Harburg. Die 14 Jahre alte Karateka des Harburger TB hofft jetzt auf die rasche Einbürgerung, um zur WM fahren zu können.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis Reem Khanis ihren Erfolg begriffen hat. „Ich bin deutsche Meisterin“, sagte die 14 Jahre alte Schülerin des Friedrich-Ebert-Gymnasiums in Harburg, „aber so richtig freuen kann ich mich noch gar nicht, ich verstehe das nicht.“ Bei den nationalen Karate-Meisterschaften der Jugend, Junioren und U21 in Erfurt gewann die Karatekämpferin des Harburger TB den deutschen Meistertitel.

Bravourös hatte sich Reem Khanis bis ins Finale gekämpft und dort auch die Thüringer Lokalmatadorin Valerie Voß niedergekämpft. Selbst zwei Tage später beim ersten Training, als Trainer Ralf Becker seine fünf Teilnehmer von Erfurt mit Blumen und einem Einkaufsgutschein für das Phönix-Center belohnte, hatte das junge Mädchen den Titelgewinn noch nicht realisiert.

Die beiden Bundestrainer Klaus Bitsch und Thomas Nietschmann würden das Talent am liebsten im Sommer zur Weltmeisterschaft nach Teneriffa mitnehmen, wenn da nicht die Hürde mit der Einbürgerung wäre. Reem Khanis hat einen ägyptischen Pass, darf deshalb nicht für die deutsche Nationalmannschaft kämpfen. „Wir sind bemüht, Reem einen deutschen Pass zu besorgen“, sagt Ralf Becker.

Der Harburger TB hat die Einbürgerung in die Wege geleitet, auch der Deutsche Karateverband hat sich eingeschaltet, kämpft um eine der stärksten deutschen Nachwuchsathletinnen. „Reem ist ein Riesentalent, sie ist ehrgeizig und zuverlässig“, sagt der Trainer, „sie hat noch nicht einmal beim Training gefehlt und ist jetzt mit dem Titel belohnt worden.“

Dabei gehört sie erst seit drei Jahren zu den HTB-Karateka. In Ägypten hat Reem Khanis nur in der Kata-Form gekämpft. Erst beim HTB entdeckte die Gymnasiastin ihre Leidenschaft für das Kumite, dem direkten Zweikampf mit einem Gegner. Und auch die Sprache erlernte sie schnell. Als Reem nach Hamburg zu ihrem Vater kam, der einen deutschen Pass besitzt, konnte sie noch kein Wort Deutsch.

In Erfurt war Reem Khanis mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, das Finale der U16 (-54 kg) zu erreichen. Doch die 14-Jährige kämpfte bravourös, steigerte sich und landete einen deutlichen Finalsieg (4:0) gegen die Thüringer Valerie Voß, die ein „Heimspiel“ hatte und von mehreren hundert Fans angefeuert wurde. In der Vorrunde hatte die HTB-Athletin auch die an Nummer Eins und Drei gesetzten Konkurrentinnen ausgeschaltet.

Während Reem Khanis den deutschen Meistertitel gewann und für ungemeine Freude beim HTB sorgte, brach für Aleyna Gencer eine Welt zusammen. In der Klasse U21 (-50 kg) verlor die 17 Jahre alte HTB-Athletin das Halbfinale durch einen Kampfrichterentscheid nach einem 0:0-Unentschieden. „Das ist bitter“, fühlte Trainer Ralf Becker mit seinem Schützling mit, „dabei hat Aleyna ihre Gegnerin vorher bei Turnieren mehrfach besiegt.“

Die junge Athletin war bitterlich enttäuscht, vergoss Tränen. Der Druck, unbedingt gewinnen zu wollen, war wohl zu groß gewesen. Im Mannschaftswettbewerb zeigte die Schülerin des Friedrich-Ebert-Gymnasiums ihr anderes Gesicht, besiegte die Titelträgerin im Einzel deutlich.

Dennoch ist auch Platz drei bei den nationalen Jugendmeisterschaften ein Erfolg. Schon zu Beginn des Jahres hatte Aleyna Gencer die Bronzemedaille bei der DM für Erwachsene gewonnen.

Suhaib Fonda (männliche Jugend, -45 kg) erreichte in Erfurt Platz fünf. Souverän meisterte der 14-Jährige die Vorrunde und scheiterte erst am späteren deutschen Meister. In der Trostrunde er wieder an einer Kampfrichterentscheidung. Marlene Herzig und Niels Meinköhn schieden jeweils in der Vorrunde aus.

Karate ist nichts für Selbstdarsteller

Karate wird häufig gleichgesetzt mit Ziegel zerschlagen oder Steine zertrümmern. Dieses Vorurteil geht auf Schauvorführungen zurück, die nur auf Publikumswirksamkeit ausgerichtet sind. Tatsächlich ist Karate nichts für Selbstdarsteller und Sieg oder Niederlage sind anders als bei den meisten Sportarten nicht von großer Bedeutung. Die wichtigsten Voraussetzungen für das Erlernen dieser waffenlose Selbstverteidigung sind Selbstdisziplin, Verantwortungsbewusstsein und Körperbeherrschung. Karate stellt vielfältige Voraussetzungen an Körper und Geist. Der Karateka trainiert Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit.