Hausbruch. Deutsche Erfahrung in Sachen Physiotherapie und Sportmedizin ist im aufstrebenden Fußball-Reich der Mitte heiß begehrt.

Als das Emirat Katar „seinem“ Fußballclub Paris Saint-Germain für rund 200 Millionen Euro den brasilianischen Star Neymar spendierte, wurde darüber in der abgelegensten Jurte der Mongolei genauso wie auf einsamen Südseeinseln diskutiert. Das Spiel mit dem Fußball ist der Sport, der wie kein anderer Menschen rund um den Globus verbindet. Und so kann es kommen, dass in einem unauffälligen Einzelhaus in Hausbruch Aktivisten dieser Fußball-Welt zusammenfinden.

Auf der Therapiebank von Jörn Schimkat, dem Harburger Physiotherapeuten und Physioenergetiker, hat sich ein großer, muskelbepackter Sportsmann ein Kissen unter den Kopf geschoben. Leke Samson James kommt aus Kaduna, einer Millionenstadt in Nigeria, und hat sich auf dem härtesten Arbeitsmarkt der Welt, dem Profifußball, durchgesetzt. In Norwegens Erster Liga war der 25 Jahre alte Mittelstürmer aus Afrika Torschützenkönig für den FK Aalesund. Seine Treffsicherheit hat sich bis nach China herumgesprochen. Seit anderthalb Jahren lebt er mit Frau und Kind nun in Peking und verdient sein Geld bei Beijing Enterprises, einem Team der zweiten chinesischen Liga.

„Und weil wir in China wissen, dass die deutschen Physiotherapeuten zu den Besten in der Welt gehören, habe ich ihn hier zu Herrn Schimkat vermittelt.“ Mit dieser Antwort kommt der schnelle Herr Zhong der Frage zuvor, wie ein aus Afrika stammender Profifußballer in chinesischen Diensten auf den Tisch von Jörn Schimkat in Hausbruch kommt?

Ex-Torwart Stefan Kliche stellte die ersten Kontakte her

Die ersten Kontakte sind über Stefan Kliche entstanden. Der Physiotherapeut und Masseur beendete seine Fußball-Karriere als Torwart (U16-Nationalmannschaft, HSV) im Jahre 2000, weil er mit 1,76 Meter zu klein war, und schulte um. Schimkat nahm Kliche unter seine Fittiche, beide arbeiteten lange zusammen. Stefan Kliche war Physio beim HSV und FC St. Pauli, wechselte 2016 nach China und ist heute Rehatrainer eben diesem Zweitligisten BJ Enterprises in Peking, für den Lilun Zhong arbeitet.

Der General-Manager der Sport-Agentur „Goal2China“ war vor 26 Jahren als Importeur von Bekleidung an die Alster gekommen. „Schon damals hat man mir in China gesagt, wenn du kein Bier trinkst und nichts von Fußball verstehst, wirst du es in Hamburg schwer haben“, erzählt er lachend. „Bier trinke ich noch immer nicht. Aber ich bin nicht nur Fan vom HSV und von St. Pauli, sondern auch von Hummelsbüttel und Germania Schnelsen.“ Da liegt es nahe, dass der Fußballverrückte aus Peking gemeinsam mit einem Hamburger Freund aus seiner Leidenschaft ein spezielles Business aufgebaut hat.

Dass Fußball in China boomt, zeigen schon die hohen Summen, für die inzwischen Spieler und Trainer aus aller Welt in das Reich der Mitte gelockt werden. „Dazu steht bei uns gerade die deutsche Sportmedizin im höchsten Ansehen“, sagt Lilun Zhong, „und das ist es, worum wir uns vor allem kümmern.“

Jörn Schimkat nimmt den linken Oberschenkel und das Bein von Leke James in seine Hände. „Drücke dagegen“, fordert er den lädierten Torjäger auf, „fester, noch fester.“ Dann die gleiche Prozedur mit dem rechten Bein. „Hier oben, im Oberschenkel sitzen die Verspannungen.“

Auch Akupunktur gehört zur Therapie von Jörn Schimkat

Es ist im Grunde seine berufliche Zukunft, die der junge Familienvater aus Nigeria in die erfahrenen Hände des Physioenergetikers legt. Betreut von Lilun Zhong und seiner Agentur, wurde Leke James im vergangenen Jahr in Hamburg von Dr. Werner Siekmann an der Achillessehne operiert. „Danach kam er das erste Mal zu mir“, erzählt Schimkat. „Das Problem ist, dass sein Becken noch immer nicht gerade ist. Das wirkt sich auf den ganzen Körper aus und lässt sich nur ganzheitlich lösen.“

Während er erklärt, macht sich der erfahrene Schimkat am linken Ohr des Sportlers zu schaffen und legt drei Nadeln für die Akupunktur zurecht. „Das Ohr ist sozusagen das Spiegelbild des Menschen als Embryo“, erläutert „Schimmi“. „Das Ohrläppchen ist der Kopf“, sagt er und drückt und tastet, bis der Patient das Gesicht verzieht. Die erste Nadel soll auf die Achillessehne wirken, die zweite auf das Becken und als er die dritte in den maximalen Schmerzpunkt des linken Ohrs sticht, lässt der Mittelstürmer den ersten Seufzer hören.

Die Anreise aus Peking, die Unterbringung in einer kleinen Wohnung in Hamburg, die Therapie bei Jörn Schimkat – all das wird von Beijing Enterprises, dem Zweitligaclub aus Peking, bezahlt. Die Gesundheit der Spieler ist schließlich das wichtigste Aktivkapital im Milliardengeschäft Fußball, das die Welt erobert hat.

In dem Einzelhaus im Hausbruch hat Leke Samson James, der 25-jährige Profi aus Nigeria, Jörn Schimkat in den Arm genommen und bedankt sich: „Beim Training mit dem FC St. Pauli habe ich nach Wochen wieder gegen den Ball treten können. Ich fliege voller Zuversicht zurück zu meiner Familie nach Peking. Ich hoffe nur, dass Du mir keine Nadeln ins Ohr stecken musst, falls wir uns wiedersehen.“ Jörn Schimkat klopft dem Fußballer zufrieden auf die Schulter. „Und ich wünsche mir, dass ich Dich in Peking besuchen kann“, sagt er zum Abschied.