Luhmühlen. Ohne Pferdepflegerinnen in der abgeschirmten Zeltstadt läuft bei der Vielseitigkeit an diesem Wochenende in Luhmühlen nichts.


„Ob Prinzessin als Kosename für ein Pferd nicht etwas zu kitschig sei?“ Lucy Miles, das zierliche Energiebündel aus Neuseeland, zeigt ihr fröhliches Lächeln und lässt keinen Zweifel aufkommen: „Dann müssen Sie einmal zusehen, wie selbstbewusst sie herumtänzelt, wenn wir Sie für ihre Turnierauftritte schön machen. Wenn sie dann die vielen Menschen sieht, spürt man, wie sie Haltung annimmt, den Kopf hebt und sich präsentiert. Sie ist die Schönste, eben ganz Prinzessin.“

Die Schimmelstute Faerie Dianimo wird auf jeden Fall im Mittelpunkt stehen beim internationalen Vielseitigkeitsturnier bis einschließlich Sonntag in Luhmühlen. Dafür sorgt allein schon ihre Reiterin. Jonelle Price aus Neuseeland zählt seit Jahren zu den Großen des reiterlichen Dreikampfs. Jonelle Price hat Anfang Mai das Vier-Sterne-Turnier in Badminton, eine Art Champions League der Vielseitigkeit, mit Classic Moet gewonnen. Vor drei Jahren war sie in der Lüneburger Heide Zweite hinter Ingrid Klimke geworden. Ein Jahr zuvor hatten mehr als 20.000 Zuschauer ihrem Ehemann Tim Price als Sieger zugejubelt. „Er muss Zuhause in England auf die Tochter aufpassen“, erzählt Lucy Miles, die Pferdepflegerin des Erfolgspaares und damit ebenfalls Dauergast in Luhmühlen.

Freundschaftlich geprägt ist der Umgang mit den Pferden

Wir befinden uns in den Zeltstallungen für die 130 Pferde, die in der Vier- und Drei-Sterne-Prüfung an den Start gehen. Es ist vor allem das Reich der vielen Mädchen und Frauen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass die vierbeinigen Hochleistungssportler bestens betreut, gepflegt und umsorgt werden. Seit Montag hat ein Sicherheitsdienst hier Position bezogen. Er sorgt Tag und Nacht dafür, dass sich kein Unbefugter Zugang zu den Pferden verschafft. „Zum gesamten Stallbereich haben nur die Pferdepfleger, die Reiter und die Besitzer Zugang“, erläutert Claus Erhorn, Luhmühlens erster Olympiasieger (1988), der seit Jahren für den abgeschotteten Stallbereich verantwortlich ist. „Alle Teilnehmer müssen ihre Pferde hier unterbringen.“

Lucy Miles und ihre Chefin Jonelle Price haben sich in den 15 Stunden am Lenkrad des Trucks abgewechselt, die ihre Anreise aus England gedauert hat. „Ich musste dagegen nur zweimal um die Ecke reiten“, sagt Anna Siemer, die mit ihrem zarten, aber sehr willensstarken Mädchen, wie sie ihre Butts Avondale gern vorstellt, im Ausbildungszentrum Luhmühlen Zuhause ist.

Stallungen werden streng bewacht, um ungebetene Gäste fernzuhalten

„Die Einstellpflicht im Zelttrakt gilt international schon ab Zwei-Sterne-Prüfungen“, erläutert Claus Erhorn. „Alle Pferde sollen die gleichen Bedingungen haben“. So einfach und klar ist die offizielle Begründung. Es soll nämlich schon vorgekommen sein, das ein Reiter, der in der Dressur nicht so sicher war, heimlich einen Freund die Aufgabe besser lösen ließ.

Dass diesmal auch in Luhmühlen die Sicherheitsmaßnahmen vielleicht noch etwa sensibler angewendet werden, dafür sorgte auch ein Skandal bei den Europameisterschaften 2017 in Polen. Beim Pferd von Julia Krajewski, die vor Jahresfrist die Vier-Sterne-Prüfung in Luhmühlen gewonnen hatte, war eine Dopingprobe positiv. Es ist bis heute nicht geklärt, wie oder von wem die verbotene Medikation in den Körper des Pferdes gelangen konnte.

Warum das Pferd von Julia Krajewski positiv getestet wurde, ist nicht geklärt

„Wenn es wirklich so weit kommen würde, dass ein erboster Konkurrent einem das Pferd dopt, würde ich unseren Sport aufgeben“, ereifert sich Anna Siemer. „Aber in der Vielseitigkeit halten wir besonders eng zusammen. Wir kämpfen nicht gegeneinander, wir kämpfen gegen die Hindernisse und mit dem Gelände. Die Tage und Abende hier im Stallbereich sind Stunden unter Freunden.“

Freundschaftlich geprägt ist auch der Umgang mit den großen, starken Partnern, an denen die Herzen der Reiter und vielleicht noch mehr die der Pflegerinnen hängen. „Wenn ich daran denke, wie eigenwillig und angespannt und nervös unser Ave war, als er 2008 das Bundeschampionat gewann“, sagt Wiebke Nicolaysen, und legt Butts Avedon das Zaumzeug an. „Und was für ein routinierter und cooler Profi er inzwischen ist.“ Andreas Dibowski wird immer etwas skeptisch, wenn die Frauen zu viel Menschliches in die Pferde interpretieren. Aber er weiß natürlich: „Die Pferde spüren genau, ob eine Pflegerin das Notwendige routiniert abwickelt oder ob sie mit Liebe und dem Herzen dabei ist.“

Wiebke Nicolaysen ist seit vielen Jahren für Andreas Dibowski tätig

Bei Wiebke Nicolaysen muss man nicht fragen, warum die selbstständige medizinische Fußpflegerin seit elf Jahren „Dibo“ und seine Pferde zu großen Turnieren begleitet. Sorgfältig und geradezu zärtlich bürstet sie inzwischen den Kopf von FRH Llanero, neben It’s Me das dritte Pferd, mit dem der Lokalmatador aus Döhle in diesem Jahr dabei ist. „Der Kopf muss strahlen “, sagt die Pflegerin. Dem empfindsamen Llanero trauen Andreas Dibowski und Besitzerin Susanne Heigel in diesen Tagen von Luhmühlen die erste Vier-Sterne-Herausforderung zu.

Mit It’s Me, dem Überraschungssieger vor zwei Jahren, ist derweil Nathalie Breuer ins Gelände geritten. Die Dressurreiterin hat in der Vielseitigkeit eine neue Liebe und Leidenschaft für den Reitsport gefunden. „Hier dürfen unsere Partner noch ein richtiges Pferdeleben führen. Besonders beim Geländeritt am Sonnabend, da erlebt man im Zielbereich schnaufende und dampfende Hochleistungssportler, die glücklich sind“, sagt Breuer.