Buchholz. Die Lateinformation von Blau-Weiss hat eine vollkommen neue Choreographie erarbeitet. Wenn sie vorn dabei ist, lockt die WM-Teilnahme.

Einladung zur Generalprobe der Bundesliga-Lateinformation von Blau-Weiss Buchholz. Nein, das kann man nicht mit dem ersten Training beim FC Bayern oder dem HSV vergleichen. Eher mit einer Theaterpremiere. Nach monatelangen Proben hinter verschlossenen Türen stellen sich die Teams angespannt und erwartungsvoll das erste Mal dem Publikum. Nur, bei den Tänzern geht es auch dabei sehr geheimnisvoll zu. Die Türen zur Trainingshalle am Kattenberge sind geschlossen. „Das neue Outfit wird noch geheim gehalten“, heißt es.

Ob man denn wenigstens wisse, ob die Buchholzer Damen weiter die Hosen anbehalten? „Wir haben doch gesagt, dass wir dazu noch nichts sagen“, wehrt Cheftrainerin Franziska Becker ab und eilt vorbei. Sie lies ja auch in den letzten Monaten in dem Hallenkomplex nie mit der kompletten neuen Musik trainieren, wenn andere Sportler in der Nachbarschaft waren.

Das ist bei der nationalen Elite des Formationstanzes so Usus. Jeder hält unter der Decke, was er sich an Musik, an Choreographie und bei der Kleidung neu erdacht hat. Und die Blau-Weiß-Tänzer haben diesmal, das ist bei der Generalprobe zu erleben, sehr viel Neues und sehr Mutiges vor der Konkurrenz zu verbergen. „Keine Fotos bitte“, wurden die Zuschauer immer wieder ermahnt.

Schließlich will jedes der acht Bundesligateams in drei Wochen überraschen, wenn in Braunschweig der Deutsche Meister 2018 auf den Thron gehoben wird. Denn dieser Wettstreit, das ist das Besondere im Tanzsport, ist gleichzeitig die Standortbestimmung für die Bundesliga-Saison 2019. Es wird bereits die fünfte für das ehrgeizige Formationsteam aus der Nordheide. Und es soll ihre wichtigste und vielleicht spektakulärste werden.

Cheftrainerin Franziska Becker
Cheftrainerin Franziska Becker © Hans Kall | Hans Kall

Aber lassen wird all die Mühen, neue Musiktitel einzubauen, einmal beiseite. Vergessen wir für einen Moment die ungezählten Trainingsstunden an die Wochenenden, damit die neue Choreographie perfekt ist. Ignorieren wir das zusätzliche athletische Training, das für die Tänzer erforderlich gewesen ist – all den Schweiß, die Erschöpfung und die Freude über geglückte Figuren in der Formation.

Nehmen wir einfach Platz auf den voll besetzten Zuschauerrängen, neben Tom beispielsweise, dem 16-Jährigen, der zum B-Team in der 2. Bundesliga gehört, und bitten: Musik ab für die Generalprobe unter dem neuen Thema „Rhythm – lives in you!“.

Die Tänzer verharren. Der erste Rhythmus klar und hart. Mit Trommelstöcken, die auf einander schlagen. Und dann beginnt es, fast wie ein Feuerwerk tänzerische Ekstase. Sechzehn Körper, pures Temperament, Kraft, Schnelligkeit, sprudelnde Lebensfreude. Man sitzt und schaut und vergisst alles um sich.

Wie die Füße der sechzehn Tänzer über den Hallenboden wirbeln. Das Stakkato der Beine im wilden Rhythmus. Die Pirouetten der Damen, auf einem Bein, mit einer Hand vom Partner gehalten. Schneller, schneller, und noch mehr Tempo. Und wenn die Melodie und der Gesang ruhiger und sanfter werden, schmiegen sich die Paare aneinander, und wehen als Einheit über die Fläche.

Der Musik-Mix aus „Rhythm is a dancer“, aus “Katchi“ und „Rhythm oft he Night“ und als emotionales Highlight, wie die Chefin es einordnet, der Titel „Er lebt in Dir“ aus dem König der Löwen.

Tom, der junge Nachbar mit der Baseball-Kappe – Schirm nach hinten – trommelt mit den Schuhen, bewegt den ganzen Körper, geht mit und lacht und klatscht den Rhythmus. Selbst die Dauergäste, die selbst keine enthusiastischen Tänzer sind, spüren mit jedem neuen Bild, zu dem die acht Paare oft nur für Sekunden zusammen finden: „Das da unten in der nüchternen Sporthalle, das ist ja etwas ganz Anderes. Das ist ja etwas ganz Neues.“

„Wir rücken die Grundlage unseres Sports in den Mittelpunkt unserer Darbietung“, erläutert Franziska Becker in einer Pause dem Publikum über das Mikrofon. „Der Rhythmus lebt in uns allen und ist die Basis für jegliche Art von Tanz und von Musik“. Er ist so etwas wie die Sprache der Tänzer.

Und er durchdringt auch die Zuschauer oben auf der Tribüne und reißt sie mit zu begeistertem Jubel. Und die so fitten und schnellen und so perfektionistischen Tänzerinnen und Tänzer schauen nach oben und ihre Gesichter strahlen. „Der Applaus ist die kräftigste Motivation für uns“, wird die Cheftrainerin ihr Lob auf die Tribüne schicken.

Nach den ersten mitreißenden sechs getanzten Minuten gibt es die neue Kür noch ein zweites Mal. Auf eine Zugabe aber müssen die sichtlich erschöpften jungen Damen und Herren verzichten.

Nach dieser Generalprobe werden die jungen Hochleistungssportler und ihre Trainer mit frischem Enthusiasmus die drei Wochen bis zur Deutschen Meisterschaft noch intensiv nutzen und werden in Braunschweig zum Angriff einmarschieren. Das Ziel ist klar: Der zweite Platz hinter den Abo-Siegern von Grün-Gold aus Bremen. Die ersten beiden Plätze werden mit einer Teilnahme an der Weltmeisterschaft belohnt. Die findet 2019 in Shenzhen statt, zum ersten Mal in China.

Vereinschef Arno Reglitzky und der Vorstand von Blau-Weiß Buchholz haben zugesagt: „Wenn sich unsere Lateinformation für die Weltmeisterschaft qualifiziert, wird der Verein die Reise bezahlen.“ Und nach ihrem ersten Auftritt auf der internationalen Bühne werden die Tänzer auch zu ihrer ersten Deutschen Meisterschaft der Formationstänzer einladen – wegen der größeren Zuschauerkapazität allerdings nach Hamburg.

Die Generalprobe 2018 jedenfalls war schon mal ein wundervoller Abend.

Nordheidehalle

Am 16. Dezember 2018 ist die Nordheidehalle in Buchholz Schauplatz für die Präsentation aller Lateinformationen von Blau-Weiss Buchholz, bei der sie sich jedes Jahr zu Beginn der neuen Saison der Öffentlichkeit vorstellen. Neben der A-Formation in der 1. Bundesliga geht Blau-Weiss mit dem B- und C-Team in der 2. Bundesliga und dem D- und E-Team in der Landesliga an den Start.

Am 2. Februar 2019 gastiert die 1. Bundesliga in der Nordheidehalle. Dann ist Blau-Weiss Gastgeber für das zweite von fünf Bundesligaturnieren. Los geht’s in der
1. Liga am 19. Januar in Solingen.