Buchholz. Warum die Handballerinnen von Buchholz-Rosengarten schon wieder nicht in der 1. Bundesliga spielen dürfen.

Sie dürfen nicht aufsteigen. Nicht in die 1. Bundesliga. Das steht seit Anfang März fest. Die Handball-Luchse (HL) Buchholz 08-Rosengarten werden auch in der kommenden Saison in der 2. Liga bleiben. Sven Dubau, dem Manager des aktuellen Spitzenreiters, tut es „in der Seele weh.“ Aber aus finanzieller Sicht sei ein „Aufstieg in die 1. Bundesliga ein zu hohes Risiko“, musste er mitteilen – zum dritten Mal vor einer neuen Saison.

Der Sprung nach oben unter die Großen im deutschen Damenhandball scheitert an 150.000 Euro. Das ist im Landkreis Harburg weniger als ein Drittel des Preises, der für ein Einfamilienhaus zu entrichten ist. „Die Kultur des Sponsoring ist in Buchholz noch nicht durchgängig angekommen,“ räumt Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse ein. „In der Stadt gibt es viele Menschen, die sich noch in einem größeren Maß engagieren könnten.“ Doch es tut sich zu wenig.

Der Verein hat sich über die Jahre arrangiert. Jedenfalls kann ihm niemand vorwerfen, dass nicht jeder Cent umgedreht wird. Sparfuchs Dubau empfängt in der Geschäftsstelle, die bei der Buchholzer Brandschutztechnikfirma Jockel untergeschlüpft ist. Miete fällt nicht an, weil sie mit der Trikotwerbung des Sponsors verrechnet wird. Der gelernte Anlagenmechaniker Dubau, der parallel als Selbstständiger einem Kurierdienst führt, ist der Garant dafür, dass der Minietat von 200.000 Euro im Jahr ausreicht. Der Buxtehuder SV (BSV), ebenfalls nicht gerade finanziell auf Rosen gebettet, kommt eine Liga höher schon auf rund eine Million Euro.

Wie kann man mit 200.000 Euro im Jahr für die Mannschaft auskommen?

Wie das geht in Buchholz? Bis auf vereinzelte Zulagen für Spielerinnen, die zusätzlich noch Aufgaben als Übungsleiter wahrnehmen, bekommt keine der Luchse-Spielerinnen mehr als die 450 Euro für einen Minijob. Trainer Dubravko Prelcec ist Teilzeitkraft mit 120 Stunden. Nur so ist es möglich, mit 140.000 bis 150.000 Euro für die Mannschaft auszukommen. Auf den Rückreisen von den Auswärtsspielen steuert Dubau, der seine 120 Stunden im Monat gar nicht abrechnet, öfter selbst einen der Kleinbusse, oder lässt entweder Co-Trainer Matthias Steinkamp oder eine geübte Fahrerin aus dem Team ans Steuer.

In der Nordheidehalle tragen die Luchse ihre Heimspiele aus
In der Nordheidehalle tragen die Luchse ihre Heimspiele aus © Unbekannt | Rolf Zamponi

Die Fahrten zu den Spielen sind nur deshalb komfortabler, weil ein langjähriger Fan aus dem Würzburger Raum günstige Konditionen in einem Hotel in der Residenzstadt organisiert hat. Von diesem zentralen Standort aus ist es nicht mehr so weit bis zu den Spielorten, die häufig im Süden der Republik liegen. Alle Reisen organisiert Dubau möglichst monatelang im Voraus, um so von Rabatten zu profitieren und bei der Vereinstochter HV Rosengarten, bei der die Bundesliga-Spielrechte liegen, keine Schulden aufzutürmen. Zum 30. Juni werden alle alten beglichen sein.

30 neue Sponsoren gewonnen: Die Einnahmen sollen die Reisekosten decken

Doch der 41 Jahre alte Manager spart nicht nur, er denkt zudem über neue Erlöse nach. So läuft seit Oktober eine Unterstützer-Aktion für Firmen, die ab 100 Euro im Jahr die HV sponsern können. Erfolgreich, weil sich viele nach einem ersten Erlebnis der Faszination und Spannung in der Nordheidehalle nur schwer entziehen können. „Bislang ist keiner der neuen 30 Sponsoren abgesprungen, einige haben ihren Betrag sogar aufgestockt“, sagt Dubau. Mit den Einnahmen aus der Aktion sollen künftig die Reisekosten von 15.000 Euro pro Saison gedeckt werden.

Doch trotz solcher überschaubaren Erfolge: Das Sponsoring bleibt beim Sport außerhalb des Fußballs selbst in der 2. Bundesliga ein mühsames Geschäft. Es lebt vom Zufall, den richtigen Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit kennen zu lernen. „Wir bekommen häufig keine Termine bei den Entscheidern, wenn wir für die Mannschaft werben wollen“, hat Dubau immer wieder erfahren müssen. Am besten wirkt ein Erlebnis in der Halle. Aber zu den Spielen müssen künftige Unterstützer erst einmal gelotst werden.

Kosten im Handball-Oberhaus steigen um 30.000 Euro

Ohne Zweifel hätte ein Aufsteiger bessere Karten. Das hat sich auch in der bisher einzigen Saison im Handball-Oberhaus gezeigt. Vor der Aufstiegssaison 2015/16 erhöhte sich die Zahl der Sponsoren von 60 auf 100, um nach dem postwendenden Abstieg wieder bei 60 zu landen. Inzwischen konnte Dubau ihre Zahl auf mehr als 80 erhöhen.

