Winsen. Mehr als 500 Zuschauer verfolgen beim Winsener Stadtpokal das Neunmeterschießen im Finale gegen MTV Borstel-Sangenstedt.

Wer jemals als Trainer tätig war, wird sie kennen: Die Begründungen, warum ein Spieler nicht zum Training oder zum Spiel kommen kann. Eine der beliebtesten und am meisten belächelten: „Meine Oma hat Geburtstag.“ Dass ein gestandenen Fußballspieler von 35 Jahren mit der Erfahrung von mehr als 200 Oberligaspielen und fast 100 Toren auf solch eine Idee kommt, trieb Torsten Altmann am Sonnabend in der Winarena die Zornesröte ins Gesicht. „Ich habe so einen Hals“, sagte der Trainer des TSV Auetal und machte die dazu passende Handbewegung, „die Jungs sind stinksauer.“

Unmittelbar vor dem Endspiel um den Winsener Stadtpokal, das der TSV Auetal zum ersten Mal seit sechs Jahren erreicht hatte, meldete sich Stephan Rahn ab. Er müsse zum Geburtstag seiner Oma, teilte der bis dato wichtigste Vorbereiter im Team des Bezirksligisten seinem Coach mit. Alle Versuche, ihn umzustimmen, scheiterten.

Zweikampf im Halbfinale zwischen Gerit Nowostawski (Borstel, links) und Oliver Rupprecht vom TSV Winsen
Zweikampf im Halbfinale zwischen Gerit Nowostawski (Borstel, links) und Oliver Rupprecht vom TSV Winsen © HA | Markus Steinbrück

Mit zwei Siegen und zwei Unentschieden, darunter einem spektakulären 3:3 nach 0:3-Rückstand gegen Ausrichter TSV Winsen, war Auetal als Gruppenzweiter in die K.o.-Phase eingezogen und hatte im Viertelfinale durch Tore von Giovanni Düring und Kai Gödecke den MTV Luhdorf-Roydorf mit 2:0 aus dem Wettbewerb geworfen. Im Halbfinale hieß der Gegner SG Scharmbeck-Pattensen. Das Team von Jörn Rathje und Kenneth Hinsch hatte alle fünf Partien gewonnen und war auch aufgrund der spielerischen Qualität der Favorit.

Gegen Auetal gelang den Scharmbeckern aber kein einziger Treffer. Zu stark parierte TSV-Torhüter Hannes Öhler. Auf der anderen Seite hatte Scharmbeck bei einer Auetaler Dreifachchance das Glück des Tüchtigen. Als sich alle Beteiligten und die mehr als 500 Zuschauer in der Winarena schon auf eine Verlängerung einstellten, kam der TSV Auetal mit einem ganz krummen Ding doch noch zum Siegtreffer. Nach einem Gewurschtel an der Bande flog der Fußball zwanzig Sekunden vor dem Ende im hohen Bogen in die Mitte, wo ihn Abdul Rauf mit dem Kopf über die Linie drückte. Selbst der Torschütze konnte sein Glück kaum fassen.

Im anderen Halbfinale kam es zum ewig jungen Duell zwischen dem TSV Winsen und MTV Borstel-Sangenstedt. Überraschungen blieben angesichts von vier Bezirksligisten im Halbfinale weitgehend aus. Einzige Überraschung – dazu eine richtig große – war das vorzeitige Aus von Pokalverteidiger Eintracht Elbmarsch als Letzter der Vorrundengruppe B. Ein Sieg war bei drei Niederlagen, unter anderem gegen Elbdeich und Luhdorf, zu wenig. „Unser Abschneiden tut mir richtig weh“, sagte Ligamanager Philipp Meyn, „das wichtigste ist aber, dass sich keiner ernsthaft verletzt hat.“ Elbmarsch war personell geschwächt angetreten, Torhüter Nico Fabian spielte im Feld. Dazu mussten nach der ersten Partie der Matchwinner des Vorjahres Kevin Koitka (Knie) und Daniel Oertzen-Hagemann (Rücken) passen.

