Harburg. Lokalmatadorin Annett Weiland und ihre Schimmelstute werden Siebte beim Sommerturnier des Harburger Reitvereins.
Nach all den großen Sprüngen ruhig in Reih und Glied zu stehen und für die freundlichen Worte bei der Siegerehrung die Ohren zu spitzen, das mögen manche der vierbeinigen Partner überhaupt nicht. Julia Diercks hat mit Cassy da ihre Mühe. Das Pferd tänzelt ungeduldig auf den Hinterbeinen, wiehert energisch und sorgt für Unruhe. Dann hören die Tiere die Marschmusik. Und schon galoppieren sie los. Sie lieben diese Siegerrunde, mehr noch als ihre Reiter.
Es ist der Ausklang des letzten Ein-Sterne-M-Springens beim Sommerturnier des Harburger Reitvereins oben in den Harburger Bergen an der Landesgrenze zu Niedersachsen. Wir stehen auf dem Richterturm. Unter uns der Springparcours mit farbenfrohen Hindernissen auf grünem Rasen. Das Viereck wird umrahmt von Getränke-, Kuchen- und Waffelständen. Die zwei Turniertage bei Harburgs traditionsreichem Reitverein sind ein bisschen Dorffest und auch Familientreffen der Liebhaber des Reitsports.
Unten, an der Spitze der Ehrenrunde, winkt Sven Naumann den Applaudierenden zu. Der Mann vom RV Rehagen-Hamburg hat mit Wondergirl das M-Springen in der ersten Abteilung gewonnen. Ohne Abwurf natürlich und in der schnellsten Zeit von 51,70 Sekunden. Auch Julia Diercks (RFV Estetal) blieb mit ihrem Cassy fehlerfrei und siegte in 52,65 Sekunden in der zweiten Abteilung.
Mit einer schwarzen Null wäre der Turnierveranstalter zufrieden
Zu den 40 Teilnehmern gehörten auch Neulinge mit jede Menge Mut, die bei den 13 Sprüngen kräftig abräumten. Als Annett Weiland mit Gänseblümchen, der Schimmelstute, durch die elektronische Zeitmessung preschte, rief ihr vom Richterturm Michael Gravanis zu: „Super Annett!“ Purer Lokalpatriotismus, wie er lachend eingestand. Weiland startet zwar für Reit- und Fahrsport Sieversen, hat aber als Trainerin und Ausbilderin von talentierten Nachwuchspferden ihren beruflichen Mittelpunkt beim Harburger Reitverein.
Ihr Gänseblümchen, die sechsjährige Stute, ist übrigens Amerikanerin. Genauer gesagt im Besitz einer gut betuchten Pferdeliebhaberin in den USA, bei der Annett Weiland beschäftigt war. „Ich hatte auch ein Angebot aus China“, erzählt die Berufsreiterin vom weltweiten Boom des Reitsports. „Wir in Deutschland haben noch einen Vorsprung, was den sensiblen Umgang mit den Tieren betrifft. Wenn Sie so wollen, haben wir mehr Erfahrung und mehr Wissen um die Seele der Pferde.“
Am 18. August gibt es ein Anfängerturnier für Vielseitigkeitsreiter
Ihr Gänseblümchen, betont sie, „ist sehr ehrgeizig und willensstark. Nach jedem Sprung schaut sie schon, wo das nächste Hindernis ist. Wo müssen wir jetzt rüber? Als wir heute gleich zu Beginn einen kleinen Fehler gemacht haben, war sie danach besonders aufmerksam und konzentriert. Das sollte nicht nochmal passieren. Im nächsten Jahr, so hoffe ich, werden wir beide hier im S-Springen starten.“ Beim M-Springen belegte das Duo mit vier Fehlerpunkten den siebten Platz unter den 40 Teilnehmern.
Für eine Sportgemeinschaft mit knapp 300 Mitgliedern ist ein solches Turnier ein hartes Stück Arbeit, die schon Wochen und Monate vorher beginnt. Der Rasen auf dem Turnierplatz muss gelocht, gesandet und bewässert werden. Dazu kommt die Pflege des Dressur-Vierecks in der Halle. „Alles wird ehrenamtlich erledigt“, bekräftigt André Linde, im Vorstand für die Anlage und Finanzen verantwortlich. „Ohne unsere Sponsoren könnten wir so eine Veranstaltung nicht mehr wagen“, sagt der Vorsitzende Michael Gravanis. Ob bei all der Arbeit etwas für die Vereinskasse übrig bleibt? „Wenn wir wieder kostendeckend abschließen können, sind wir zufrieden“, sagt André Linde lächelnd. „Aber es geht ja um unseren Sport und um den Nachwuchs, dem wir Möglichkeiten dafür bieten müssen“, ergänzt der Vorsitzende.
Hufschmied Frank Martin aus Wörme gewinnt das S-Springen
So starteten beim ersten A-Springen um acht Uhr morgens bereits 34 Nachwuchsreiter. Siegerin wurde Annika Goldmeier (Estetal) mit Caporeira. Der Harburger Reitverein hat zehn Schulpferde im Einsatz. Mädchen wie die 14 Jahre alte Lily Hachmann, die mit einem eigenen Pferd oder einer Reitbeteiligung dabei sind, sind das Herzstück jedes Reitvereins. Vor einem Jahr hat sich Lily, die das Heisenberg-Gymnasium in Harburg besucht, in Lord Pepe verguckt. „Er hat so ein liebes Gesicht“, erzählt die selbstbewusste junge Dame. „Sein kleiner Kopf und dann der weiße Stern auf der Nase. Pepe ist verschmust und immer gut gelaunt, na ja, sagen wir fast immer.“ Wenn er mal ängstlich reagiert oder gar bockt, kann Lily richtig energisch werden. Die beiden konnten sich bei zwei Stilspringen der Klasse A sowohl in der Ein-Sterne- als auch der schwierigeren Zwei-Sterne-Prüfung platzieren.
Das Sommerturnier 2018 des Harburger Reitvereins klang traditionell mit einem S-Springen aus – und einem packenden Stechen. Der Hufschmied war der Schnellste. Frank Martin (RV Wörme) war mit Cedrik um 45 Hundertstel schneller als Meik Martens mit Cassirrado. Dritter wurde Istvan Szakoyi (Estetal). Ebenfalls für den RFV Estetal startet Ina Gehlken, die mit Hillary die wertvollste S-Dressur gewann.
Am Sonnabend, 18. August, wird der Harburger Reitverein erstmals wieder ein Anfängerturnier in der Vielseitigkeit ausrichten – und damit an große Zeiten anknüpfen.