Hittfeld. Top-Schiedsrichter Patrick Ittrich und Sascha Thielert besuchen Lehrabend der Unparteiischen im Landkreis Harburg.

„Es muss menschlich passen,“ sagte Hamburgs Spitzenschiedsrichter Patrick Ittrich, als er gefragt wurde, wie es denn bei den Unparteiischen in der Bundesliga zu den Bildungen der Schiedsrichtergespanne komme. Dass es zwischen ihm und seinem Assistenten Sascha Thielert passt, demonstrierten die beiden auf einem Lehrabend der Unparteiischen im Landkreis Harburg im Hittfelder Gasthaus Gambrinus.

„Wir kennen uns seit mehr als 20 Jahren und wir wollten immer schon ein Gespann bilden“, verriet Ittrich, dass der für den TSV Buchholz 08 pfeifende Thielert sein Wunschpartner gewesen sei. Jetzt hat es endlich geklappt. Ittrich, der im November 2011 als einer von drei Assistenten den früheren Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati nach dessen Selbstmordversuch im Hotel gefunden hatte, pfeift seit Januar 2016 in der höchsten deutschen Liga, Thielert assistiert ihm seit dieser Saison an der Seitenlinie. Dritter im Bunde ist der Hamburger Norbert Grudzinski. Patrick Ittrich, Polizist in Hamburg: „Endlich haben wir wieder ein rein Hamburger Gespann in der Bundesliga.“

Sascha Thielert aus Buchholz, von Beruf Kaufmann, hat schon häufiger für Aufsehen in der Bundesliga gesorgt. Zumeist mit positiven Schlagzeilen, etwa vorige Saison beim 4:5 zwischen RB Leipzig und dem FC Bayern, als er dem Unparteiischen und FIFA-Referee Tobias Stieler ein absichtliches Handspiel des Leipzigers Bernardo signalisierte, das außer ihm niemand gesehen hatte. Oder beim 1:0 von Dortmund gegen Leipzig, als er beim vermeintlichen Ausgleich der Gäste in der Nachspielzeit eine Abseitsstellung ausgemacht hatte und damit den Leipzigern der Last-Minute-Treffer und der Punktgewinn versagt wurde. Thielert ließ sich vom geballten Protest der Leipziger nicht beeindrucken und begegnete jeder Kritik an sich und seiner Entscheidung mit stoischer Ruhe. Die Bild-Zeitung titelte damals: „Der coolste Schiri der Liga.“ Seine Entscheidungen waren beide richtig, was später durch TV-Bilder bestätigt wurde.

Video-Schiedsrichter kann dem Platz-Schiedsrichter viel Druck nehmen

Der Video-Schiedsrichter war das Thema, über das Patrick Ittrich jetzt in Hittfeld referierte, und klarstellte, dass dieser kein Ober-Schiedsrichter ist, sondern von sich aus nur dann ins Geschehen eingreifen darf, wenn der Unparteiische auf dem Platz eine zu hundert Prozent falsche Entscheidung getroffen hat. Andererseits darf der Schiedsrichter auf dem Platz den Mann, der „in Köln in einem Keller“ sitzt, so Ittrich, jederzeit um Entscheidungshilfe bitten, etwa bei strittigen Abseitsentscheidungen. Ittrich: „Der Video-Schiedsrichter kann uns ganz viel Druck nehmen.“ Am kommenden Wochenende sitzt Ittrich selbst in dem besagten Keller in Köln.

Sascha Thielerts Thema vor den versammelten Fußballreferees aus dem Kreisverband Harburg waren die Feinheiten bei Abseitsentscheidungen. Anhand diverser Videoaufzeichnungen aus deutschen und internationalen Profiligen demonstrierte er richtige und falsche Entscheidungen, gab Auslegungshinweise und den einen oder anderen Tipp zum Stellungsspiel des Mannes an der Seitenlinie.

„Ja, ein Elfmeter wäre leichter zu verkaufen gewesen und ich hätte meine Ruhe gehabt“, räumte Ittrich ein, seine Entscheidung vom vergangenen Wochenende, als er nach dem Handspiel des Hannoveraners Sané auch nach Hinzuziehen des Videobeweises nicht auf Strafstoß für Schalke entschieden hatte, hätte auch anders ausfallen können. Aber nicht mehr, nachdem er den Videobeweis angefordert und der Videoassistent ihm die Entscheidung „Ecke“ empfohlen hatte. „So musste ich mich drei Tage lang rechtfertigen, habe fast nur mit dem Handy telefoniert.“ Anschaulich erzählte Ittrich auch von den Strapazen, die ein internationaler Einsatz für Spitzenschiedsrichter mit sich bringt.

Sascha Thielert leitete selbst Spiele bis zur 2. Bundesliga

Für den Lacher des Abends sorgte eine Frage aus dem Publikum an Sascha Thielert. „Bist du eigentlich ein schlechter Schiedsrichter?“, wollte ein Kollege wissen mit Hinweis darauf, dass der Buchholzer zwar an der Linie eine Karriere gemacht, es als Spielleiter aber nicht bis ganz nach oben geschafft habe. „Du warst ja auch schon als Spieler nicht besonders gut,“ schob der Fragesteller nach. Da musste selbst der Gefragte lachen. Und konterte augenzwinkernd mit viel Humor: „Das stimmt so nicht. Bendestorf wollte mich mal haben, das ist aber am Geld gescheitert.“

Dann erzählte Sascha Thielert, dass er mit 15 Jahren angefangen habe zu pfeifen, später dann drei Jahre in der 2. Bundesliga. 2006 wurde er Assistent von Peter Gagelmann in der 1. Bundesliga. Dadurch konnte er in der 2. Liga nur noch selten selbst Spiele leiten, und wenn, waren da auch Spiele dabei, die nicht so gut liefen. „Ich hatte keinen Flow mehr“, sagte er und habe sich deshalb auf die Rolle als Assistent spezialisiert. Es war wohl die richtige Entscheidung. „Ich habe zur Zeit die besten Assistenten, die ich je hatte“, war Patrick Ittrich voll des Lobes für Sascha Thielert und Norbert Grudzinski.