Die fünffachen Weltmeister vom Grün-Gold-Club Bremen begeistern mehr als 1000 Zuschauer beim Bundesligaturnier in Buchholz. Gastgeber verbessert sich auf Platz sechs, der Abstieg ist aber so gut wie besiegelt.

Buchholz. Die Uhr in der proppevollen Nordheidehalle rückt auf 22.20 Uhr vor. Drei Stunden ist es her, das Steffen Fitzpatrick, der Turnierleiter mit dem glatt rasierten Schädel in den Mittelpunkt trat und die Aufforderung in sein Mikrofon jubelte: „Let’s dance!“ Und ganz Buchholz schien zu pfeiffen und zu jubeln und sich auf die Wettbewerb der acht besten Lateinformationen Deutschlands zu freuen – das große und vorerst einmalige Gastspiel der Ersten Bundesliga. In Deutschland heißt das seit Jahrzehnten auch, dass die Weltklasse dabei ist. Sieben der acht Spitzenformationen hatten in der Vorrunde und danach im kleinen und großen Finale bereits zweimal die Halle begeistert. Als letzte marschierte noch einmal die Formationsgemeinschaft aus Velbert und Krefeld ein.

Ein freundlicher Empfang, aber der Applaus klingt bereits etwas ermüdet. Die ersten Schritte, die ersten Bilder – als letzte antreten zu müssen, scheint nicht die dankbarste Aufgabe zu sein. Aber die temperamentvolle lebensfrohe Musik, die Paare, die wirbelnd zueinander finden, sich kosend und werbend umschließen, wieder voneinander weg schwirren. Die ersten Zuschauer beginnen den Takt mitzuklatschen. Der Beifall wird lauter, mitreißender. Die Männer halten mit erhobenem Arm ihre Partnerinnen an einer Hand. Die Damen drehen sich auf einem Bein stehend, so wirbelnd schnell, dass sich ihre Röckchen wie ein Rad drehen. „Und zählen sie mit“, flüstert Carsten Dethlefs, der mit seiner Frau zu der Harburger Lateinformation gehörte, die bei der ersten Weltmeisterschaft vor 40 Jahren Silber gewann. „Die Tänzerinnen machen das 20 Mal hintereinander. Das ist Spitze, das ist Weltklasse.“

Mitgezählt haben wird wohl kein anderer Besucher. Aber ihr Applaus, ihr Johlen und Trampeln zeigt: auch der allerletzte Tanz dieses Bundesliga-Gastspiels in Buchholz reißt die Zuschauer noch einmal mit. Dabei ist es für den Betrachter fast unmöglich, das Tanzerlebnis mit Worten einzufangen. Was vor allem in Erinnerung bleibt, sind die Bilder von stolzen, selbstbewussten jungen Männern. Die schönen, sportlichen Frauen in knappen, farbenfrohen Kleidchen, geschmückt mit viel Strass und Glitzer. Das ist die Erotik und das Temperament und die Leidenschaft, die mit jedem der Tänze aufs Neue entzündet wird. Und die begeistert und stimmt einfach nur fröhlich. Unter den mehr als 1000 Besuchern (für 1000 weitere waren keine Plätze mehr in der Halle) war kaum ein Gesicht zu entdecken, das nicht lächelte und Gelöstheit und Heiterkeit ausstrahlte.

Und nicht nur die kleinen Turnmädchen vom TSV Buchholz 08, die wie die Band „Katharina und Basti“ in den Pausen ihre Auftritte hatten – selbst die beiden Jungen, die das Parkett fegten, wurden großzügig mit Applaus belohnt. Die wundervolle Stimmung lässt sich mit einer kleinen Szene am Rande einfangen. Es war beim großen Finale. Das bestreiten die fünf Formationen, die von den sieben Wertungsrichtern in der Vorrunde dafür auserkoren werden. Die drei anderen hatten das kleine Finale bereits beendet. In dem war die A-Lateinformationen des Tanzsportkreises (TSK) im TSV Buchholz 08 frenetisch als Sieger, und damit als Sechster in der Gesamtwertung, gefeiert worden.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit aber steht das A-Team vom Grün-Gold-Club Bremen. Diese acht Damen und acht Herren sind die besten und genialsten Tänzer im Formationssport. Während die fünffachen Weltmeister die Halle mitreißen, steht auch Jasmin Detlefs, eine der Buchholzer Tänzerinnen, am Rande. Sie hat alles um sich vergessen. Ihre Augen verfolgen die Stars, ihr Gesicht lächelt, wirkt angespannt, dann gelöst. Ihre Beine tanzen mit, die Hüften bewegen sich im Rhythmus der Musik. Dann bricht auch sie in Jubel aus. Wo sonst gibt es eine Sportart, bei der die Besiegten sich so mit den Siegern freuen.

Über die Reihenfolge bei diesem vierten von insgesamt fünf Bundesliga-Turnieren hat es zumindest in der Spitzengruppe keinerlei Überraschungen gegeben. Die Weltmeister aus Bremen wurden von den Wertungsrichtern mit sieben Mal der Note eins gewürdigt. Die FG Aachen/Düsseldorf wurde genau so eindeutig auf Platz zwei und Velbert/Krefeld auf Platz drei gewertet. Das zweite Team aus Bremen wurde Vierter und Bochum Fünfter.

Den Beifalls-Hurrikan aber zündete, fast möchte man sagen natürlich, die Buchholzer Formation. Das erste Mal in ihrer ersten Bundesliga-Saison gewann sie das kleine Finale vor Neuss und Dorsten. „Dieser Erfolg ist ungeheuer wichtig“, bekannte Trainerin Franziska Becker mit einem glücklichen Lächeln. „Den Abstieg können wir zwar nicht mehr verhindern. Aber der Erfolg heute macht uns selbstbewusst. Wir werden in die 1. Bundesliga zurückkommen.“