Ein Aufstieg würde die Kosten zwar um rund 30.000 Euro jährlich erhöhen. Es werden höheren Abgaben an die Geschäftsstelle der Handball Bundesliga Frauen (HBF) fällig, das Honorar der Schiedsrichter steigt und der obligatorische Livestream von der Spielen muss organisiert werden. Zudem ließen sich Reisen schwieriger planen, weil die Spitzenmannschaften der Liga international unterwegs sind und sich so Termine verschieben können. In die 30.000 Euro sind dabei nicht einmal höhere Entgelte für die Spielerinnen eingerechnet, die jetzt für ihre 450 Euro im Monat vier Mal die Woche je zwei Stunden trainieren und freitags im Fitnessstudio noch ihr Krafttraining absolvieren. Doch die sportlichen Voraussetzungen für einen Aufstieg sind eben gegeben.

Sportlich ist der Verein fit für die 1. Bundesliga

Manager Sven Dubau mit einem Trikot, das auf die mangelnden Finanzen für einen Aufstieg hinweist
Manager Sven Dubau mit einem Trikot, das auf die mangelnden Finanzen für einen Aufstieg hinweist © Unbekannt | Rolf Zamponi

„Das Training reicht für die 1. Liga. Die Mannschaft ist stark genug besetzt und die Halle würde noch jahrelang ausreichen. Auch bei unserer ärztlichen Versorgung stehen wir keinem Erstligisten nach,“ ist Dubau überzeugt. Zudem soll die Kooperation mit dem BSV ausgeweitet werden: Die Teams sollen künftig alle vier bis sechs Wochen gemeinsam trainieren und sich so weiter verbessern. „Unsere Vision ist, aufzusteigen und die Klasse zu halten. Zumal von der Saison 2020/2021 an Mannschaften der 2. Liga acht Punkte abgezogen bekommen, wenn sie ihren sportlich erkämpften Aufstieg nicht wahrnehmen wollen oder können. „Diesen Beschluss der HBF mit großer Mehrheit gefasst“, bestätigt HBF-Sprecherin Nadine Schulte. Kaum zu glauben, dass die neue Regel der Stimmung im Luchse-Team zuträglich wäre, wenn sich nichts ändert.

Zur Abhilfe müssten ein oder gleich mehrere Sponsoren her, die den Etat auf 300.000, besser auf 350.000 Euro aufstocken würden und zudem nachhaltig planten. Möglich wäre das: Die Wirtschaft im Landkreis Harburg, der als einer der wirtschaftsstärksten in Niedersachsen gilt, ist gut aufgestellt. Allein in Buchholz soll die Gewerbesteuer 2019 von 19,5 Millionen Euro im Vorjahr auf 21,3 Millionen Euro steigen. „Die Stadt hat mehr finanzielles Potenzial, als bislang genutzt wird“, schiebt Bürgermeister Röhse nach.

Drei große Sponsoren decken die Hälfte des Etats

Doch auch die Politik fremdele noch immer mit den Verein, der von der Gemeinde Rosengarten ausging und zunächst mit Blau Weiß Buchholz und später mit Buchholz 08 kooperierte – also von außen in die größte Stadt des Landkreises kam, so Röhse. Dazu komme die Konkurrenz von anderen Sportarten. So stellt die Stadt bislang allein die Nordheidehalle für die Luchse bereit, ohne Mietkosten zu fordern.

Ähnlich wie Röhse sieht das Wilfried Wiegel, der Kommunikationschef der Sparkasse Harburg-Buxtehude: „Die Buchholzer Wirtschaft könnte mehr leisten. Ich verstehe ohnehin nicht, warum die Summen im Sponsoring immer so auf Kante genäht sind.“ Die Sparkasse gehört zu den drei großen Sponsoren, die zusammen mit 100.000 Euro die Hälfte des Etats der Luchse aufbringen. „Die Luchse rangieren bei uns ganz weit oben. Wir haben öfter sogar schon mehr zugeschossen, als zunächst vorgesehen war“, versichert Wiegel. Derzeit sei man aber „am Limit.“

Sparkasse, Stadtwerke Buchholz und Verleger Schrader helfen

Neben dem Kreditinstitut sind die Stadtwerke Buchholz und der Verleger Martin Schrader seit Jahren mit deutlichen Summen engagiert. Zahlen nennen möchte niemand. „In der Einzelförderung ist der Zuschuss an den Verein bei uns der größte Posten“, sagt Jan Bauer, der Vertriebsleiter der Stadtwerke. Er hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass über die Summe noch mal nachgedacht werde, sobald sich neues Interesse rege. Verleger Schrader, der die Luchse aus seiner Privatschatulle fördert, hatte auch nach dem Abstieg aus der 1. Liga finanziell geholfen. „Ich identifiziere mich stark mit dem Verein, will aber im Hintergrund bleiben“, sagt Schrader. Für Geschäftsführer Dubau ist er trotzdem „einer der wichtigsten Menschen für uns. Er sieht genau, was wir tun.“

Die drei Hauptsponsoren, da ist sich der Manager sicher, sind da, wenn „es brennt.“ Doch zu dritt werden sie die 150.000-Euro-Lücke wohl kaum schließen können. Dubaus Fazit: „Sportlich 1. Liga, finanziell hinterher.“

Wie lange soll das noch so bleiben?

Lesen Sie auch