Die deutschen Vielseitigkeitsreiter holen sich in der Lüneburger Heide den Feinschliff für die Europameisterschaften in Schweden. Gold, Silber und Bronze werden von Donnerstag an vergeben.

Luhmühlen. Fünf Tage lang hatten die Vielseitigkeits-Bundestrainer Hans Melzer und Chris Bartle die deutsche Equipe im Leistungszentrum Luhmühlen zusammen gezogen, um den letzten Feinschliff für die Europameisterschaften im schwedischen Malmö zu erarbeiten. Vom kommenden Donnerstag bis zum Sonntag kämpfen Ingrid Klimke und FRH Escada, Andreas Dibowski und FRH Butts Avedon, Dirk Schrade und Hop and Skip, Benjamin Winter und Ispo, Peter Thomsen und Horseware's Barny sowie Michael Jung und Halunke FBW um die EM-Krone in der Vielseitigkeit. Die deutschen Reiter wollen ihre Titel im Einzel und der Mannschaft verteidigen. Vor der Abreise sprach das Hamburger Abendblatt mit Erfolgstrainer Hans Melzer aus Putensen.

Hamburger Abendblatt: Die wievielte Europameisterschaft ist das für Sie?

Hans Melzer: Da muss ich rechnen. Als Bundestrainer die elfte für mich und Chris Bartle, als Reiter bin ich 1975 und 1977 dabei gewesen.

Ist Routine nicht der größte Feind des Erfolgs?

Melzer: Nein, ganz im Gegenteil. Die ganzen Abläufe geht man ruhiger an, die Spannung und Motivation muss sich ein Sportler ohnehin vor jeder Herausforderung immer wieder neu aufbauen. Wir Vielseitigkeitsreiter starten seit zwölf Jahren beim Turnier in Malmö. Auch wenn die Geländestrecke für die EM neu angelegt wurde, Umgebung und Landschaft sind geblieben. Und das ist uns vertraut.

Macht sich ein Bundestrainer mehr Sorge um die Pferde oder um die Reiter?

Melzer: Um die Pferde. Das hat den einfachen Grund, wenn ein Reiter beispielsweise eine Entzündung in der Hand hat, meldet er sich früh genug, um das schnell zu kurieren. Bei Pferden spüren wir Erkrankungen erst, wenn sie schon schmerzen oder das Tier nichts mehr frisst. Deshalb lässt jeder Reiter sein Spitzenpferd meist einmal in der Woche vom Tierarzt kontrollieren.

Haben Sie als Bundestrainer der Vielseitigkeit das Glück, dass es im Team so gut wie keine Querelen und Neidereien gibt?

Melzer: Als Chris Bartel und ich 2001 die Verantwortung übernahmen, gab es schon Cliquenwirtschaft. In zwölf Jahren hat sich ein toller Teamgeist entwickelt. Natürlich auch, weil die großen Erfolge da sind. Peter Thomsen hat einmal gesagt, es sei schwerer, sich für das deutsche Team zu qualifizieren, als hinterher eine Medaille zu gewinnen.

Dabei muss Deutschland in Schweden alle Medaillen verteidigen, die es bei einer EM zu gewinnen gibt. Bei der letzten in Luhmühlen haben Ihre Reiter nicht nur das Gold mit der Mannschaft, sondern im Einzel der Konkurrenz gleich die Plätze eins bis vier weggeschnappt. Bei Olympia 2012 ließen Sie auch nur der Schwedin Sara Algotsson-Ostholt Silber übrig.

Melzer: Bei der EM in Luhmühlen, das wollen wir nicht unterschlagen, durften wir mit zwölf statt mit sechs Reitern starten. Diesen Vorteil hat jetzt Schweden. Die Karten werden neu gemischt. Von der letzten EM und auch von Olympia ist kein Pferd mehr dabei. Andererseits haben wir mit Halunke von Michael Jung, Ispo von Benjamin Winter und Escada von Ingrid Klimke drei junge, neunjährige Pferde im Wettbewerb.

War Escada nicht sozusagen einmal eine Nachbarin von Ihnen?

Melzer: Ja, die Stute ist in Visselhövede zur Welt gekommen. Ihr Züchter Jürgen Stuthmann lässt es sich nicht nehmen, in Malmö dabei zu sein.

Obwohl die meisten Ihrer Reiter seit Jahren zur Weltspitze gehören, wurden sie auf den Umgang mit den Medien vorbereitet. Ist das auch eine Lehre aus der zum Teil harten Kritik, die es nach dem tödlichen Sturz eines Pferdes in Luhmühlen in der Vielseitigkeit gab?

Melzer: Sicher, wie Reiter und alle Beteiligten ein solches Unglück in der Öffentlichkeit darstellen und erläutern, darauf müssen wir uns vorbereiten. Diese Medienschulung wird regelmäßig vom Deutschen Olympischen Sportbund abgehalten.

Muss die Vielseitigkeit noch immer gegen alte Vorurteile ankämpfen?

Melzer: Das kommt wohl immer wieder hoch. Dabei ist bei uns in den letzten Jahren am meisten passiert und verbessert worden, um Unfälle zu vermeiden. Aber ganz lässt sich das, wie auch beim Autofahren, nie vermeiden.

Mit welcher Summe wird ein EM-Titel vom DOSB honoriert?

Melzer: Das weiß ich nicht einmal genau. Für einen Olympiasieg gibt es 15.000 Euro für die Reiter. Die EM-Prämie ist natürlich geringer.

Gilt das auch für die Bundestrainer?

Melzer: Nein, die Trainer bekommen die Ehre.

An der Basis, in den Vereinen, ist Reiten immer stärker zu einem reinen Frauensport geworden. Wird es auch in der Vielseitigkeit einmal ein Nationalteam nur mit Reiterinnen geben?

Melzer: Bei der letzten Weltmeisterschaft der Jungen Reiter sind sechs junge Damen für Deutschland geritten. Auch die haben Gold im Einzel und in der Mannschaft gewonnen.

Sind Sie abergläubisch?

Melzer: Ein bisschen schon. Wenn es bei der Dressur gut läuft, wechsle ich bis zum abschließenden Springen nicht mehr die Hose. Das ganze Team trägt auch Sachen in Schwarz-Rot-Gold, die wir uns bei der Fußball-WM 2006 besorgt haben. Selbst die Stühle, auf denen wir sitzen, sind in Nationalfarben.