Jork/Winsen/Lüneburg. Vom Volkslauf zu den deutschen Meisterschaften – 17 Jahre alte Mittelstrecklerin aus Jork startet für die Lüneburger Sportvereinigung.

Locker und leicht sieht ihr Laufstil aus. Locker gibt sich Svea Timm auch außerhalb der Laufbahn. Sie unterhält sich viel, und sie lächelt die ganze Zeit. Kein Wunder angesichts der wundersamen Geschichte, die die junge Frau aus Jork im Alten Land in den vergangenen zweieinhalb Monaten hinter sich gebracht hat. Im Grunde war die 17 Jahre alte Schülerin der Halepaghen-Schule in Buxtehude eine Einzelkämpferin. Sie lief vor allem für sich selbst, startete bei dem einen oder anderen Volkslauf und ließ sich gelegentlich als Mitglied des Fischer-Mohr-Laufteams eintragen. Dann aber kam jener Tag im Frühsommer 2018, der Vieles in ihrer sportlichen Vita in eine andere Richtung lenken sollte.

Es war ein Donnerstag, der 7. Juni, und die Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft (HNT) veranstaltete am Opferberg eines ihrer abendlichen Bahnsportfeste. Svea Timm wollte nur einen weiteren Mittelstreckenlauf absolvieren, einen Verein hatte sie bei der Meldung nicht angegeben. Dann aber fiel die junge Frau einem gewissen Dennis Lauterschlag auf. Der passionierte Läufer ist Trainer bei der Lüneburger Sport-Vereinigung (LSV), hat dort eine erfolgreiche Gruppe um sich geschart und ein Auge für Läufer mit Potenzial.

Erste Kontaktaufnahme beim Abendsprtfest der HNT am 7. Juni

Kurzerhand sprach Lauterschlag Svea Timm an, ob sie nicht Lust hätte, für den Lüneburger Verein zu starten. Sie hatte. Dabei spielte es für sie keine Rolle, dass ihr Lebensmittelpunkt im Alten Land liegt. „Dennis schreibt mir Trainingspläne und die arbeite ich dann auf der Laufbahn in Jork ab“, erzählt die 17-Jährige von fünf bis sechs Trainingseinheiten pro Woche. Ihr Whats-App-Profilbild zeigt eine typische Szene: Svea Timm dreht ihre Runden auf der roten Kunststoffbahn, während im Hintergrund die Fußballer auf dem grünen Rasen trainieren.

Doch mit Training und langfristigem Aufbau gaben sich Trainer und Aktive nicht zufrieden. Schon in der Saison 2018 sollte Svea Timm, die der Altersklasse U18 angehört, zeigen, was in ihr steckt. Auf Antrag der Lüneburger SV stellte ihr der Niedersächsische Leichtathletik-Verband (NLV) innerhalb von zwei Wochen einen Startpass aus. Damit war eine Voraussetzung für die Teilnahme an Meisterschaften geschaffen. Jetzt mussten noch die Normen erfüllt werden. Das gelang bei einem Abendsportfest des Post-SV Buxtehude im Jahnstadion. Svea Timm lief die 3000 Meter auf Anhieb in sehr guten 10:56,1 Minuten und hatte damit die Berechtigung, bei den norddeutschen Leichtathletik-Meisterschaften am 7. und 8. Juli in der Hamburger Jahnkampfbahn zu starten.

Innerhalb von zwei Wochen Startpass vom Niedersächsischen Leichtathletik-Verband

Nach drei weiteren Wochen Training ging es auch zeitmäßig ein gutes Stück nach vorn. Svea Timm steigerte sich um fast 20 Sekunden und belegte in 10:37,37 Minuten den dritten Platz in der U18-Jugend. „Dritte bei den Norddeutschen – unglaublich“, sagt sie rückblickend. Nicht ganz so zufrieden war sie tags darauf mit dem Auftritt über 1500 Meter. 4:56,78 Minuten bedeuteten immer noch den fünften Platz. Fast noch wichtiger als die Platzierungen war die Erkenntnis, dass Svea Timm mit ihrer neuen 3000-Meter-Bestzeit die Qualifikationsnorm für die deutschen Jugendmeisterschaften um 13 Sekunden unterboten hatte.

Die wundersame, sportliche Entwicklung steuerte ihrem Höhepunkt entgegen, als die Reise am letzten Juli-Wochenende nach Rostock ging. „Das war erst mein dritter Lauf, und ich stand bei deutschen Meisterschaften an der Startlinie. Da war viel Druck dabei“, erzählt die Gymnasiastin. Der Druck und die Hitze lähmten ihre Beine jedoch nicht, auch bei der Jugend-DM brachte Timm ihre Leistung. Sie lief die 3000 Meter in 10:39,91 Minuten und belegte den zwölften Platz unter 18 qualifizierten Teilnehmerinnen – unglaublich.

Bronzemedaille über 3000 Meter bei den Norddeutschen in Hamburg

Ursprünglich kommt Svea Timm vom Handball, spielte zehn Jahre lang für den MTV Wisch. Als sich immer mehr ihrer Freundinnen schwere Verletzungen zuzogen, hörte sie vor knapp zwei Jahren aber auf mit dem Handballspielen und widmete sich dem Laufen. „Teilweise habe ich mit den Triathleten aus Buxtehude gemeinsam trainiert. Das passt inhaltlich aber nicht mehr so gut zusammen“, erzählt sie. Svea Timm besucht die zwölfte Klasse der Halepaghen-Schule in Buxtehude und hofft, im Sommer 2019 das Abitur in der Tasche zu haben.

Bei der Laufserie der LG Nordheide in Winsen versuchte sie sich zum ersten Mal an den 5000 Metern. „Ich wollte unter 19 Minuten laufen“, sagte sie hinterher, „und hatte das Glück, dass ich mich an zwei andere Frauen dranhängen konnte. Das war optimal.“ So gelang der aufgeschlossenen jungen Frau aus Jork auch auf dieser Strecke (18:38,75 min.) eine Übererfüllung ihrer Ziele.

Im kommenden Jahr Wechsel in die U20-Jugend – DM-Quali wäre ein Traum

Wahrscheinlich wird sie im Herbst, wenn die Wettkämpfe weniger werden, erst richtig realisieren, was sie in diesem Jahr alles erreicht hat. Ein wenig scheint sie es zu erahnen. „Es war eine unglaubliche Saison. Ich habe viel mehr erreicht als ich gedacht hätte und bin überglücklich“, erzählt sie – wie immer mit einem strahlenden Lächeln. Mit Beginn des Jahres 2019 wird Svea Timm altersbedingt in die Jugendklasse U20 aufsteigen. Dort ist die Konkurrenz stärker, die Qualifikationsnormen sind höher.

„Ich möchte gern verletzungsfrei bleiben. Und ein Traum wäre es, wenn ich mich auch in der U20 für die deutschen Meisterschaften qualifizieren könnte“, sagt Svea Timm bescheiden. So weit weg ist dieses Ziel nicht. Ließe der Deutsche Leichtathletik-Verband die Mindestzeiten unverändert, müsste sich die 3000-Meter-Läuferin innerhalb eines Jahres um sieben Sekunden verbessern – das sollte doch locker zu machen sein.