Sahrendorf. Internationale Vielseitigkeitsturniere in Sahrendorf sind auch ein Zusammentreffen von jungen Talenten mit Weltklassesportlern.
Eigentlich ist Sahrendorf nur ein Anhängsel der Gemeinde Egestorf. Für Außenstehende mag es deshalb etwas verwegen klingen, wenn der ortsansässige Reit- und Fahrverein Auetal von 1958 sich damit schmückt, dass sein fünf Hektar großer Geländepark im Herzen der Lüneburger Heide „einmalig in Europa sei“.
Die Gäste beim traditionsreichen Vielseitigkeitsturnier wissen es besser. Ein Blick auf die Nummernschilder der Pferdetransporter bewies auch dieses Mal: Aus Polen waren wieder Vielseitigkeitssportler angereist, aus Schweden und Dänemark sowieso. Insgesamt Teilnehmer aus acht Nationen. Die 185 Meldungen unterstrichen einmal mehr, wie beliebt das dreitägige Vielseitigkeitsturnier in Sahrendorf ist.
Es begann mit einer Geländeprüfung der Klasse L, also vor allem für Lehrlinge. Das gilt gleichermaßen für Nachwuchsreiter im oder auch Nachwuchspferde unter dem Sattel. Am zweiten Tag folgte die internationale CIC-Prüfung mit einem Stern und am dritten Tag die schwierigere CIC mit zwei Sternen. Im Reitsport und ganz besonders im Dreikampf aus Dressur, Geländeritt und Springen gibt es die Besonderheit, die es in dieser Form kaum in einer anderen Sportart gibt, dass sich junge Talente mit Weltmeistern und Olympiasiegern messen dürfen, oder muss man sagen, messen müssen.
Andreas Dibowski grübelt über seinen zweiten Platz
Die Tage in der Lüneburger Heide klangen mit dem Geländeritt in der CIC Zwei-Sterne-Prüfung aus. Als die Ergebnisliste am Clubhaus angeheftet war, gehörte Andreas Dibowski zu denen, die sie am längsten studierten. Was ein Olympiasieger dabei so sorgfältig kontrolliert? „Die Frage, warum ich nicht gewonnen habe“, kommt kurz die Antwort. „Und wo ich Fehler gemacht habe und was ich beim nächsten Mal besser machen muss“. Dibowski war übrigens mit MaMa’s Magic Way Zweiter geworden hinter der Siegerin Malin Hansen-Hotopp (Trebel) mit Monsieur Schnabel.
Die kleine Szene macht deutlich, dass auch Weltklassesportler diese Turniere, bei denen sie Nachwuchspferde aufbauen wollen, sehr wichtig nehmen.
Und wie ist das Aufeinandertreffen mit den Großen ihrer Zunft für ehrgeizige junge Reiterinnen und Reiter? „Natürlich ist man aufgeregt und angespannt“, erinnert sich Carolin Thenhausen, die als vorletzte Starterin auf die 3100 Meter lange Geländestrecke mit den 20 Hindernissen galoppierte. „Bettina Hoy war damals in meiner Abteilung und ich glaube auch Andreas Dibowski.
Den größten Eindruck aber hat hinterlassen, wie freundlich und selbstverständlich sie mit einem aufgeregten Neuling wie mir umgegangen sind. Sie geben dir Tipps, helfen, wenn nötig, da gibt es keine Abgehobenheit oder Abgrenzung. Dieses freundlich lockere Miteinander, das ist das Wunderbare in der Vielseitigkeit.“
Drei Jahre gehörte Carolin Thenhausen zur Sportfördergruppe in Warendorf
Obwohl Carolin Thenhausen aus Kirchgellersen kommt und bei Kalli Overbeck auf dem Overbeckhof in Luhmühlen das Reiten lernt, war sie jetzt, mit 26 Jahren, das erste Mal in Sahrendorf am Start. Dabei hat sie ihre ganz besondere Geschichte in der Vielseitigkeit. Als Juniorin unterstrich sie ihr großes Talent mit dem Sieg bei der deutschen Meisterschaft. Als sie schon Betriebswirtschaftslehre studierte, wurden ihren Turniererfolge in Warendorf anerkannt. Sie folgte dem Lockruf und rückte in die dort ansässige Sportförderkompanie ein.
Von der Bundeswehr entlohnt, konnte sich Carolin Thenhausen ganz der Karriere als Vielseitigkeitsreiterin widmen. „Mit Julia Krajewski und Christopher Wahler, die beiden haben in Warendorf zueinander gefunden, bin ich eng befreundet“, erzählt Carolin Thenhausen. „Aber ich habe nach knapp drei Jahren gespürt, dass ich doch lieber studieren will. Das ist schon ein sehr harter Weg, den du im internationalen Spitzensport gehen musst.“
Ausgebildet wurde die 26-Jährige auf dem Overbeckhof in Luhmühlen
Als Studentin in Hannover wiederum hat die junge Frau aus Kirchgellersen das andere Extrem erfahren. „Mir hat die Arbeit mit meinem Henry, einem eigenwilligen, aber sehr zuverlässigen und ehrgeizigen Trakehner, unheimlich gefehlt. Und auch die Aufregung und Anspannung bei einem Turnierwochenende wie hier in Sahrendorf“, erzählt sie rückblickend.
Wenig später brachte Carolin Thenhausen ihren Henry – so nennt sie ihren tierischen Partner, der eigentlich Iisidor heißt – in den Anhänger und fuhr mit ihm nach Bielefeld, wo sie in den kommenden Wochen ein Praktikum macht. „Auch zum Studium nach Hannover nehme ich Henry wieder mit.“ Die Vielseitigkeit lässt Carolin Thenhausen nicht los, auch wenn sie die ganz große Karriere aus ihren Träumen gestrichen hat.
Doppel-Olympiasieger Peter Thomsen, seit 1983 Dauergast „bei diesem wunderschönen Turnier in Sahrendorf“, bereitet sich schon auf Tokio in zwei Jahren vor. Mit Sir Boggles, einem seiner Kandidaten für Olympia, belegte er den 13. und mit Charisma den 23. Platz.