Hamburg. Ein Vater flüchtet mit seinem Baby auf den See, bricht im Eis ein und stellt die Polizei vor ein Rätsel. Der mysteriöse Fall.

Der Lohmühlenteich liegt nur wenige hundert Meter von dem gelb gestrichenen Mehrfamilienhaus entfernt, in dem Tobias S. wohnt, der am Montagabend mit seinem Baby aus dem eiskalten Wasser gerettet werden musste. Ein Klingelschild, auf dem in kindlicher Handschrift der Familienname steht, weist auf die Wohnung des 24-Jährigen hin, der mit sieben weiteren Parteien in dem gepflegten Haus in Eißendorf lebt. Erst vor wenigen Wochen ist die Freundin von Tobias S. und Mutter seines Kindes, mit der er zuvor eine Fernbeziehung führte, bei ihm eingezogen.

Der Vater spricht von einem Überfall

Am Ende der ruhigen Wohnstraße führt ein geschwungener Fußweg hinunter zum Göhlbachtal, der Straße, an der Unbekannte Tobias S. überfallen haben sollen, als er am späten Montagabend mit seiner drei Monate alten Tochter dort spazieren ging. Den Säugling hatte der Vater in einem Tragetuch vor die Brust gebunden, als ihn zwei Männer überfielen und schlugen – so schilderte er der Polizei den Vorfall. Sie hätten die Herausgabe seines Portemonnaies und Handys gefordert. Zunächst in einer Sprache, die er nicht kannte, dann hätten sie sich auf Englisch verständlich gemacht. Weil Tobias S. nichts Wertvolles dabei hatte, sei er mit einem Messer attackiert worden. Also sei er mit seinem Kind aufs Eis geflohen und eingebrochen. Die Polizei sucht jetzt nach den Männern und hofft auf Zeugen.

Am Dienstag rückte die Mordkommission noch einmal zur Spurensicherung am Lohmühlenteich an. Taucher tasteten den Grund ab und setzten einen Metalldetektor im Wasser ein. Bereitschaftspolizisten durchkämmten die Umgebung. Selbst Gestrüpp wurde beseitigt, um jeden Winkel absuchen zu können. Zusätzlich wurden Spürhunde eingesetzt. Was dabei gefunden wurde, wollte die Polizei nicht sagen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Anwohner hören die Hilfeschreie des Mannes

Die Spaziergänger an dem vor allem bei Hundebesitzern beliebten Teich zeigten sich am Dienstag entsetzt über das Unglück. Bisher habe sie die Umgebung immer als „sehr idyllisch“ empfunden, sagt eine Frau. Auch Jessica Tuchen, die in einem Mehrfamilienhaus in der Nähe des Teichs wohnt, sagt, sie habe noch nie Überfälle oder ähnliches erlebt. „Ich arbeite im Schichtdienst und war schon zu jeder Tages- und Nachtzeit mit meinem Hund hier unterwegs“, sagt die 37-Jährige. Am Montagabend habe sie die Hilferufe von Tobias S. gehört. Als sie auf den Balkon trat, um nachzusehen, hätten ihr Passanten zu verstehen gegeben, dass sie bereits die Feuerwehr alarmiert hätten. Mit ihrem Hund Lotti sei sie dann an den See gegangen. Jessica Tuchen schildert die dramatische Rettungsaktion so: „Ich sah den Mann im Wasser, das Baby hat man da noch gar nicht bemerkt. Die Einsatzkräfte haben versucht, ihn rauszuziehen.“ Immer wieder hätten diese „greifen Sie die Leine“ gerufen, Tobias S. habe jedoch nicht reagiert. Schließlich ging ein Polizist auf das Eis, brach aber selbst ein. Erst die Feuerwehr konnte Tobias S. am Kragen aus dem Wasser ziehen.

Das Baby muss vor Ort wiederbelebt werden

Ein Notarzt begann noch vor Ort mit der Reanimation des Babys, die auf dem Weg zur Mariahilf Klinik und auch dort fortgesetzt wurde. Nach drei Stunden war der Kreislauf des Mädchens stabilisiert. Das in Lebensgefahr schwebende Kind wurde mittlerweile ins UKE verlegt. Die Polizei brachte die Mutter, die in der Wohnung gewartet hatte, zu ihm. Sie kümmerte sich offenbar sorgsam um ihre Tochter. Hinweise, dass das Kind schlecht behandelt wird oder in einem ungeeigneten Umfeld lebt, hat es nicht gegeben. Auch die Polizei geht bisher von „geordneten Verhältnissen“ aus.

Immer wieder habe sie in den vergangenen Tagen Eltern mit Kindern auf der gefährlich dünnen Eisschicht gesehen, sagt Anwohnerin Jessica Tuchen. „Ich verstehe nicht, wie man so unvorsichtig sein kann.“ Für Tobias S. stellte sich der zugefrorene Teich möglicherweise als einziger Fluchtweg dar. Er sagt, die beiden Unbekannten hätten ihn am Göhlbachtal angegriffen. Der Rundweg, der um den direkt neben der Straße liegenden Teich führt, ist wegen einer laufenden Entschlammung teilweise abgesperrt. Die Gitter könnten Tobias S. die Flucht nach vorn versperrt haben. Dass der Teich so verschlammt ist, erklärt möglicherweise auch, warum es dem 24-Jährigen nicht gelungen sein könnte, sich aus eigener Kraft daraus zu befreien. Obwohl das Wasser an der Stelle nur hüfttief ist, schaute bei der Rettung nur noch der Kopf von Tobias S. heraus.

Die Polizei hofft auf Mithilfe bei der Aufklärung des Falls. Nach Angaben von Tobias S. soll es sich bei den Tätern um zwei Männer im Alter von etwa 30 Jahren handeln, die kein Deutsch sprechen. Einer von ihnen soll 1,70 bis 1,75 Meter groß sein, dunkle Haare und eine dunkle Kapuzenjacke mit Fellbesatz getragen haben. Sein Komplize habe ebenfalls dunkle Haare und sei etwa zehn Zentimeter größer.

Wer das Tatgeschehen beobachtet hat oder Hinweise zu den Tätern geben kann, wird gebeten, sich unter 040/4286-56789 bei der Polizei zu melden.