Winsen. Hindernisläuferin entscheidet sich nach dem Istaf am 2. September. Bei der EM in Berlin verpasste die 27-Jährige ihre Ziele.
War es das für Jana Sussmann? War das das Ende einer sehr beachtlichen Leichtathletik-Karriere, die das Mädchen aus dem Winsener Ortsteil Tönnhausen bis zu Welt- und Europameisterschaften geführt hat? Allein Olympia, der Traum eines jeden Sportlers, blieb der heute 27 Jahre alten Mittelstreckenläuferin verwehrt. 2012 saß sie außer Form als Zuschauerin auf der Tribüne im Olympiastadion in London, 2016 schnappte ihr eine andere Deutsche in letzter Minute den sicher geglaubten Startplatz für die Spiele in Rio de Janeiro weg.
Jetzt in Berlin war sie dabei. Der Start über 3000 Meter Hindernis war für Jana Sussmann der dritte Auftritt in Folge bei Leichtathletik-Europameisterschaften. 2014 in Zürich war sie spektakulär in den Wassergraben gestürzt, auch 2016 in Amsterdam im Vorlauf ausgeschieden. Für die Heim-EM hatte sie sich ein klares Ziel gesetzt. „Ich wollte entweder persönliche Bestzeit laufen oder ins Finale kommen“, erzählt die Hindernisläuferin. Beides hat nicht geklappt.
„Das war ein Erlebnis, von dem ich mein ganzes Leben zehren werde“
In 9:41,18 Minuten belegte sie den neunten Platz im zweiten Vorlauf, in der Gesamtwertung beider Vorläufe den 18. Platz unter insgesamt 33 Läuferinnen. Wahrlich kein schlechtes Ergebnis, handelte es sich doch um Europameisterschaften mit Athleten aus 50 Nationen.
Für die Ziele von Jana Sussmann waren 9:41,18 Minuten aber zu wenig. Sie blieb knapp zwei Sekunden über ihrer persönlichen Bestzeit und hätte eine weitere Sekunde schneller laufen müssen, um als eine von fünf Zeitschnellsten in den Endlauf der besten 15 einzuziehen. Die Letzte, die das schaffte, war die Ungarin Viktoria Gyürkés mit einer Zeit von 9:38,56 Minuten.
„Das war weder Fisch noch Fleisch“, sagte Sussmann selbstkritisch, „ich muss mich natürlich fragen, warum ich über 9:40 Minuten geblieben bin. Ich trainiere wirklich gut. Vielleicht muss ich offensiver laufen, vielleicht muss es noch mehr weh tun.“ Die Aussagen klingen so, als wenn die Frau, die einen Bachelor-Abschluss im Studiengang Medien und Kommunikation in der Tasche hat, Pläne für die weitere Karriere hat.
Nach dem Studium arbeitet sie als freie Journalistin
Andererseits wären gerade die emotional so beeindruckenden Erlebnisse der Europameisterschaften im Heimatland der perfekte Zeitpunkt, um von der internationalen Bühne abzutreten. „Es war cool, in Berlin dabei zu sein“, sagt sie eher nüchtern, um sofort hinzuzufügen: „Das war ein Erlebnis, von dem ich mein ganzes Leben zehren werde.“ Viele kleine Mosaiksteine machten die Titelkämpfe in Berlin zum unvergleichlichen Erlebnis. Allein bei der Vorstellung der Teilnehmerinnen sie ein Orkan durch das Stadion gefegt, als die Kamera Jana Sussmann einfing. Wohlgemerkt um die Mittagsstunde, und nicht bei den besser besuchten Abendsessions.
„Ich gehörte nicht zu den Favoritinnen. Aber als der Stadionsprecher meinen Namen genannt hat, haben die Zuschauer geschrien. Ich hatte kurz Gänsehaut. So etwas erlebt man nur bei einer Heim-Europameisterschaft“, erzählt Jana Sussmann. Und: „Hinterher hab ich mir in der Mediathek meinen Lauf nochmal angeguckt und bilde mir ein, dass viele meinen Namen gerufen hätten.“
Im Ziel traf sei als eine der Ersten ihre ehemalige Trainingskameradin von der LG Nordheide, Dana Meyer. Weitere Wegbegleiter aus Winsen und Hamburg waren im Stadion und feuerten ihre Jana an. Natürlich war die Familie aus Tönnhausen ins Olympiastadion gekommen. Ihre Zwillingsschwester Kim Elisa Sussmann studiert Medizin in Utrecht, die drei Jahre jüngere Schwester Lea arbeitet bei Nike in Hilversum (ebenfalls Niederlande).
Janas Schwester Lea trug das Körbchen mit den Klamotten
Anekdote am Rande: Lea Sussmann war bei den Europameisterschaften zehn Tage lang als eine von hunderten freiwilligen Helfern im Einsatz. Sie hatte sich so einteilen lassen, dass sie das Körbchen mit den Klamotten ihrer sportlich erfolgreichen Schwester tragen durfte. Im Stadion zu sehen war die Begegnung jedoch nicht. Wegen des trockenen Wetters legten die Läuferinnen ihre Trainingsbekleidung in den Katakomben des Olympiastadions ab.
Trotz des Ausscheidens im Hindernisvorlauf blieb Jana Sussmann bis Montag im Athletenhotel unweit des Potsdamer Platzes und des Tiergartens, wo sie ihre lockeren Läufe absolvierte. Am Sonntagabend verfolgte sie live im Stadion den Goldlauf ihrer Disziplinkollegin Gesa-Felicitas Krause („Ich freue mich für Gesa.“) und ließ auch die Abschlussparty in der Eventlocation „Station Berlin“ nahe der U-Bahnstation Gleisdreieck nicht aus.
„Wir Sportler müssen uns das ganze Jahr zusammen reißen. Bei der Party habe ich so lange wie ewig nicht mehr getanzt. Das musste einfach sein, auch wenn ich am nächsten Tag gerädert war“, erzählt die 27-Jährige, die mittlerweile als freie Journalistin arbeitet und beispielsweise Kaufberatertexte für Otto.de schreibt. Da geht es dann schonmal um Insektenhotels oder Schlauchboote.
2017 stellte sie beim Istaf ihre persönliche Bestzeit auf
Und wie geht es weiter mit der Sportlerkarriere? Das weiß Jana Sussmann zum jetzigen Zeitpunkt selbst nicht. Entscheiden will sie sich nach dem Internationalen Stadionfest am Funkturm (Istaf). Am Sonntag, 2. September, kehrt sie ebenso wie die sechs deutschen Europameister auf die blaue Bahn des Olympiastadions zurück. „Der letzte Schrei“, ist der Slogan für den letzten Wettkampf von Diskuslegende Robert Harting. Beim Istaf 2017 stellte Sussmann ihre derzeit gültige persönliche Bestzeit über 3000 Meter Hindernis (9:39,46 min.) auf. „Ob ich weitermache, hängt auch vom Lauf beim Istaf ab“, sagt die Frau, die, egal wie die Entscheidung ausfällt, zugesagt hat für den Wandsbek-Marathon, Köhlbrandbrückenlauf und Silvesterlauf in Trier.
Und vielleicht ist Sussmann bei diesen Starts dann frisch motiviert für mindestens zwei weitere Jahre Spitzensport. 2020 finden die nächsten Europameisterschaften in Paris und Olympische Spiele in Tokio statt. Und mit Olympia hat Jana Sussmann bekanntlich noch eine Rechnung offen.