Nach zwei Tagen Funkstille haben Joachim Löw und Michael Ballack erstmals wieder zueinandergefunden und bei ihrer Kontaktaufnahme die vom Bundestrainer geforderte Aussprache in Deutschland verabredet - aber Chelsea-Trainer Luiz Felipe Scolari untersagt Ballack die Reise.

Auch wenn Zeitpunkt und Ort des geplanten Treffens geheim gehalten wurden, soll es schnell zum Krisengespräch kommen. Der Ausgang des von Ballack angezettelten Machtkampfes auf höchster Nationalmannschafts-Ebene bleibt bis dahin offen und lässt Raum für Spekulationen über mögliche Konsequenzen für den Kapitän.

"Da ist momentan jede Richtung möglich", sagte Bundestorwart- Trainer Andreas Köpke der "Leipziger Volkszeitung" (Samstag-Ausgabe) zum Ausgang der Geschichte. Ein Rauswurf wie beim Schalker Kevin Kuranyi wird als mögliche Sanktion von der sportlichen Leitung um Löw wohl nicht erwogen, wie Köpke andeutete: "Wenn wir bei der WM 2010 Weltmeister werden wollen, brauchen wir einen Ballack in Topform."

Löw hatte nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Donnerstagmittag einen ersten Kontakt mit Ballack aufgenommen, am Abend habe sich der verletzte Mittelfeldspieler des FC Chelsea dann beim Bundestrainer gemeldet. "Es wurde vereinbart, sich so schnell wie möglich zu treffen und ein Vier-Augen-Gespräch zu führen", berichtete DFB-Mediendirektor Harald Stenger am Freitag.

Ein kurzfristiges Treffen auf deutschem Boden könnte nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" am Veto von Ballacks Arbeitgeber FC Chelsea scheitern. Trainer Luiz Felipe Scolari untersagt dem derzeit verletzten Mittelfeldspieler eine Reise. "Er ist ein Spieler von Chelsea. Falls Joachim Löw mit ihm sprechen will, lade ich den Nationaltrainer ein, zu uns zu kommen, ein, zwei Tage mit uns zu verbringen und mit ihm zu sprechen", sagte der Brasilianer der "SZ" zufolge am Freitag in London. "Ballack kann jetzt nicht nach Deutschland reisen. Er erholt sich von einer Operation und wird von den Ärzten behandelt", begründete Scolari das Reise-Verbot.

Nach Ballacks heftiger Kritik an Löws Kurs sowie den jüngsten Personalentscheidungen des Bundestrainers wird das Gespräch weisen müssen, ob und wie das gestörte Verhältnis zwischen ihnen repariert und der erfolgreich eingeschlagene Weg Richtung Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika fortgeführt werden kann. "Das hängt natürlich auch in starkem Maße von diesem Gespräch ab", hatte Löw betont, als er Ballack zum Rapport einbestellte.

Es dürfte viel diplomatisches Geschick notwendig sein, wenn eine tragfähige gemeinsame Zukunft verabredet werden soll - mit einem starken und in seiner Autorität unbeschädigten Bundestrainer und einem sportlich weiterhin wertvollen "Leitwolf" Ballack. Deutlich Position bezog am Freitag Jürgen Klinsmann, der Ballack 2004 nach seinem Amtsantritt als Bundestrainer zum Kapitän befördert hatte. "Die Situation ist recht einfach: Für diese Aussagen hat er sich beim Trainer und den Teamkollegen zu entschuldigen", befand Klinsmann, der davon ausgeht, "dass Michael den Fehler einsieht und eingesteht".

Klinsmann vertraut darauf, dass sein einstiger Assistent Löw das brisante Problem mit angemessenen Maßnahmen aus der Welt schafft: "So wie ich Jogi kenne, wird er das gemeinsam mit Michael optimal lösen."

Nationalspieler Bastian Schweinsteiger forderte, "das Thema so schnell wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen". Ihn interessiere einzig und allein, dass die Angelegenheit bis zum Länderspiel am 19. November in Berlin gegen England "geklärt" sei.

Nach der fast einhelligen Kritik an Ballacks Vorgehensweise und der Zurückweisung der Kritik an Löws Arbeit streicht die deutsche Fußball-Prominenz unterdessen den sportlichen Wert des 89-maligen Nationalspielers heraus. "Ich hoffe nicht, dass es zum totalen Bruch kommt. Eine Nationalmannschaft ohne Ballack ist für mich derzeit schwer vorstellbar", äußerte Franz Beckenbauer in der "Bild" (Freitag). Der ehemalige Nationalmannschafts-Kapitän Karl-Heinz Rummenigge votierte ebenfalls für eine "rationale Lösung" zur Beendigung des Machtkampfes. "Und die heißt: Ballack entschuldigt sich und spielt weiter als Kapitän in der Nationalmannschaft."

Auch Löw weiß um Ballacks Bedeutung als Leistungsträger. Von den 33 Länderspielen in seiner Amtszeit fanden 19 mit Ballack statt. Bilanz: 15 Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen, die letzte im EM-Finale gegen Spanien (0:1), in dessen Anschluss es zum großen Streit zwischen Ballack und Teammanager Oliver Bierhoff kam. In den 14 Partien ohne Ballack erzielte Löw mit der DFB-Auswahl neun Siege, drei Remis und ebenfalls zwei Niederlagen. Acht Tore erzielte Ballack zudem in der Ära Löw, das wichtigste beim 1:0-Sieg gegen Österreich bei der EM. Der Freistoß des Kapitäns bewahrte Deutschland vor dem Vorrunden-K.o. - und rettete Löw womöglich den Bundestrainer-Posten.