Buchholz. Der Bahnrad-Weltmeister aus Berlin gewinnt beim Großen Preis von Buchholz im Schlussspurt das Eliterennen.
Immerhin, es ist ein aktueller Weltmeister, der auf der Zielgeraden in der Bremer Straße die Arme hochreißt und den Applaus der Zuschauer genießt. Theo Reinhardt, der Profi aus Berlin, entscheidet das Rundstreckenrennen um den Großen Preis von Buchholz mit einem energischen Sprint für sich.
Es war bei der Traditionsveranstaltung an Himmelfahrt der letzte und wichtigste Sieg im achten Rennen. Schon am frühen Morgen waren U19-Junioren und mehr als 70 ehrgeizige Senioren im Alter zwischen 40 und 60 Jahren auf den drei Kilometer langen Rundkurs gegangen. Danach das Eliterennen der Frauen mit mehr als 30 Sportlerinnen und vier weitere Nachwuchsrennen von der U11 bis zur U17 – insgesamt acht Stunden Rennsport. Der Große Preis von Buchholz ist weit mehr als das abschließende Eliterennen mit internationaler Beteiligung.
In seiner wechselvollen Geschichte spiegeln sich auch der grandiose Aufstieg und der tiefe Fall des Radrennsports wider. Im Sommer 1989 hatte Udo Krapf, selbst Radrennfahrer von Jugend an, das Rundstreckenrennen ins Leben gerufen. In der großen Zeit des deutschen Radsports holte er viele der Lieblinge nach Buchholz und bis zu 20.000 Zuschauer jubelten ihnen an der Strecke zu. Im allgemeinen Dopingsumpf ging dann aber auch das Vatertags-Rennen in Buchholz unter.
In den besten Zeiten standen 20.000 Zuschauer an der Strecke
Bei all der harschen Kritik darf man eines nicht vergessen: Mit der Euphorie von damals ist in Deutschland die vielleicht wichtigste Fitness- und Gesundheitswelle ins Rollen gekommen. Auf Landstraßen und stillen Wegen, auch in den Randbezirken der großen Städte, sind Scharen von bunt und leuchtend ausstaffierten Männern auf kostspieligen Rennrädern unterwegs. Und auch immer mehr Frauen entdecken, wie sie auf zwei Rädern dem Alltagsstress davonjagen können.
Diese Gruppe ist inzwischen der eigentliche Mittelpunkt des Renntages in Buchholz. Peter Pawlus vom gastgebenden Verein Blau-Weiss Buchholz ist ein Musterexemplar für die boomende Bewegung. Der 47 Jahre alte Bauingenieur war schon 37, als er sich das erste Mal auf ein Rennrad schwang. Die Niedersachsenmeisterschaft im Zeitfahren über zehn Kilometer gewann er jüngst mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 47 Km/h. Und Mara, mit 13 Jahren das jüngste seiner drei Kinder, wurde ebenfalls Landesbeste in dieser Disziplin.
Was aber ist es, was Menschen mittleren Alters, oft mit stressigen Berufen, in den Sattel und auf die Straße lockt? „Man fühlt sich dabei wieder lebendig“, kommt die Antwort von Peter Pawlus, der seine Rennmaschine im Auto verstaut hat und vom Klappstuhl aus das Eliterennen verfolgt. „Und man spürt den eigenen Körper wieder, fühlt die eigene Kraft, atmet frische Natur, kommt vorwärts und ist im Sattel wie befreit. Im Beruf wird man doch immer mehr durch Vorschriften und Regulierungen eingeengt und von Terminen getrieben. Es gibt in unserem Sport sicher auch einen gewissen Suchtfaktor, weil besondere Hormone ausgeschüttet werden.“
Warum aber treibt es die ehrgeizigen Freizeitradler auch noch an Sonn- und Feiertagen auf die Straßen, um Rennen zu fahren? „Da erwacht der alte Kämpfer in mir“, sagt Peter Pawlus lachend. „Jeder will der Stärkere, jeder will ein Alphatier sein. Man muss sich auch eingestehen, dass Radrennen nicht ungefährlich sind. Bei jedem Start kann man die Anspannung in den Gesichtern sehen. Und die Erleichterung und das Glück, wenn sie, egal auf welcher Position, über die Ziellinie rollen.“ Er selbst hielt sich im stark besetzten Masters-Rennen vorsichtig zurück und kam auf Platz 19 ins Ziel. Sieger wurde Renzo Wernicke vom Team Urkrostitzer.
Max Oertzen von der Harburger RG siegt im U13-Schülerrennen
Beim Kampf um den Großen Preis von Buchholz durfte Theo Reinhardt, gemeinsam mit Roger Kluge Zweiermannschaftsweltmeister auf der Bahn, aufgrund strenger Regularien nicht im Regenbogentrikot des Weltmeisters antreten. Beim Start war der Berliner in der letzten Reihe zu finden, der 27-Jährige konnte sich diese Zurückhaltung leisten. Ab Mitte des Rennens über insgesamt 30 Runden, mithin 90 Kilometer, wurde immer deutlicher, dass der Weltmeister Herr der Lage war. Wie sehr die fast 100 Starter unter der drückenden Schwüle litten, bemerkten die Zuschauer mit jeder Runde deutlicher. Das Teilnehmerfeld schmolz dahin.
Letztlich waren es noch fünf Fahrer, die in der Bremer Straße zum Spurt um den Sieg ansetzten. Theo Reinhardt, ausgestattet mit der Antrittskraft eines Bahnspezialisten, gewann deutlich mit zwei Radlängen Vorsprung vor Dennis Klemme und dem Dänen Jeppe Aaskov Pallesen. Insgesamt hielten nur 30 Fahrer bis ins Ziel durch. Der einzige Tagessieger aus dem Heimatgebiet war Max Oertzen von der Harburger RG. Er gewann das Schülerrennen der U 13.