Ashausen. Der 15 Jahre alte Rollstuhl-Schnellfahrer aus Ashausen fliegt am Sonnabend mit dem Team Deutschland nach Irland.
„Vor ein paar Tagen ist ein großes Paket mit Klamotten angekommen. Ich hab’s sofort ausgepackt. Das war schon aufregend“, erzählt Jannes Günther. Langsam, aber sicher stellt sich bei dem 15 Jahre alten Jungen aus Ashausen die Erkenntnis ein, dass sein großes Traum in Erfüllung gehen wird. Er ist vom Deutschen Rollstuhl-Sportverband (DRS) für die Junioren-Weltmeisterschaften 2018 nominiert worden. „Jannes freut sich riesig und wir sind mächtig stolz. Damit hat er sein größtes Ziel für dieses Jahr erreicht. Mehr geht gerade nicht“, berichtet Manja Günther.
An diesem Freitag fahren Mutter und Sohn mit dem Zug nach Frankfurt am Main. Nach einer Übernachtung starten 15 deutschen Sportler und das Trainerteam mit dem Flugzeug nach Dublin in Irland. Eine Autostunde entfernt, in der Kleinstadt Athlone, werden von Dienstag bis Donnerstag, 3. bis 5. Juli, die WM-Titel in der Para-Leichtathletik vergeben.
Jannes Günther startet in der Schadensklasse T54. „Das sind die Teilnehmer mit den geringsten Einschränkungen“, erklärt er. Eventuell werden die Wettkämpfen mit der Klasse T53 zusammen gefasst. Wegen der größeren Einschränkungen erhalten die T53-Athleten Zeitbonifikationen. Jannes hat ein enormes Programm zu bewältigen. An den drei Tagen sind Starts über 100 Meter, 200 Meter, 400 Meter, 800 Meter und 1500 Meter geplant.
Starts auf fünf verschiedenen Strecken bei der Junioren-WM
Wie seine Chancen stehen, weiß Jannes Günther nicht so recht einzuschätzen. Eine Weltrangliste im herkömmlichen Sinne gibt es nicht, nur die Vergleiche mit Athleten aus anderen Ländern. „Ich bin etwas langsamer als ein Rollifahrer aus der Schweiz und ungefähr genauso schnell wie ein Portugiese“, sagt er, „und in Dubai gibt es niemanden, der an meine Zeiten herankommt.“ Die Qualifikation für die Junioren-Weltmeisterschaften war das große Saisonziel.
Die Normerfüllung in einer Disziplin genügt, um letztlich in fünf antreten zu können. Auf der Jagd nach der Norm fuhren Jannes und Manja Günther in den letzten Wochen quer durch die Republik, der Filius startete unter anderem in Kassel und Salzgitter. Mit 31,13 Sekunden über 200 Meter hat der Schüler der IGS Winsen-Roydorf, der gerade die achte Klasse beendet hat, die vom nationalen Verband geforderte Norm schließlich erfüllt. Mit der 100-Meter-Bestzeit von 17,32 Sekunden verpasst er sie knapp.
Erfahrungen auf der ganz großen Sportbühne hat der Leistungssportler aus dem Steller Ortsteil Ashausen schon kräftig gesammelt. Im August vergangenen Jahres stand er beispielsweise bei einem Einlagerennen im Rahmen des Internationalen Stadionfestes am Funkturm (Istaf) an der Startlinie. Mehr als 40.000 Zuschauer jubelten ihm bei seinem 100-Meter-Sieg im Berliner Olympiastadion zu. Auch beim Istaf Indoor, der Hallenvariante im Januar, gewann Jannes Günther das Einlagerennen der Rollstuhl-Schnellfahrer. Diesmal waren „nur“ etwa 10.000 Zuschauer Zeuge.
Als Rollstuhl-Basketballer wechselt Jannes zur BG Baskets Hamburg
Neben dem Schnellfahren ist Jannes Günther auch im Rollstuhl-Basketball aktiv. Zuletzt trainierte er zweimal pro Woche und bestritt Punktspiele für Blau-Weiss Buchholz. Zur neuen Saison wechselt er zur BG Baskets Hamburg, deren erste Mannschaft in der Bundesliga spielt. „Ich spiele in der untersten Liga“, stellt Jannes klar. Seine größten Erfolge feiert der Schüler als Schnellfahrer. 2015 nahm er erstmals an deutschen Meisterschaften teil, seit 2016 ist er Mitglied im Niedersachsenkader und im vergangenen Jahr belegte er in vier Disziplinen jeweils den zweiten Platz bei den internationalen Meisterschaften der Schweiz. Das Kalenderjahr 2018 begann er mit einem dreifachen Triumph bei den deutschen Hallenmeisterschaften der Junioren.
Diese Erfolge bescherten Jannes Günther die Aufnahme in das Nachwuchsförderprogramm „Go for Tokyo“ des Deutschen Rollstuhl-Sportverbandes. Die Teilnahme an den nächsten Paralympics in der japanischen Hauptstadt Tokio kommt vielleicht noch etwas früh, denn 2020 wird Jannes gerade einmal 17 Jahre alt sein. Doch die aktuelle Junioren-WM in Irland ist eine gute Gelegenheit, auf der großen internationalen Bühne auf sich aufmerksam zu machen.
Nach der WM geht es direkt weiter zu den deutschen Meisterschaften
Nach der Rückkehr aus Irland geht es übrigens nicht zurück ins beschauliche Ashausen. Vielmehr muss Jannes Günther schnell Kräfte sammeln und am besten die Euphorie eines guten WM-Ergebnisses mitnehmen nach Kienbaum. In der zentralen Trainingsstätte des Deutschen Olympischen und Paralympischen Sportbundes nahe Berlin werden nämlich am Sonnabend und Sonntag, 7. und 8. Juli, die deutschen Freiluft-Meisterschaften in der Para-Leichtathletik ausgetragen. Als dreifacher deutscher Hallenmeister der Altersklasse U17 hat der 15-Jährige auch unter freiem Himmel gute Titelchancen. Und bestimmt wird er sein Trikot und seine Trainingsbekleidung mit dem Deutschland-Schriftzug dort besonders stolz präsentieren.