Der Todtglüsinger SV gewinnt zum zweiten Mal nach 2007 den großen Stern des Sports in Silber und fährt zum Bundesentscheid nach Berlin. 2500 Euro Preisgeld von der Volksbank Lüneburger Heide.

Todtglüsingen. An einem kühlen Januarabend im Jahre 2008 saß Renate Preuß auf dem heimischen Sofa und wollte gegen Ende der ARD-Tagesschau ihren Augen nicht trauen. „Das ist doch Eike Holtzhauer“, entfuhr es ihr spontan, als sie einen Beitrag aus Berlin mit dem zweiten Vorsitzenden ihres Vereins, dem Todtglüsinger SV, an der Seite von Bundespräsident Horst Köhler betrachtete. Der seinerzeit schon größte Sportverein im Landkreis Harburg, der bis heute auf 7300 Mitglieder angewachsen ist, wurde bei der Bundessiegerehrung des Vereinswettbewerbs „Sterne des Sports“ für sein gesellschaftliches Engagement geehrt. Dritter Platz in Deutschland, das war und ist ein riesiger Erfolg.

Renate Preuß war damals normales Vereinsmitglied. Ein Jahr später überzeugte sie jener Eike Holtzhauer in seiner unnachahmlichen Art, sich als Sozialwartin im Vorstand zu engagieren. Im März 2013 ist die sympathischen Notarangestellte sogar zur ersten Vorsitzenden aufgestiegen. In dieser Funktion hat sie den ganz großen Auftritt vor sich, könnte in etwa einem Monat in die Fußstapfen von Holtzhauer treten. Vom Sofa auf die Mattscheibe – das wäre ein passender Titel für die Erfolgsgeschichte der Renate Preuß.

Denn damals wie heute hatte der Todtglüsinger SV den großen Stern des Sports in Silber gewonnen. Mit dieser Auszeichnung würdigen die Volks- und Raiffeisenbanken und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) das von einer Jury als am wertvollsten erachtete Projekt in Niedersachsen. 101 Vereine hatten sich mit unterschiedlichsten Projekten aus den Bereichen Integration, Gewaltprävention, Umweltschutz oder Gleichstellung beworben. „Beim Sieger waren wir uns relativ einig“, verriet Jurymitglied und ffn-Moderator Peter-Michael Zernechel beim offiziellen Festakt im Expowal in Hannover.

„Wer kümmert sich um die Ausrutscher? Betreuung von Jugendlichen im Freizeitarrest und bei Ableistung von Sozialstunden.“ Mit diesem Integrationsprojekt überzeugte der Todtglüsinger SV nicht nur die Jury, zu der Olympiaruderer Tobias Kühne und Hockey-Nationalspielerin Anke Kühne gehörten, sondern beeindruckte auch Innenminister Boris Pistorius, der den großen Stern des Sports in Silber, Urkunde und das Preisgeld von 2500 Euro überreichte. Damit verbunden ist die Fahrkarte nach Berlin, wo am 13. Januar 2014 aus den Siegerprojekten der 16 Bundesländer der Deutschlandsieger gekürt wird. Als Laudatorin hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt.

„Wenn der Todtglüsinger SV nicht wäre, wäre ich schon längst in Haft oder Jugendhaft“, sagt ein Jugendlicher

Die Resozialisierung von straffällig gewordenen Jugendlichen steht im Mittelpunkt des ausgezeichneten Projekts, das 2006 in Kooperation mit der Jugendgerichtshilfe seinen Anfang nahm. Seitdem haben etwa 200 Jugendliche ihre vom Gericht auferlegten Sozialstunden im Verein abgeleistet oder haben ihren Freizeitarrest mit Arbeitseinsätzen am Baggersee und Fitnesstraining in der vereinseigenen Halle sinnvoller als in der Arrestzelle verbracht. Die Jugendlichen werden so in ein neues soziales Umfeld eingebunden. Den Fokus legt der Verein stets auf die Arbeit für die Gemeinschaft.

Das größte Lob für die Maßnahme kommt von zwei betroffenen Jugendlichen, die in einem Fernsehbeitrag für Sat1 ihre Eindrücke schilderten. „Wir sind vom Verein mit offenen Armen empfangen worden. Unsere Ansprechpartner wären die letzten Leute, die ‚Nein‘ sagen würden, wenn wir mit einem Problem an sie herantreten“, hieß es. Und schließlich: „Wenn der Todtglüsinger SV nicht wäre, wäre ich schon längst in Haft oder Jugendhaft.“

Der Ehrenvorsitzende Karl-Heinz Schröder, die Vorsitzende Renate Preuß und Stellvertreter Eike Holtzhauer nahmen den Preis unter lang anhaltendem Beifall der fünf weiteren Projektvertreter, die sich als Regionalsieger für Hannover qualifiziert hatten, entgegen. „Wir sind eher ruhige Leute“, entschuldigte sich Holtzhauer fast etwas für den ausbleibenden Überschwang, „wir werden jetzt keine Exzesse feiern. Wir freuen uns lieber dauerhaft.“

Vielleicht wird in einem Monat in Berlin doch etwas kräftiger gejubelt, wenn die sympathischen Vorstandsmitglieder neben der Bundeskanzlerin wieder in der Tagesschau zu sehen sein sollten.