Tina Fitschen aus Rottorf gewann in der Tombola den 55-Zoll-Fernseher
Tina Fitschen aus Rottorf gewann in der Tombola den 55-Zoll-Fernseher © HA | Markus Steinbrück

Das Halbfinale Borstel gegen Winsen nahm erst in den letzten drei Minuten Fahrt auf. Den Schuss von Borstels Mika Kraßmann konnte TSV-Keeper Maik Steinwender noch parieren, Gerit Nowostawski staubte zum 1:0 für Borstel ab. Nur 30 Sekunden später egalisierte Ali Hamade mit einem trockenen Weitschuss zum 1:1, aber Borstel hatte – unterstützt von der lautesten und phasenweise übertrieben feiernden Fangemeinde – das letzte Wort. 70 Sekunden vor dem Ende knallte erneut Nowostawski einen Freistoß aus neun Metern in die Maschen. Und Borstels Chöre singen dazu: „Finale, ohooo!“

Im Endspiel konnte sich der TSV Auetal wieder auf seinen Torhüter Hannes Öhler verlassen, der eine Großchance von Mika Kraßmann vereitelte, bevor er nach der Hälfte der Spielzeit doch hinter sich greifen musste. Nach Freistoß-Vorlage schoss Erik Bindernagel erst gegen die Bande, um den zurückspringenden Ball zum 1:0 für Borstel zu verwerten. Es wurde hektischer und nickelig, Borstel hatte mehr vom Spiel und die besseren Chancen. Das Tor zum 1:1-Ausgleich machte Auetal durch einen von Giovanni Düring verwandelten Freistoß. Weitere Tore fielen auch in der fünfminütigen Verlängerung nicht. Auetal nahm das Tempo aus dem Spiel, schob den Ball aufreizend lässig hin und her. „Wir haben die Zeit clever runtergespielt, wollten nicht in einen Konter laufen und wussten, dass wir im Neunmeterschießen den besseren Torwart haben“, erklärte Trainer Altmann die Maßnahme. Er sollte Recht behalten. Borstel führte nach zwei von drei Neunmeterschützen mit 2:1 und hatte den Triumph zum Greifen nah. Doch Öhler führte mit zwei sehenswerten Paraden die Wende herbei und ließ den TSV Auetal über den ersten Stadtpokalsieg nach 25 Jahren jubeln. 1993 hatte es im Finale einen 3:1-Sieg gegen die damals noch existierende Spielvereinigung Drage/Schwinde gegeben.

Zwei Spieler aus Scharmbeck ins Allstar-Team gewählt

„Damit habe ich nicht gerechnet, zumal wir zwei Spieler aus der Zweiten Herren dabei hatten“, sagt Torsten Altmann, dessen Team in der Bezirksliga auf einem Abstiegsplatz steht. „Wir haben das letzte Punktspiel 2017 und jetzt hier gewonnen. Man sieht, dass wir nicht tot sind und ich hoffe, dass wir den Schwung mit in die Rückrunde nehmen können.“ Trainer René Schrader (MTV Borstel-Sangenstedt) gratulierte dem Sieger: „Auetal hatte einen guten Tag und auch etwas Glück. Vielleicht wollten sie den Sieg mehr als wir. Letztendlich müssen wir uns an die eigene Nase fassen. Wir müssen das 2:0 machen, dann ist das Finale entschieden.“

Mit Gerit Nowostawski wurde ein Borsteler Spieler in das Allstar-Team berufen. Dazu kommen Torhüter Jörg Zimmermann (FC Roddau), Ali Hamade (TSV Winsen), Sascha Damm und David Preuße (beide Scharmbeck). Viel Lob gab es für die großartige Organisation durch den Ausrichter TSV Winsen, der viele neue Ideen einbrachte. Nach der Siegerehrung feierten Spieler, Trainer und Fans noch lange in der Winarena, bei der After-Stadtpokal-Party in der Diskothek Seinerzeit – oder bei Oma.