Jesteburg. Die kleine Gemeinschaft der Orientierungsläufer bereist die ganze Welt, und machte jetzt wieder Station beim SC Klecken.

Wem schon die sparsamen Hinweisschilder mit dem orangenen Dreieck merkwürdig vorkamen, der war erst recht verwundert, als er das Zentrum der Veranstaltung erreicht. Die idyllische Parkanlage vor der Waldklinik in Jesteburg. Voller Menschen. Fast alle in bester Laune, gesellig und vertraut miteinander. Frauen, Männer und Kinder. Jede Altersgruppe ist vertreten, die meisten scheinen sich über Jahre zu kennen. Man wäre nicht überrascht, wenn sie sich als Fans der Kelly-Family outen würden. Bei niedersächsischen Landesmeisterschaften mit internationaler Beteiligung ist man eine solch locker-heitere Atmosphäre nicht gewohnt.

Bei den Orientierungsläufern schon. Ihr Sport fällt ohnehin aus dem Rahmen. Wer kommt heutzutage noch auf die Idee, mit einer fotokopierten und von Hand nachgezeichneten Landkarte und einem Kompass den Weg durch Matsch und Dickicht in fremden Wäldern zu suchen? Dabei eine festgelegte Reihenfolge von Kontrollpunkten anzulaufen und am Ende am besten der Schnellste zu sein.

Beim Sommer-Orientierungslauf, zu dem die kleine Abteilung des SC Klecken eingeladen hatte, waren das fast 300 Kinder, Jugendliche, Eltern und Großeltern. Für jede Altersgruppe hatten die Organisatoren eigene Strecken ausgewählt und mit Kontrollpunkten versehen. Für die Teilnehmer aus Niedersachsen ging es auch um die Einzel-Landesmeisterschaft auf der Langdistanz. Die betrug 10,5 Kilometer für die Herren.

Allerdings ist bei der Suche und Wahl des schnellsten Weges quer durch die Natur die Streckenlänge nicht sonderlich entscheidend. „Auf der Karte kann der Läufer erkennen, ob ihm auf dem direktesten Weg ein Bach, ein See oder sumpfiges Gelände den Weg versperrt“, erläutert Uwe Dresel, der mit Ehefrau Barbara und den drei erwachsenen Söhnen die Keimzelle der 35 Mitglieder zählenden Sparte des SC Klecken bildet. Die Orientierungsläufer sind nicht nur die erfolgreichste Abteilung im Verein, sie haben Klecken auch in ganz Europa bekannt gemacht.

Hans-Christian Strib aus Dänemark absolviert bis zu 150 Starts pro Saison

Beim sportlichen Sommerfest rund um die Waldklinik in Jesteburg sind die Sportler des SC Klecken allerdings selten in Aktion zu erleben. „Von uns starten nur ganz wenige heute“, sagt Uwe Dresel, „in unserem Sport halten sich alles Ausrichter zurück. Es wäre nicht fair, weil unsere Aktiven das Gelände besser kennen als die auswärtigen Gäste.“ Für einen großgewachsenen, älteren Herrn, der mit seinen Freunden lacht und erzählt, trifft die Sache mit dem Vorteil durch Geländekenntnis nicht zu. Obwohl auch er Mitglied im SC Klecken ist.

Der Mann in der roten Trainingsjacke ist 68 Jahre alt, kennt als Lastwagenfahrer Kopenhagen in- und auswendig und lebt als Rentner im dänischen Odense. Hans-Christian Strib, prominentes Mitglied des SC Klecken, ist seit mehr als 50 Jahren Orientierungsläufer, bereist halb Europa und manchmal auch die Welt. „Über Schweden und Russland in die Türkei und zurück habe ich 5500 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt“, erzählt Kleckens dänischer Erfolgsläufer. „Natürlich bin ich in jedem Land gestartet. Bis zu 150 Starts mache ich in jeder Saison.“

Die Frage, was ihn in seinem Alter so antreibt und was ihm so viel Spaß macht, beantwortet sein Freund schneller. „Orientierungsläufe, das ist das Beste, was Hans kann“, ruft Kaj Ole Jensby und lacht. Er ist zwei Jahre älter und häufig gemeinsam mit Strib unterwegs. Warum aber ist diese Lauf-Spezialität in allen skandinavischen Ländern äußerst populär? „Weil Orientierungslauf der ideale Familiensport ist“, kommt die Antwort von beiden. „Das ist ein Herausforderung, die immer neu und überraschend, also nie langweilig ist. Du brauchst nicht nur die Beine, sondern noch mehr den Kopf. Alle sind draußen in der Natur, viele im Zelt und abends hockt man zusammen. Und fast überall in der Welt, wo du startest, wirst du von Bekannten begrüßt.“

Timo Kreyer und Lennart Gooß sind die einzigen Teilnehmer aus Klecken

„In der ganzen Welt gibt es die gleichen Zeichen, Markierungen und Bedingungen“, schaltet sich Rochus Tschirner, ein 61-jähriger Energie-Physiker aus der Nähe von Diepholz in das Gespräch ein. „Außer in Afrika bin ich schon auf allen Kontinenten gestartet. Der Orientierungslauf auf Neukaledonien, der französischen Inselgruppe im Pazifik, war mein exotischster Start. Ich freue mich aber auch jedes Jahr, wenn ich bei den Kleckenern Gast sein kann.“

Als einzige Talente des Gastgebers durften Timo Kreyer und Lennart Gooß in der Altersklasse bis 18 Jahre mitmachen. Die beiden 17-Jährigen treffen sich am Gymnasium Hittfeld häufiger in den gleichen Kursen und trainieren häufig zusammen. Was die Landesmeisterschaft betrifft, hatte Timo Kreyer in Jesteburg Pech. Er war der schnellste Deutsche und nur anderthalb Minuten – das ist im Orientierungslauf eine Kleinigkeit – langsamer als der Sieger Jeppe Jensen aus Aarhus. „Aber Timo darf sich nur Landesbester nennen“, erläuterte Uwe Dresel die Regeln, „den Meistertitel bekommt er nicht, weil weniger als vier Jungen aus Niedersachsen gestartet sind.“

Timos Freund Lennart Gooß wurde Vierter in der Gesamtwertung. Hans-Christian Strib, der Däne im Trikot des SC Klecken, belegte in der Altersklasse Herren 65 mit einer Zeit von 44:45 Minuten den dritten Platz. Sein Kumpel Kaj Ole Jensby ließ sich fast eine Stunde mehr Zeit (14. Platz).