Fleestedt/Harburg. Seit 60 Jahren spielt der 78-jährige Ingenieur vom Harburger SC Badminton. Keine Nahrung nach 16 Uhr und täglich elf Stunden Schlaf.
Wohl jeder, der Gerhard Grönboldt das erste Mal begegnet, fragt sich erstaunt: „Was? Der Mann soll 78 Jahre alt sein?“ Die Überraschung bleibt, auch wenn man weiß, dass man einem besessenen Seniorensportler gegenüber steht, der eine unglaubliche Erfolgsbilanz vorweisen kann: Schon 1963 hat Gerhard Grönboldt einen Hamburger Meistertitel erkämpft – der erste von insgesamt 62. In den 54 Jahren danach ist der Ehrgeizige vom Harburger SC auch 38 Mal norddeutscher Meister und 17 Mal deutscher Meister geworden. Hamburg, Norddeutschland und selbst die gesamte Republik haben dem Vater von drei Söhnen und Großvater von acht Enkeln aber nicht gereicht. Seine Bilanz als Weltreisender in Sachen Badminton beginnt er mit dem Satz: „Bei Europameisterschaften bin ich nicht über einen dritten Platz hinaus gekommen.“
Aber als Weltmeister ist der Fitnesspapst aus Fleestedt von einer Tour um den halben Globus zurückgekehrt. Die höchste Ehre hat sich Grönboldt, der beim Harburger SC 31 Jahre lang die Nummer eines der Badminton-Mannschaft war, aus Sydney mitgebracht. Da er bei seinen aufwendigen und langen Reisen nicht nur im Einzel startet, ist er mit unterschiedlichen Partnerinnen und Partnern auch im Doppel und im Mixed erfolgreich gewesen.
Von der WM in Kanada brachte der Diplom-Ingenieur eine Silber- und eine Bronzemedaille mit. Über je eine Bronzemedaille freute er sich auch bei Weltmeisterschaften in Sofia, Malaga und Ankara. Nur die Reise im September dieses Jahres nach Indien, „das war doch eine extrem andere Welt“, wie er sagt. „Da haben mir die sechs Impfungen vorher schon ziemlich zugesetzt“. Bei seiner Vorgeschichte ist es verständlich, dass er mit dem fünften Platz im Einzel der Altersklasse 70+ nicht zufrieden war.
„Ich lebe für den Sport“, sagt der fleißige Titelsammler von 78 Jahren. Natürlich ist Gerhard Grönboldt nicht der Einzige, der bis ins hohe Alter siegreich bleiben will. Nationale und auch immer stärker internationale Wettkämpfe von Seniorinnen und Senioren in den unterschiedlichsten Sportarten sind längst auch geförderte Highlights der Touristikbranche. Aber was dieses „ich lebe für den Sport“, für den Badminton-Senior im Alltag heißt, das erfahren wir ausgerechnet oder auch typischerweise bei eisigem Wind auf einer Baustelle. Der Schellerdamm, eine Straße im Neubaugebiet des Harburger Binnenhafens, wird erweitert. Grönboldt ist hier für die Sicherheit verantwortlich. Dass der Inhaber eines Ingenieurbüros für Bauwesen noch fast täglich und oft auf mehreren Baustellen an einem Arbeitstag anzutreffen ist, hat mit seiner sportlichen Grundeinstellung zu tun.
Mehr als 40 Jahre lang war Gerhard Grönboldt beim Bauamt des Bezirks Harburg angestellt. Ehefrau Marianne hat ihn ein einziges Mal überzeugen können, sich krank zu melden. „Es ist bei diesem einen Tag geblieben“, sagt er und kontrolliert die Straßenabsperrung. Als er mit 65, also vor 13 Jahren, in Pension ging, hat ihm sein Hausarzt Dr. Ilkner einen Schrecken eingejagt. „Wenn Sie aufhören zu arbeiten“, warnte der Mediziner, dessen Vater als einer der Ersten in Deutschland Sport für Herzinfarkt-Patienten populär machte, „dann werden sie bald auch aufhören Sport zu treiben.“
Die Warnung kam an. Der Pensionär gründete ein Ingenieurbüro und ist als Selbstständiger auf Baustellen bis heute aktiv geblieben. Es ist nicht der einzige Ratschlag seines Doktors, den Gerhard Grönboldt diszipliniert und gewissenhaft befolgt. „Ich gehe jeden Abend gegen neun Uhr ins Bett und schlafe elf Stunden“, zählt der erfolgreichste HSC-Sportler auf, wie er seinen Körper leistungsfähig hält. „Beim Frühstück nehme ich mein spezielles Magnesium, esse generell viel Obst und Gemüse, aber wenig Fleisch, und nehme die letzte Mahlzeit des Tages immer gegen 16 Uhr zu mir.“ Wenn es abends doch mal später wird, muss seine Frau etwas energisch werden, damit ihr Gerhard wenigstens mit einer Banane seinen Hunger dämpft. Einmal im Monat ist er bei seinem Arzt, und wenn Dr. Ilkner lächelnd mahnt, „hast Du wieder was getrunken?“, weiß der Gesundheitsapostel sofort, dass die zwei oder drei Bier bei einer Geburtstagsfeier in seinen Werten abzulesen sind.
Badminton, daran sollte man erinnern, gehört zu den Sportarten, die höchste Fitness, Ausdauer und geistige Geschmeidigkeit erfordern. Auch im hohen Alter. „Ich gehe in der Hamburger Hobbyliga in meine 60. Saison als Mannschaftssportler“, sagt Gerhard Grönboldt stolz. „Hin und wieder erwische ich mich, dass meine Disziplin etwas schwächelt. Dann trainiere ich nur dreimal und nicht mehr viermal in der Woche.“
Jeden Mittwoch aber steht er in der Sporthalle am Ehestorfer Weg und begrüßt die Freunde seiner Fitness-Gruppe. „Die habe ich 1987 beim HSC gegründet“, erzählt er. „Gerhard Nottelmann ist 86 Jahre inzwischen und Siegbert Krause 84 und beide sind von Beginn an dabei“. Genau wie er selbst.
Ein so langes und so erfolgreiches Leben für den Sport – da bleiben auch Freundschaften über Jahrzehnte. Die ungewöhnlichste ist sicher die mit Jens Behrens. „Er hat mich vor 60 Jahren für Badminton begeistert“, sagt Grönboldt, „seit zehn Jahren spielen wir wieder zusammen und sind im Doppel acht Mal Hamburger Meister geworden.“
Wenn im erster Quartal des neuen Jahres wieder Harburgs erfolgreichste Sportlerinnen und Sportler im Rathaus geehrt werden, wird auch der erfolgreichste Badmintonspieler des Harburger SC im Mittelpunkt stehen – so wie er es in den vergangenen 28 Jahren ununterbrochen getan hat.