Luhmühlen. Perfekter Geländeritt mit Butt’s Avondale. Andreas Dibowski wird bei deutscher Meisterschaft in Luhmühlen Fünfter und Neunter.
Luhmühlen 2018 – das große internationale Vielseitigkeitsturnier wird in Erinnerung bleiben. Vor allem wegen des Sturzes der jungen Belgierin Chloe Raty und dem Tod ihres Wallachs Axel Z. All jenen aber, die jetzt wieder diesen reiterlichen Dreikampf mit der Dressur, der Geländeprüfung als Herzstück in der Mitte und der dramatischen Entscheidung beim Springen, kritisieren, wollen wir die folgende Szene nicht vorenthalten.
Der Geländeritt in der Meßmer-Trophy, der Drei-Sterne-Prüfung mit dem Kampf um den deutschen Meistertitel. „Anna Siemer und Butt’s Avondale im Zielbogen“, schallt es aus den Lautsprechern über das Turniergelände. „Über das erste, über das zweite Holzpferd. Der letzte, der 23. Sprung über das Hindernis Luhmühlen 2018“. Sie legt sich weit nach vorne. Die Stute versteht, gibt noch einmal alles auf den letzten Metern. Dann übertönt der Jubelschrei der Reiterin die Durchsage. Anna Siemer streckt die Faust in den Himmel, tätschelt ihrem Partner immer wieder den Hals. Vor ihr wartet schon ihr Mann mit dem Sohn, die Mutter hat die kleine Tochter im Arm. Und lachend eilt auch Bundestrainer Hans Melzer auf Siemer zu.
Als die Helferin dem schnaubenden und dampfenden Pferd schon Sattel und Zaumzeug abgenommen hat, umfasst Anna Siemer den Hals ihrer Stute und flüstert ihr ins Ohr: „Fein gemacht, mein Mädchen. Danke, mein Mädchen!“ Nur ein kurzer Moment im großen Trubel der Turniertage. Aber er könnte kaum besser demonstrieren, wie eng gerade in der Vielseitigkeitsreiterei das Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd sein kann. Genauer gesagt sein muss.
Deutsche Meisterin wird Julia Krajewski vor Ingrid Klimke und Bettina Hoy
Nach den ersten Küssen und Umarmungen, als Anna Siemer wieder tief durchatmen kann, legt sie noch einmal los: „Dieser Geländeritt war so toll, so großartig. Ich habe den Sattel nicht mehr gespürt. Es war, als wenn nichts mehr zwischen uns wäre. Avondale und ich, wir waren eine Einheit. Dieser Ritt, das war Glück pur. Ich fange gleich wieder an zu weinen.“ Sie schnieft, dreht sich kurz weg, lächelt und will scheinbar alle überzeugen, die in der Vielseitigkeit und besonders in der Geländeprüfung einen verantwortungslosen Umgang mit den Pferden kritisieren.
„Avondale ist eine zierliche Stute, ich bin eine zierliche Reiterin. Mit Gewalt könnte ich überhaupt nichts erreichen. Aber so ein toller Ritt, davon zehren wir auch noch im Winter, wenn wir in der eisigen Halle arbeiten müssen“, sagt die 35 Jahre alte, zweifache Mutter.
Im Gelände blieben die beiden etwa 20 Sekunden über der Richtzeit. Nur die neue deutsche Meisterin Julia Krajewski, die im vergangenen Jahr mit ihrem Samourai du Thot die Vier-Sterne-Prüfung gewonnen hatte, Vizemeisterin Ingrid Klimke mit ihrem Erfolgspferd Hale Bob, und der Schwede Niklas Lindbäck unterboten auf dem 3800 Meter langen Geländekurs die Richtzeit. Beim abschließenden Springen erlaubten sich Anna Siemer und ihr „kleines Mädchen“ zwei Abwürfe und wurden Zwölfte in der Meisterschaftswertung.
„Professor“ nennt Andreas Dibowski seinen Butts Avedon, natürlich ein naher Verwandter von Siemers Stute. Aber auch der abgeklärte und schlaue Routinier leistete sich einen Abwurf im Springparcours. Sie wurden Fünfte der DM-Wertung und wahrten ihre Chance auf den Start bei den Weltmeisterschaften im September in den USA.
Dibowskis zweites Pferd, It’s Me, der Sensationssieger in der Vier-Sterne-Prüfung vor zwei Jahren hatte wegen Hufproblemen neun Monate pausieren müssen. Und war bei seinem ersten Start schon wieder so voller Angriffslust, dass „Dibo“ mit ihm im Springen fehlerlos blieb und im Gelände nur 6,8 Strafpunkte wegen 17 Sekunden Zeitüberschreitung kassierte. Platz neun gab es für die beiden in der deutschen Meisterschaft.
Jonelle Price und Faerie Dianimo gewinnen Vier-Sterne-Prüfung
Seinem FRH Llanero dagegen traute Dibowski zum ersten Mal die großen Herausforderungen einer Vier-Sterne-Prüfung zu. „Für seinen ersten Fehler im Gelände übernehme ich die volle Schuld“, sagte Andreas Dibowski. Im Springparcours kamen zwei Abwürfe dazu und damit stand Rang 25 in der Endabrechnung zu Buche. Und doch hat er zu dem Pferd, mit dem er vor vier Jahren in Frankreich einen gefährlichen Sturz überstand, wieder volles Vertrauen. „Mit Llanero kann ich noch alles erreichen.“
Faerie Dianimo übrigens, die wir in unserer am Freitag erschienenen Reportage aus den Zeltstallungen als selbstbewusste Prinzessin vorgestellt hatten, gewann in Luhmühlen die Vier-Sterne-Prüfung. Ihre Reiterin Jonelle Price aus Neuseeland hatte in diesem Jahr auch schon die vier Sterne in Badminton gewonnen. Dafür kassierte sie etwas mehr als 100.000 Euro, in Luhmühlen war es ein Drittel dieser Summe.