stürmen alle los, die weniger Ambitionierten winken im Vorbeilaufen ihren Eltern zu.
Zwölf Läufe, neun Stunden, fast 2000 Teilnehmer, 20.000 Zuschauer
So oder so ähnlich wiederholt sich die Szene an diesem Sonntag in der Nordheide zwölf Mal. Zwölf verschiedene Startschüsse gibt es beim 21. Buchholzer Stadtlauf, etwa neun Stunden lang wird die Innenstadt zu einer einzigen großen Laufbahn. Geht man weiter Richtung Ziel, das wie gewohnt vor der Empore liegt, bekommt man einen Eindruck vom enormen logistischen Aufwand, der hinter einer solchen Veranstaltung mit fast 2000 Teilnehmern und etwa 20.000 Zuschauern steckt.
Fast an jeder Ecke trifft man die freundlichen Helferinnen und Helfer in roten T-Shirts mit dem Aufdruck „Stadtlauf-Orga-Team“. Sie weisen den Weg, überreichen Medaillen, reichen ein Stück Banane oder geben Urkunden aus. Fragt man Reglitzky nach der Anzahl der Helfer, antwortet er „zu wenig“. Gerade sie sorgen dafür, dass der größte Volkslauf im Landkreis Harburg über all die Jahre seinen Charakter als sportliches Fest für die ganze Familie bewahrt hat.
Einige Schulen haben ihre Unterstützung eingestellt
„Die 2000 will ich erreichen“, hatte Arno Reglitzky im Vorfeld gesagt. Doch die angestrebte Marke von 2000 Teilnehmern wurde 2019 nicht geknackt. Insgesamt zählten die Organisatoren 1852 Starter. Einen Grund sieht Arno Reglitzky darin, dass einige Schulen ihre Unterstützung eingestellt hätten. „So ist auch bei den Kindern mit etwa 900 Teilnehmern eine leichte Delle aufgetreten.“
Ein anderes Problem an diesem dritten Sonntag im Juni waren die vielen tausend Teilnehmer des Motorrad-Gottesdiensts, die sich ab 13 Uhr auf den Weg von Hamburg nach Buchholz machten. Viele Straßen wurden komplett und das für anderthalb Stunden gesperrt. So hatten gerade die Läuferinnen und Läufer, die die längeren Distanzen am Nachmittag absolvieren wollten, kaum eine Möglichkeit, rechtzeitig beim Stadtlauf zu erscheinen. „Viele verpassten durch die Verspätung ihren Lauf und waren natürlich angefressen“, erzählte Reglitzky, „da hagelte es Proteste.“
Extrem schnelle Zeiten der Zehn-Kilometer-Sieger
Eine, die sich eher bedankte als beschwerte, war die Siegerin im Zehn-Kilometer-Lauf der Sparkasse Harburg-Buxtehude. Auch Caroline Garmatter aus Hamburg hatte mit Problemen bei der Anreise zu kämpfen. Obwohl die Frist für die Nachmeldung 20 Minuten überschritten war, durfte sie mitlaufen und zauberte in 37:46 Minuten eine exzellente Zeit auf die exakt vermessene Zehn-Kilometer-Schleife. Zum Vergleich: im Vorjahr war die Siegerin sechs Minuten langsamer gewesen. „Eine wirkliche tolle Laufrunde vorbei an all den Zuschauern, was unheimlich motivierend war“, sagte die 32-Jährige aus Winterhude.
Staffel nur knapp schneller als Halbmarathon-Einzelsieger
Auch ihr männliches Pendant sorgte für eine der vielen wertvollen Leistungen beim 21. Stadtlauf. Fünf Minuten schneller als der Vorjahressieger, passierte Sebastian Kohlwes vom LC Hansa Stuhr aus der Nähe von Bremen die Ziellinie nach 32:01 Minuten. Auch der Zweite Fynn Paul Timm (33:46) und der Dritte Tim Hartmann (36:00/beide Lüneburg) unterboten die 2018er-Siegerzeit. Das Duell des Einzelläufers gegen ein Viererteam ging knapp an die 4 x 5-Kilometer-Staffel der LG Nordheide, die die 21,0975 Kilometer nach 1:18:22 Stunden hinter sich gebracht hatte. Nur 16 Sekunden später kam Mario Lawendel (Hansa Stuhr), der die gesamte Strecke allein lief, ins Ziel.
Arno Reglitzky ist noch nicht im Ziel, ans Aufhören scheint er trotz einiger Herausforderungen offenbar nicht zu denken. Jedenfalls verkündete er: „Der nächste Buchholzer Stadtlauf, der 22., ist geplant für den 21. Juni 2020.“