Kutschenfahrer bieten bei der deutschen Meisterschaft der Einspänner in Luhmühlen mitreißenden und spannenden Sport. Matthias Weiß vom RFV Estetal siegt parallel bei der Landesmeisterschaft der Zweispänner.
Luhmühlen. Wenn es in Luhmühlen um nationale und internationale Meisterehren geht, stehen seit Jahrzehnten die Vielseitigkeitsreiter im Mittelpunkt. Beim Herzstück des Dreikampfs, dem Geländeritt, sind es vor allem die Teich-Hindernisse, um die sich die meisten Zuschauer drängeln, weil dort das spektakulärste Schauspiel geboten wird. Was die Kutschenfahrer allerdings im Wasser bieten, ist oft noch mitreißender und spannender.
In einem kleinen Waldstück liegt das tiefe, graubraune Wasser, das in der Vielseitigkeit als DHL-Komplex bekannt ist. Für die Kutschenfahrer wurden dicke Pfähle ins Wasser gerammt. Um die Pfähle liegen dicke Betonringe, um die die Fahrer ihre Pferde und Kutschen winden müssen. Bei diesem Fahrturnier, das nach vielen Jahren Unterbrechung erstmals wieder auf dem Turnierplatz und im Gelände organisiert wurde, ging es für die Zweispänner um die Landes- und für die Einspänner sogar um die deutsche Meisterschaft.
Philipp Faißt verweist Titelverteidiger Detlef Böhlmann auf den zweiten Platz
Vom Aufwärmplatz rollt mit der Nummer 20 eine Kutsche heran. Noch lässt der junge Mann am Zügel sein Pferd locker traben. Dann, auf dem kurzen, abfallenden Weg ins Hindernis schreit er los: „Komm! Komm!“ Sein Beifahrer klopft mit der flachen Hand auf den Stahl. Das Pferd schnaubt und jagt los. Wasser spritzt hoch. „Rechts, rechts, rechts“, schreit der Beifahrer. Die Kutsche rollt durchs erste Tor, schrammt an den Betonringen vorbei. Schreien und wildes Getöse. Insgesamt sechs Tore werden durchfahren, dann, im gestreckten Galopp wieder aus dem Wasser heraus. Die Zuschauer klatschen und rufen, um das Pferd anzuspornen und noch ein, zwei Sekunden gut zu machen. Es ist Philipp Faißt mit seinem Pferd Ann in Time, der dieses Höllenspektakel mit Bravour meistert.
Als Letzte rollten Detlef Böhlmann und Beifahrer Torsten Kronschewski auf das dunkle Wasserloch zu. Der Spitzenfahrer vom RFV Estetal ist nicht nur Mannschafts-Weltmeister und DM-Titelverteidiger. Er hat mit seinem eigenwilligen Diaz auch tags zuvor die Dressur dominiert. Als aber der 13-jährige Wallach ins tiefe Wasser prescht, spüren auch die Zuschauer, wie das Pferd stockt und sich umschaut. Böhlmann treibt ihn an, fährt, wie es sein Stil ist, die Kurven flüssiger, nicht so brutal eng wie viele Konkurrenten. Aber es gibt diesen Augenblick, da bleibt Diaz fast stehen. Der Kutscher und sein Beifahrer haben Mühe, ihn wieder in Schwung zu bringen. Die Experten schütteln zweifelnd die Köpfe, als der Titelverteidiger dem nächsten Hindernis zurollt. Und behalten am Ende Recht.
Als der Feuerwehrmann aus Otter auch beim abschließenden Kegelfahren einen Ball rollen lässt und eine Zeitstrafe kassiert, ist der deutsche Meistertitel passé. „Wo genau haben sie die Krone liegen lassen?“, wollen wir vom Vizemeister wissen. Und bekommen eine typische Böhlmann-Antwort: „Verloren nicht, der Titel ist ja noch da. Nur hat ihn jetzt Philipp Faißt, ein jüngerer, ein sehr ehrgeiziger und toller Fahrer. Aber vielleicht“, fügt Böhlmann an und zeigt sein verschmitztes Lächeln, „habe ich ihm den Titel auch nur ausgeliehen. Die Vorentscheidung“, bestätigt der Geschlagene, „ist im ersten Wasserhindernis gefallen. Da allein habe ich sieben Sekunden verloren“. Im Gelände war Böhlmann nur Zwölfter geworden.
Die Kutscher mit einem Pferd mussten ohnehin viel Geduld zeigen. Vorher, bei den Zweispännern im Gelände, hatte es einen schweren Unfall gegeben. Und zwar an einem Hindernis, das aus gewaltigen Betonquadern aufgebaut war. Darüber hatte es viele Diskussionen gegeben. „Der norwegische Fahrer, der verunglückte, war schon aus dem Hindernis raus“, berichtet Carsten Eichert, Organisator der Luhmühlener Zugpferd-Veranstaltung. „Als er draußen noch einmal Gas geben wollte, ist ihm der Schwengel gebrochen, an dem die Zugketten des Pferdes eingehängt sind. Das Pferd hat ausgeschlagen und dem Fahrer den Oberschenkel gebrochen. Im Krankenhaus Salzhausen ist er operiert worden und wird wohl diese Woche nach Hause gebracht.“
Nach dem Unfall sperrten der Chefrichter und Technische Delegierte das Betonhindernis. „Man musste es sehr rational und nicht draufgängerisch fahren“, erläutert Matthias Weiß, der Routinier vom RFV Estetal mit Ortwind und Westpona vor der Kutsche. „Es war ein sehr anspruchsvolles Hindernis.“ Weiß, bei dem Torsten Kronschewski ebenfalls als Beifahrer im Einsatz war, wurde erstmals Landesmeister. Die Bronzemedaille ging an Claus Quast, ebenfalls Estetal. Auch 13 behinderte Fahrer begaben sich mit ihren Einspännern auf Titeljagd. Den nationalen Titel gewann Alexandra Röder vor Markus Beerhues und Heiner Lehrter.