Heimfeld. Der Verein „Die Fähre“ betreut an der Rennkoppel in Heimfeld gut 50 Menschen – und ist zu einem Treffpunkt im Stadtteil geworden.
An der Rennkoppel war schon vieles. Tatsächlich mal die Harburger Pferderennbahn, später ein Teil des riesigen Harburger Kasernenkomplexes, dann ein Altersheim in den alten Kasernenbauten sowie eine Dienststelle des Zolls. Der Großteil der alten Kasernengebäude ist „rückgebaut“, weil man „abgerissen“ nicht mehr sagt. Hier entstand die „neue Heimfelder Mitte“. Und mittendrin in dieser Mitte, im alten Zollgebäude und in einem Neubau daneben, wohnen gut 50 psychisch erkrankte Menschen.
Das fällt kaum auf, und das ist gut so, denn so geht Inklusion. So hat man aber nicht immer gedacht und deshalb gründete sich einst der Verein „Die Fähre“, um psychisch Kranken ins eigenständige Leben zu helfen. Das ist 50 Jahre her, und dieses Jubiläum wird in Heimfeld gefeiert. Begonnen hat„Die Fähre“ aber nördlich der Elbe.
In einer Villa in Hohenfelde nahe der Alster fing alles an
Bis in die 1970er-Jahre wurden psychisch erkrankte Menschen hauptsächlich in großen Anstalten weggeschlossen und hinter dicken Mauern behandelt, mal mehr, mal weniger erfolgreiche. 1972 fanden einige Ärztinnen und Ärzte der Psychiatrie am AK Ochsenzoll sowie Beamte der Sozialbehörde, dass dieses Vorgehen nicht zielführend sei und gründeten den Verein „Die Fähre“ als Träger eines „Übergangswohnheims“ aus der Verwahrpsychiatrie in selbstständiges Wohnen. Dies befand sich in einer Villa in Hohenfelde, nahe der Alster.
„Damals setzte ein allgemeines Umdenken im Umgang mit psychischen Erkrankungen ein“, sagt Maik Niestreu, einer der beiden Geschäftsführer der „Fähre“, „ab jetzt ging es um die Integration der Erkrankten, und nicht mehr um ihren Ausschluss.“
Vielleicht wird auch noch das Dachgeschoss zu Wohnraum ausgebaut
Nach Heimfeld gezogen ist „Die Fähre“ erst 2014. Die Villa wurde zu klein, und sie war auch nicht zweckmäßig. „Wir hatten Harburg zunächst gar nicht auf der Rechnung“, sagt Gundula Hildebrandt, die andere Geschäftsführerin, „aber dann stießen wir auf das leerstehende Zollgebäude und fanden es ideal.“
In dem Altbau an der Ecke zur Heimfelder Straße gibt es 14 Einzelapartments und drei Wohngemeinschaften. 2019 kamen noch einmal Einzel-und Doppelapartments für 30 weitere Klienten in einem Neubau hinzu. Viel mehr sollen es nun aber auch nicht mehr werden, höchstens die Ausbaureserve im Dachgeschoss des Altbaus wird vielleicht noch genutzt.
In den Wohngemeinschaften findet keine Therapie statt
„Bedarf ist deutlich mehr vorhanden“, sagt Maik Niestreu, „aber es gehört zu unserem Konzept, dass hier jeder Mitarbeiter jeden Klienten kennt. Wir wollen wenn, dann qualitativ wachsen.“
In den Apartments und Wohngemeinschaften werden die Bewohner nicht therapiert. Das muss von erfahrenen Ärzten und Therapeuten andernorts geleistet werden oder geleistet worden sein; in Praxen, Tageskliniken oder zuvor in stationärer Behandlung. „Die Fähre“ bietet ihren Bewohnern therapiebegleitende Unterstützung. Außer ihre Heimfelder Bewohner betreuen Mitarbeiter des Vereins auch aufsuchend psychisch Kranke im eigenen Wohnraum und in Wohngemeinschaften und bieten zwei Anlaufstellen für psychisch Kranke in der Harburger City und in St. Georg.
Das kleine Café ist zum Treffpunkt im Stadtteil geworden
Seit Eröffnung des Neubaus 2019 gibt es auch das „Café Rennkoppel“. Es ist zum einen ein Arbeitsprojekt für Klienten der „Fähre“, zum anderen hat es sich aber aber auch sehr schnell zum Stadtteiltreffpunkt entwickelt. Viele Heimfelderinnen und Heimfelder verabreden sich hier zu einem Klönschnack. „Unsere Klienten erfahren hier Selbstwirksamkeit, indem sie merken, dass sie und ihre Arbeit für andere wichtig ist und wertgeschätzt wird“, sagt Maik Niestreu.
„Wir bringen uns auch in die Heimfelder Stadtteil-Netzwerke ein und stellen das Café für Treffen zur Verfügung“, sagt Gundula Hildebrandt. „Das trägt zur Integration unser Einrichtung und vor allem unser Bewohner in Heimfeld bei.“
Dabei geht es dem Verein auch darum, psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. Deshalb gibt es zum Jubiläum eine Plakatserie, für die noch Schaufenster in Harburg gesucht werden, denn: Niemand ist wirklich gefeit vor einer psychischen Erkrankung. Im Laufe eines Jahres hat jeder vierte Mensch einmal Symptome.