Sieversen. Vater und Sohn wurden jeweils niedersächsischer Landesmeister, und auch die Frauen sind im Sattel sehr erfolgreich.
Man kennt sich. Man hilft sich. Man vertraut einander. Sie pflegen eine tolle Gemeinschaft, diese Reitsportler, vor allem bei den ländlichen Turnieren. In kaum einem anderen Sport ist deshalb auch so oft zu hören: „Bei uns ist das wie bei einer großen Familie.“ Häufig ist das sogar wörtlich zu nehmen. Auch, wenn sich alle Jahre wieder Niedersachsens beste Springreiter in Verden versammeln, um in einem harten, dreitägigen Wettkampf ihre neuen Landesmeister zu ermitteln.
Und wenn wir hier die Familien-Geschichte von zwei überlegenen Sieger erzählen – die von Tommy Matthies, dem großen Nachwuchstalent aus Nenndorf und von Steffen Engfer, dem beliebten Chef vom Hof Immenkuhl in Rosengarten, dürfen wir wie im Märchen beginnen: „Es waren einmal zwei Freunde!“
Damals, vor mehr als 40 Jahren, wurden viele Jungen auf dem Land noch mit Pferden groß. Auch Friedo Matthies, der Vater des niedersächsischen Juniorenmeisters Tommy Matthies und Christian Engfer, der früh verstorbene Vater des neuen Landesmeisters Steffen Engfer. Wobei der kleine Friedo noch auf Hans, dem mächtigen Ackergaul seines Großvaters erste Tricks gelernt hatte, um den Dicken auf Trapp zu bringen. Die Engfers in Vahrendorf züchtete bereits Sportpferde und der junge Christian wählte die Reiterei schon als Beruf.
„Wir waren 15 oder 16, als wir uns auf kleinen Turnieren kennen lernten und enge Freunde wurden“, blickt Frido Matthies als Rentner auf die Jugendfreundschaft zurück. „Unvergessen die Landesmeisterschaft 1987, die noch in Hannover ausgerichtet wurden. Christian, der den Titel bereits zweimal gewonnen hatte, war ständig an meiner Seite, hat beim Warmspringen Hindernisse für mich aufgebaut, letzte Tipps gegeben.
Dann im Finale das Stechen. Null-Fehler und auch ich war Landesmeister. Wenn ich heute Steffen, seinen Sohn erlebe, wie er so elegant, so leicht und so harmonisch mit seinem Pferd über die Hindernisse fliegt, ist mir oft, als wenn Christian wieder im Sattel sitzen würde“.
Christian Engfer, der verstorbene Freund, wurde auch noch ein drittes Mal Niedersachsens bester Springreiter. Ein Bild davon erinnert im Eingang vom Hof Immenkuhl daran. Über viele Jahre blieb es für Sohn Steffen – er war 14 als der Vater starb – ein unerfüllter Wunsch, dem Vater nachzueifern. Vor zwei Jahren gab es dann den ersehnten Triumph.
Mit Dapardie, dem Star unter den 80 Pferden auf dem Hof mit Pensionsstall, wurde Steffen Engfer endlich Landesmeister. Als die beiden jetzt in Verden erneut 46 Konkurrenten hinter sich ließen, gewannen sie die ein-Sterne-S-Prüfung und auch die beiden schwereren Zwei-Sterne-Prüfungen.
Übrigens, Reiten als Familiensport – das gilt für die Engfers inzwischen doppelt. Steffens Ehefrau Theresa, bereits dreifache Landesmeisterin, wurde diesmal mit ihrem Sir Heinrich Dritte. Wenn die Eltern reiten, schaut Emily, die fast dreijährige Tochter, an der Hand der Oma zu. Gundi Steffen verfolgt stets voller Spannung die Sprünge ihres Sohnes, da ist dann natürlich auch die Erinnerung an seinen Vater.
Fragt man Steffen Engfer, was er als Wichtigstes vom Vater mitbekommen habe, schweigt er lange und sagt dann: „Alles. Vor allem hat er mich gelehrt, in die Pferde rein zu hören, ihren Charakter, ihre Stimmungen zu akzeptieren. Er hatte ein sehr feines Gefühl für die Tiere“. Und alle, die Christian Engfer kannten und seit Jahren den Sohn im Parcours bestaunen, sagen gerne: „Genau wie der Vater“.
Bei Friedo Matthies und seinem Tommy ist das etwas anders. Und das freut den Senior. „Tommy ist nicht so groß und so kräftig wie ich. Er ist wendiger und reitet leichter. Bei ihm sieht das freundlicher aus und eleganter.“
Mehr die Mama also. Die Familie züchtet in Nenndorf Pferde und bildet sie aus. So hat Tanja Matthies auch Spirit ausgebildet, mit dem der 16-jährige Sohn so erfolgreich Titel sammelt. „Spirit ist sehr selbstbewusst aber auch frech und verspielt“.
Es klingt liebevoll, wenn der neue Landesmeister der Junioren vom Reit- und Fahrverein Estetal seinen vierbeinigen Partner beschreibt. „Im Parcours ist er sehr ehrgeizig und will alles richtig machen“. Den einzigen Fehler an den drei Turniertagen in Verden nimmt Tommy Matthies denn auch auf seine Kappe. „Ich hatte mit dem Stiefel die Stange gerissen. Im Stechen haben wir doch noch das Finale und damit den Titel gewonnen.“
Auch wenn viele Experten dem Jungen eine große Zukunft im Springsport voraussagen und auch wenn er schon, meist in Zusammenarbeit mit der Mutter, mehr als 20 Stunden wöchentlich trainiert, erst macht er eine Ausbildung als Zimmermann. Der junge Tommy Matthies wie auch der mehr als doppelt so alte Steffen Engfer – die Söhne der Jugendfreunde Frido und Christian bleiben fest dem Acker verwurzelt – wie ihre Familien seit hundert Jahren.