Buchholz. Anfang Dezember will Armin Raible aus Buchholz auch bei den Cross-Weltmeisterschaften in Belgien zuschlagen.

Armin Raible war 18 Jahre alt und in der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, die man damals noch Lehre nannte, als er sich das erste Mal bei Blau-Weiss Buchholz auf ein Rennrad schwang. 37 Jahre später und mit rund 450.000 Trainings- und Rennkilometern in den Beinen hat er sich einen großen internationalen Erfolg erkämpft. Man darf den Glückwunsch an den 55-Jährigen ruhig etwas frech formulieren: „Herr Raible, Sie mussten gut elf Mal um die Erde strampeln, um das erste Mal Europameister zu werden.“

Sein Lachen fällt etwas gequält aus, als er sagt: „Und im Alter muss man noch härter trainieren als in der Jugend. Vor allem braucht man länger für die Regeneration.“ Er ist gerade aus dem Keller gekommen, war auf der Rolle, wie die Radsportler sagen. Anderthalb Stunden hat er auf dem feststehenden Trainingsrad geschwitzt, bis die Lampen ausgehen. So heißt es bei den Radsportlern, wenn sie sich bis zur völligen Erschöpfung verausgaben.

Zwei Tage zuvor ist Armin Raible im tschechischen Tabor Cross-Europameister in der Masterklasse der Herren ab 55 Jahren geworden. Zeit zum Feiern lässt er sich nicht. Denn am 5. und 6. Dezember werden im belgischen Mol die Weltmeisterschaften ausgetragen. „Bei der letzten bin ich Sechster geworden“, sagt er. „Ich habe noch etwas gutzumachen.“

In seiner Karriere ist Armin Raible elf Mal um die Erde gestrampelt

Die Europameisterschaft also nur ein Zwischenerfolg? Der drei Kilometer lange Rundkurs mit sandigem Steilhang, mit Treppen und bis zu 20.000 Zuschauern war eine brutal harte Herausforderung. Die 55 Teilnehmer der M55 waren gemeinsam mit 80 jüngeren Crossspezialisten der M50-Klasse auf die Strecke geschickt worden. Gleich nach dem Start gab es ein gefährliches Massengedränge mit den ersten Stürzen. Armin Raible aber hatte den Umweg über rechts gewählt und war so der Gefahr ausgewichen. „In der Nacht vor dem Rennen bin ich im Kopf die ganze Strecke mit den 54 Kurven durchgefahren“, erzählt er von der Vorbereitung.

Ehefrau Iris rief ihm schon in der zweiten von vier Runden zu: „Du liegst vorne.“ Aber das hat der Routinier, der mit seinem „AR Personal Cycling Training“ selbstständig ist, nicht wirklich wahr genommen. „Du siehst auf der Strecke nur die Fahrer vor dir“, sagt Raible. „Denen willst du den Rücken zeigen. Dass die jünger und gar nicht deine Konkurrenten sind, interessiert dich nicht.“

In Tabor vor den tausenden Zuschauern quälte er sich als Gesamtdritter durchs Ziel. Vor ihm nur der Sieger und der Vizeeuropameister der M50, hinter ihm mit Minuten Rückstand der Zweite seiner Altersklasse, der belgische Meister Ludwig Gladinis. Europameister der Profis wurde übrigens der Niederländer Mathjen van der Pol. „Mit dessen Vater Arti bin ich Anfang der 1990er-Jahre in einem niederländischen Profistall gefahren“, erzählt Armin Raible, „beide als Mountainbiker.“

Armin Raible bei der Siegerehrung, noch gezeichnet von den Strapazen
Armin Raible bei der Siegerehrung, noch gezeichnet von den Strapazen © HA | St. Ottinger

In seinem als Trainingszentrum ausgebauten und für Leistungsdiagnostik geeigneten Keller hat er das Trikot des Cross-Europameisters auffällig platziert – neben den vier Trikots des deutscher Meisters im Cross und auf der Straße und dem Weltmeistertrikot, das er 2009 auf der Straße gewann.

Herr Raible, nach fast einem halben Jahrhundert im Radsport mit stolzen Erfolgen: können Sie sich überhaupt noch an ihren ersten Sieg erinnern?

Armin Raible: Ja, als wenn es erst gestern gewesen wäre. Das war 1989 ein Straßenrennen in Bad Sachsa im Harz. Ich war noch C-Fahrer, also Anfänger bei den Amateuren. Und dann habe ich all die Bekannten, die schon Erfolgreichen, die mich noch nicht grüßten, abgeledert. Aber richtig, mit einigen Minuten Vorsprung. Darüber kann ich heute noch lachen.

Welche Siege sind denn die schönsten?

Nicht die Glückserfolge. Aber wenn du dich Monate lang auf ein Rennen vorbereitet, Trainingsplanung, Ernährung – alles darauf konzentriert hast – und es dann gelingt. Das sind die schönsten Siege. Davon kannst du Wochen und Monate, im Grunde das ganze Leben, zehren.

Was hat sich in all den Jahren, in denen der Radsport ein wichtiger Teil ihres Lebens ist, am stärksten verändert?

Früher hieß es: Viel hilft viel und mehr hilft mehr. Es wurde zu lange und zu hart trainiert. Heute weiß man, vor allem durch die genauen Diagnosen der Sportwissenschaft: Stärker werde ich in den Pausen. Entscheidend ist, dass du lernen musst, sehr genau auf deinen Körper zu hören. Auch wenn du an deine Leistungsgrenze gehst, halte deinen Ehrgeiz unter Kontrolle und überfordere nie den Körper.

Der Radsport wird immer mehr zum Seniorensport. Hat die Jugend keine Lust mehr auf hartes Training?

Sicher, es wird immer schwieriger, auch wegen der zeitlichen Belastung durch die Schule, Jungen und Mädchen überhaupt für unseren Sport zu begeistern. Wenn sie aber dabei sind, wenn sie spüren, dass sie besser und stärker werden, dann wächst mit diesen persönlichen Erfolgen auch der Ehrgeiz. Und dann brennen sie, und als Trainer siehst du wieder viele leuchtende Augen. Da hat sich gar nichts geändert. Mit dem Spaß kommt der Ehrgeiz und mit dem Ehrgeiz der Erfolg – und mit dem sportlichen Erfolg auch Kraft und Selbstbewusstsein für das ganze Leben. Und das wird, so hoffe ich, immer so bleiben.