Hausbruch. 269 Teilnehmer und ein überragender Läufer aus Eritrea nahmen in der Neugrabener Heide zwei Distanzen unter die Füße.

Der erste Süderelbe-Crosslauf hatte alles, was zu einer richtig tollen Premiere dazugehört. Oben ein freundlicher Winterhimmel ohne Regenwolken, wie ihn Sonntagsläufer lieben. Der Rundkurs durch die Neugrabener Heide: Natur pur. Herausfordernde Anstiege und auch einige schwierige, matschige Passagen. Dazu kamen noch 75 Nachmeldungen für die 5,1-Kilometer-Mittelstrecke und die 10,1-Kilometer-Langstrecke. Unter den 269 Läuferinnen und Läufern im Ziel waren fast alle zu finden, die in der Hamburger Volkslaufszene Rang und Namen haben. Das Schönste aber: diese Premiere hatten ihren neuen Helden.

Groß und schlank und schüchtern lächelnd – Brahane Ghebribrhan, der junge Mann aus der Flüchtlings-Unterkunft an der Cuxhavener Straße. Er startete zum ersten Mal für die gastgebende Leichtathletik-Abteilung der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft. Und wie der 22-Jährige aus Eritrea los gerannt ist. Kurz nach dem Startschuss von Organisationschef Daniel Neidhold sahen alle anderen der fast 130 Teilnehmer auf der 10,1-km-Distanz nur noch den Rücken des Neulings. Das wäre auch so geblieben. Weil aber vier Runden gelaufen wurden, musste ein Großteil der Laufenthusiasten erleben, wie sie überrundet wurden.

Es ist ein wahrer Genuss, dieses außergewöhnliche Talent aus einem Dorf in Eritrea laufen zu sehen. Der Waldweg mit Start und Ziel, ein langer Anstieg aus einer Senke heraus. Die Teilnehmer sind oben im Wald verschwunden. Unten warten Helfer und Zuschauer darauf, wer als Erster wieder aus dem Wäldchen auftaucht. Der erste Applaus, zaghaft eher, mehr Staunen und Bewundern. Schnell, aber scheinbar ohne jede Anstrengung rennt Brahane auf die Lichtung zu. Er lächelt, wie jemand, der von allen Lasten befreit ist.

Dann langes Warten, schon in der ersten Runde. Einige schauen auf die speziellen Uhren an ihren Handgelenken. Endlich taucht der nächste Läufer auf, Christian Hartwig, einer der bekannten Läufer der norddeutschen Szene, der in Buxtehude lebt, aber noch immer für SSC Hanau Rodenbach startet.

Lächelnd kommt Brhane Gebrebrhan als Führender wieder aus dem Wäldchen heraus
Lächelnd kommt Brhane Gebrebrhan als Führender wieder aus dem Wäldchen heraus © Katrin Beyer

In der zweiten und auch in der dritten Runde lächelt Brahane Ghebribrhan noch immer. Sein Vorsprung wird größer und größer. Der 22-Jährige ist das, was man im Sport „einen ungeschliffenen Diamanten“ nennt. Wie ungeschliffen, das zeigt sich schon beim Start. Der Junge hatte seine Startnummer vergessen. Und als er nach der vierten Runde dem Ziel entgegen eilt, kämpft er nicht mehr um Sekunden. Über die Ziellinie muss er freundlich geschoben werden, weil er wohl nicht weiß, was der Sägemehlstreifen auf dem Boden bedeutet.

Den 1. Süderelbe Crosslauf – von allen Startern als schön, aber auch recht anstrengend eingestuft – gewann Brahane Ghebribrhan in 38 Minuten und 9 Sekunden. Bei den Zeitnehmern begann das Warten auf den Zweiten. Christian Hartwig kam mehr als drei Minuten später in 41:24 Minuten im Ziel. Das neue Langlauftalent der HNT hatte etwa 800 Meter Vorsprung. Als Zweiter im HNT-Trikot keuchte Mathias Thiessen, der stellvertretende Vorsitzende der HNT-Leichtathleten als Gesamt-Neunter über die Ziellinie. Er war fast fünf Minuten langsamer als der Sieger.

Eine ähnliche Überraschung hatte es schon einmal beim Straßenlauf-Cup der HNT im Forst bei Langenrehm gegeben. Es war vor mehr als zehn Jahren, da tauchte im Wald auf der Zielgeraden ein Fremder auf, den keiner zuvor gesehen hatte: Mourad Bekakcha, ein unerfahrener Neuling aus Algerien, der sich stürmisch und herzlich über seinen ersten Sieg freute. „Er hatte für heute auch gemeldet“, berichtete Daniel Neidhold, „ist aber krank geworden. Schade, das wäre ein Duell geworden.“ Denn Mourad Bekakcha, 40 Jahre inzwischen, ist sechsfacher Hamburger Marathon-Meister, deutscher Meister im Cross und auch im 10-Kilometer-Straßenlauf.

Mourad Bekakcha war einst auch aus dem Nichts aufgetaucht

Es gab an diesem Sonntag in der Neugrabener Heide noch einen Menschen, der bescheiden zurückhaltend und doch sehr glücklich war: Kathrin Wilm, die Läuferin von der TH Eilbeck, die den Crosslauf sozusagen ins Leben gerufen hat. „Ich komme gern hier raus“, sagt sie, „in der Natur und in der Stille zu laufen, darauf freue ich mich jedes Mal. Man begegnet hier häufiger Bekannten aus der Laufszene.“ Wie ihr Vereinskollege Uwe Cherek, der sich erinnert: „Ich bin hier vor vielen Jahren bei einer Laufserie der HNT mitgerannt. Da war eine Runde zehn Kilometer lang und man entschied selbst, wie viele Runden man sich zutraute.“

„Also organisieren wir hier doch wieder einen Crosslauf“, sagte Kathrin Wilm und überzeugte Daniel Neidhold, weil sie versprach: „Ich organisiere einen großen Helferstab aus der Hamburger Szene“. Der Betriebssport half mit, brachte die Betriebskrankenkasse Continentale als Sponsor und Kathrin Wilm stand mit leuchtenden Augen da und lächelte: „So eine große Teilnehmerzahl schon bei der Premiere, und alle mit guter Laune. Es ist ein sehr gutes Gefühl, mit seiner Initiative anderen etwas geben zu können.“

Und was fit4run, die Laufgruppe für junge Flüchtlinge betrifft, bei der auch Brahane begann, ist da auch noch Hailezgi Meresie, ein 17-Jähriger aus Eritrea. Der wurde über 5,1 Kilometer Zweiter in 18:33 Minuten, besiegt nur vom 32 Jahre älteren Miguel Molero von Spiridon Schleswig. Der allerdings ist Europas Schnellster Crossläufer in der M45.

Bei den Damen gewannen Josephine Noack (Fischer Mohr Laufteam) die 5,1 km in 23:27 min. und Cecile van der Bent (Airbus) die 10,1 km in 44:15 min.