Harburg. RC Süderelbe feiert sein Jubiläum – die Mitglieder lassen Erinnerungen an die wechselvolle Geschichte aufleben.
Viele der Gäste bei diesem stolzen Jubiläum waren zünftig angereist; in Ruderbooten von Alster und Bille quer über die Elbe zur Pionierinsel. Dort feierte der Ruder-Club Süderelbe von 1892 sein 125-jähriges Bestehen. Das Fest wurde zur feierlichen und fröhlichen Ruderparty – um so mehr, da es noch vor gar nicht langer Zeit sehr mühevoll zugegangen war.
Der Bootssteg vor dem modernen und schönen Klubhaus war verrottet. Kostenvoranschlag: 20.000 Euro. Im Grunde unbezahlbar für die rund 200 Mitglieder. Aber nun gibt es bei der in 125 Jahren bewährten Gemeinschaft ja das Werkstadt-Team. Rentner fast alle, die meist zweimal in der Woche kommen und für Ordnung und Reparaturen im und um das große Bootshaus sorgen. Aber es gibt nicht nur die treuen Rentner.
Es gibt inzwischen beim RC Süderelbe auch die etwa 60 Aktive starke Gemeinschaft, von denen die meisten auf der TUHH in Harburg studieren. Und die Jungen und die Alten haben gemeinsam angepackt, konstruiert und gehämmert und gezimmert. „Und am Ende hat uns der neue Anlegesteg nur ein paar hundert Euro gekostet“, kann Guido Schaudin, der Vorsitzende der 200 Rudermitglieder, mit Stolz in der Stimme vermelden.
Dieses „gemeinsam in einem Boot sitzen“ und das „zusammen anpacken“ ist also auch nach 125 Jahren noch frisch und jung geblieben. Es hat auch das Fest des Jubiläums im und um das Bootshaus auf der Pionierinsel geprägt und unvergessen gemacht. Die für Tische und Bänke leer geräumte Bootshalle war bis auf den letzten Platz besetzt. Die „Hedgehog – Stompers“, eine Skiffle-Band aus Buxtehude sorgte für Stimmung. Und zwischendrin war immer wieder zu hören „Mensch Paul (oder Egon), wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.“
Dabei geht das 125-jährige Jubiläum auf den Elbe-Ruder-club Salute zurück, zu dem sich junge Arbeiter und Handwerker am 17. Juli 1892 zusammen schlossen. Das mit den Arbeitern muss erwähnt werden, weil in den älteren und vor allem vornehmeren Klubs an der Alster niemand Mitglied werden durfte, der sein Brot mit seiner Hände Arbeit verdiente.
Zu dem ersten Ruderclub der Arbeiter-Sportbewegung auf der Harburger Elbseite kam 1894 der Ruder-Club Ruder Club Oceana und 1909 der Harburger Männer Ruder-Verein hinzu. Das diese vier Ursprungsvereine vor 24 Jahren ihren Zusammenschluss feierten, lag vor allem an erzwungenen Bedingungen. Sowohl der RC „Salute“ wie auch der RC Oceana verloren bei der verheerenden Sturmflut 1962 ihre Bootshäuser. Oceana fusionierte daraufhin mit dem RC Vorwärts und der RC Salute mit dem Männer Ruder-Verein.
Als Anfang der 90er-Jahre durch den Bau der S-Bahn nach Harburg auch der Harburger RC und der RC Oceana ihre Bootshäuser aufgeben mussten, finanzierte man ihnen nur ein gemeinsames Klub- und Bootshaus auf der Pionierinsel. Und die Mitglieder fanden im Ruder-Club Süderelbe von 1892 zusammen.
„Wir haben die Freude bei unseren Jubiläum Frauen und Männer zu ehren, die zusammen für 635 Jahre Mitgliedschaft bei den Harburger Ruderern repräsentieren“, verkündete Vereinschef Guido Schaudin. Mit 91 Jahren war Ernst Wolf der Älteste. „Als Lehrling habe ich mitten im Krieg 1941 bei Oceana mit dem Rudern begonnen“, erzählt der rüstige Senior und wird gleich von einigen umringt, von denen viele ein halbes Jahrhundert und länger gemeinsam in den Booten saßen.
„Mein Großvater hat hier schon gerudert“, erzählt Werner Oelenbüttel, 86 Jahre, und vielen alten Harburgern als Polizist in Erinnerung. „Als meine Großmutter, die aus Ostpreußen kam, von meinem Eintritt im Ruderklub hörte, rief sie entsetzt: „Erbarmung! Erbarmung. Noch so ein Ruderkraftprotz in der Familie.“
Zu den vielen Einern-, Zweiern-, Vierern und auch Achtern (mehr als 50 insgesamt), die heute das Bootshaus füllen, gehört ein ganz besonderer Boots-Typ – der Hochzeits-Einer. Und der hat seinen Namen zu Recht. „Natürlich haben wir uns hier beim Rudern kennen gelernt“, sagt Herta Awiszus und schaut zu ihrem Fritz herüber. Die beiden sind beim Gruppenbild der langjährigsten Vereinsmitglieder nicht das einzige langjährige Ehepaar.
„Mit meinem Mann rudere ich noch immer im Hochzeitseiner“, erzählt Christa Schaudin. „Das ist ein umgebauter Zweier, in dem einer rudert und einer steuert. Wir wechseln uns natürlich ab“, fügt die 79-jährige hinzu, die 58 000 Kilometer in ihrem Leben gerudert ist. Mit Ehemann Dieter trainiert sie auch noch regelmäßig Schulruderer eines Harburger Gymnasiums.
Das Guido Schaudin, der Sohn, den Ruder-Club seit neun Jahren führt, gehört auch zur Familientradition. Der Großvater war Vorsitzender von Oceana. Und auch das mit den Verliebten im Ruderboot hat die Jahrzehnte überdauert.
Bei Manfred Last, der seit acht Jahren das Leistungstraining leitet, meldete sich vor vier Jahren eine Studentin. Die brachte von der TUHH gleich 18 neue Ruderer mit. „Inzwischen sind es mehr als 60“, sagt Manfred Last, „und die bringen Schwung und frisches Leben in den Verein.“ Und Heide, die Initiatorin, die inzwischen ihren Dr. in Schiffsbau macht, wird am 29. Juli Frau Last. Die Hochzeit findet in der Flussschifferkirche statt. Wie viele Ruderer dabei Spalier stehen, bleibt geheim.