Die Baseball-Asse Maik Ehmcke und Daniel Thieben sind in Amerika auf dem Sprung zu einer Karriere als Berufssportler. In den nächsten Tagen startet die Vorbereitung in der europäischen Talentschmiede in Regensburg.

Dohren. Es waren einmal zwei kleine Jungen in einem kleinen Dorf in Niedersachsen. Denen machte es großen Spaß, mit einem Knüppel nach allem zu schlagen, was durch die Luft geflogen kam, egal ob Bälle, Äpfel oder Kartoffeln. Nun gibt es in dem kleinen Dorf, das Dohren heißt, einen Sportverein, der ein Spiel anbietet. Sie nennen es Baseball. Und die, die es üben und praktizieren, nennen sich die Wild Farmers. Die beiden Freunde waren bald jeden Tag auf dem Sportplatz anzutreffen. Meistens war es Daniel, der die kleinen, harten Bälle warf und Maik derjenige, der sie mit seinem dicken Holzschläger möglichst hoch in die Luft und weit weg schlug. Die Jungen waren so gut in ihrem Sport, dass finanzkräftige Amerikaner sie mit Profiverträgen über den großen Teich lockten. Und wenn Daniel und Maik das erste Mal unter dem Jubel von 50.000 und mehr Menschen werfen und schlagen, sitzen die Einwohner Dohrens in der Arena und jubeln.

Doch das ist alles noch ein Traum. Die jungen Männer, die auf dem Parkplatz vor dem Vereinshaus des SV Dohren aus einem alten Golf steigen, haben so gar nichts Verträumtes an sich. Es sind schlanke, durchtrainierte Burschen mit Kappen auf den Köpfen, sie tragen Clubjacken und flatternde Trainingshosen. Typische amerikanische College-Boys. Daniel Thieben ist 1,94 Meter groß und 21 Jahre alt. „Vor gut einem Jahr habe ich bei den Seattle Mariners einen Sieben-Jahres-Vertrag unterschrieben“, erzählt der junge Mann, der in seinem Sport ein Pitcher, also ein reiner Werfer, ist. „Unser Trainingscamp befindet sich in einem Ort mit etwa 10.000 Einwohnern in einem ländlichen Gebiet. Die Unterschiede zu Dohren sind gar nicht so erheblich.“ In der vergangenen Saison hat Thieben im Hotel gewohnt, sich ein Zimmer mit einem anderen Nachwuchstalent geteilt, das ebenfalls Daniel heißt.

Sein Freund Maik Ehmcke, bei dem Daniel als Schüler gern Matheaufgaben abgeschrieben hat, ist bei den Arizona Diamondbacks unter Vertrag und spielt in Missoula, Montana. Missoula ist eine 90.000 Einwohner zählende Universitätsstadt. „Wir wohnen nur eine Autostunde voneinander entfernt“, erzählt der 20-Jährige, der vor zwei Jahren bereits ein College in den USA besuchte. Dort hat er auch seinen Führerschein gemacht, für zehn Dollar. „Und ich musste hier in Deutschland 2000 Euro hinblättern“, schüttelt Daniel den Kopf über soviel Ungerechtigkeit.

Die Dohrener sind zwei von nur sieben deutschen Baseball-Profis in Amerika

Wer die Begabungen und sportlichen Hoffnungen der beiden Freunde aus der 1000-Seelen-Gemeinschaft Dohren richtig einordnen will, muss sich einen Überblick über Organisation und Aufbau des amerikanischen Profisports verschaffen. Jedes der rund 30 Baseballteams in der Major League, die der Ersten Bundesliga entspricht, hat rund 180 Nachwuchstalente unter Vertrag. Die spielen allesamt in der Minor League, die wiederum in sechs Leistungsstufen unterteilt ist. In der Saison, die von Anfang April bis Ende September dauert, erhält jeder Nachwuchsspieler ein monatliches Grundgehalt von 1200 Dollar. „Wir machen in dieser Zeit 162 Spiele“, erzählt Daniel Thieben, „sind also täglich im Einsatz, oft vor ein paar tausend Zuschauern.“ „Unsere längste Bustour zu einem Ligaspiel dauerte 15 Stunden“, fügt Maik Ehmcke hinzu, der als Outfielder für das Abfangen der hohen Bälle zuständig ist und der sich vor allem als Schlagmann profilieren muss. „In Amerika bestimmt der Sport unser ganzes Leben.“

Zu Hause in Dohren sind die beiden nur im Oktober. Und jobben bei der Post. „Im November geht es nach Regensburg“, schildert der Pitcher, der die Bälle mit bis zu 150 km/h schleudern kann, die verschlungenen Wege eines aufstrebenden Profis in den USA. „Dort wurde Europas Talentschmiede mit Unterstützung aus Amerika aufgebaut. Oliver, mein 17-jähriger Bruder, besucht dort auch das Baseball-Internat.“

Neben Daniel Thieben und Maik Ehmcke stehen fünf weitere Mitglieder des deutschen Nationalteams in den USA unter Vertrag. Sie alle bereiten sich den Winter über in Regensburg auf den nächsten Karrieresprung vor. „Im März kommen alle Aktiven der Minor League zusammen“, erzählt Schlagmann Maik. „Wir bestreiten jeden Tag ein Spiel und die Trainer und Manager der Klubs stehen am Rande und treffen ihre Auswahl.“ Für die Freunde aus Dohren geht es darum, in den Nachwuchskadern ihrer Klubs eine Leistungsklasse aufzusteigen. Beide wollen in die dritte, mittlere Aufbauebene. Das würde das Monatssalär um 200 bis 300 Dollar erhöhen. „Aber das Geld spielt noch keine Rolle“, sagen beide wie aus einem Munde. „Zuerst geht es um die Chance, weiter den ganzen Tag das tun zu können, was wir am meisten lieben“, sagt Daniel Thieben. „Wir gehören bereits zu den sieben Deutschen, die die Amerikaner für so begabt und ehrgeizig halten, dass sie ihnen einen Vertrag gegeben haben“, ergänzt Maik Ehmcke. „Natürlich tun wir alles, um jetzt auch ganz nach oben zu kommen.“

Sein personifiziertes sportliches Ziel läuft Daniel fast täglich über den Weg. „In unserem Trainingsquartier begegne ich immer wieder Robinson Cano. Der hat für einen Zehn-Jahres-Vertrag 250 Millionen Dollar kassiert. Wenn du das vor Augen hast, brauchst du keine weitere Motivation.“