Seminar und Vorführung von klappbaren Hindernissen im Gelände beim Stall Wesenberg in Neu Wulmstorf. Experten diskutieren und wollen alle Anstrengungen unternehmen, um schwere Stürze zu verhindern.

Neu Wulmstorf. Der mächtige, klobige Kasten aus blanken Holzstämmen hat eine weite Anfahrt hinter sich. Jochen Sommer brachte ihn mit dem Lkw von seinem Reiterhof bei Kassel nach Neu Wulmstorf mit. Jetzt steht der Parcours-Pionier vom Gut Waitzrodt an der Seite des mächtigen Tisches, wie dieses Hindernis im Gelände genannt wird. Um Jochen Sommer haben sich etwa 50 interessierte Spezialisten geschart. Männer überwiegend, die als Parcourschefs, als Richter oder Technische Delegierte bei Turnieren für die Vielseitigkeitsreiterei im Einsatz sind. Allesamt sind Teilnehmer eines Seminars für Turnierfachleute der Vielseitigkeit, das von Burkhard Beck-Broichsitter geleitet wurde.

„Der Reiter kommt von dieser Seite auf das Hindernis zu“, sagt Jochen Sommer und demonstriert, was passiert, wenn das Pferd mit den Vorderläufen am Tisch hängen bleibt. Dann klappt der obere Teil des Tisches herunter. „Das Hindernis ist jetzt 35 Zentimeter kleiner“, erläutert Jochen Sommer. „Pferde reagieren in so einer Situation ganz instinktiv“, wirf einer der Experten ein, „eventuell erschrecken sie noch mehr, wenn das Hindernis unter ihnen zusammen bricht.“ Andreas Dibowski, Olympiasieger aus Döhle, greift in die Diskussion ein: „So könnte aber verhindert werden, dass das Pferd hängen bleibt, sich überschlägt und im schlimmsten Fall den Reiter unter sich begräbt.“ Das Pferd bleibe in der Bewegung nach vorne, der Sturz werde abgemildert. Bei diesen Worten mag jeder in der Runde an die Geländeprüfung beim internationalen Vier-Sterne-Turnier in Luhmühlen im Juni zurückdenken. Dort hatte der talentierte Vielseitigkeitsreiter Benjamin Winter bei einem Sturz den Tod gefunden. Sein Pferd war an so einem Hindernis, einem mächtigen Tisch, hängen geblieben.

Genau das ist es, warum der praktische Teil des Seminars bei Andrea Hupfeld vom Stall Wesenberg in Neu Wulmstorf großen Anklang fand. Und warum es so gewissenhafte, aber auch gegensätzliche Diskussionen auslöste. Auf dem schon vor Jahrzehnten eingeschlagenen Weg, die Krone der Reiterei sicherer zu machen, wird jetzt Neuland erobert. Die Hindernisse werden nicht mehr fest bleiben. Sie sollen nachgeben, wegkippen oder zurückklappen. „Bei unseren Autos gibt es Knautschzonen“, sagte Jochen Sommer, „ähnliches wollen wir in die Hindernisse einbauen.“ Mit Unterstützung des Clubs Deutscher Vielseitigkeitsreiter verwendet er das schwedische System. Jochen Sommer baut die Hindernisse für sein eigenes Turnier selbst. Die Schweden haben dieses System gemeinsam mit dem Weltreiterverband entwickelt. In England wird ein Pin-System angewandt und weiter entwickelt. Teile der Hindernisse sind dabei mit Stäben verankert. Bei kräftigen Stößen und Schlägen brechen die Pins weg. Beim Unglücksturnier in Luhmühlen waren schon einige Hindernisse mit diesem System ausgerüstet. „Das werden wir sicher ausbauen“, sagt Julia Otto, Geschäftsführerin der Turniergesellschaft.

Der Anfang ist gemacht. Viele der Hindernisse werden nicht so starr und fest bleiben. Im Gespräch ist, die mächtigen, schweren Holzstämme, über die Reiter mit ihren Pferden hinwegfliegen müssen, durch Plastik oder Pappmaschee zu ersetzen. Wenn Hindernisse im Gelände kippen können, müssen sie leicht genug sein, sie innerhalb von Minuten wieder aufzubauen.

„Die Hindernisse im Gelände werden nicht mehr so starr bleiben und filigraner werden“, ist Jochen Sommer überzeugt. „Die Zukunft muss zeigen, was davon praktikabel und sinnvoll ist“, sagte Andreas Dibowski, „aber wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit unser Sport sicherer wird.“