Hamburg. Busanlage gehört zu den größten Leistungsträgern im Hochbahn-Netz. Wie der Ausfall kompensiert werden soll, ist unklar.
Der Harburger Busbahnhof soll erweitert werden. Das ist bekannt, seit längerem geplant und wird von Bürgern und Politikern im Bezirk auch grundsätzlich begrüßt, denn die Anlage stößt an ihre Leistungsgrenzen. Wer den Busverkehr in Harburg weiter verbessern will, muss den Busbahnhof leistungsfähiger machen.
Was die Bezirkspolitiker jetzt allerdings im Mobilitätsausschuss der Harburger Bezirksversammlung hörten, schmeckt ihnen gar nicht: Im Zuge der Erweiterung wird der Betrieb auf der bestehenden Anlage komplett eingestellt, und zwar dreieinhalb Jahre lang, von Baubeginn 2022 bis Fertigstellung 2025. Gleichzeitig wird direkt neben der Busanlage der „Harburger Doppelknoten“, ein Komplex aus zwei Kreuzungen von drei Hauptverkehrsstraßen grundsaniert. Dafür soll die Kreuzung zwar nicht voll gesperrt werden, trotzdem wird es während der gesamten Bauzeit zu starken, wechselnden Einschränkungen kommen.
Die Abgeordneten sind verärgert
23 Buslinien, in der Spitzenzeit 150 Abfahrten in der Stunde, täglich im Schnitt 40.000 Fahrgäste. Die Busanlage am Harburger Bahnhof gehört zu den größten Leistungsträgern im Hochbahn-Netz. Wie der Ausfall des Busbahnhofs kompensiert werden soll, erfuhren die Bezirkspolitiker nicht: Dies sei noch in der Abstimmung zwischen Verkehrsbehörde, Bezirksamt und Hamburger Hochbahn AG (HHA).
Die Abgeordneten sind verärgert. Sie wollen in die Diskussion mit eingebunden werden. „Ich bin mit dem Informationsstand nicht wirklich zufrieden“, sagt Michael Sander (Grüne), Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, „hier sind noch zu viele Fragen offen.“
Kapazitäten am Busbahnhof seit Jahren ausgereizt
Den Busbahnhof in seiner jetzigen Form gibt es seit 1983 die Harburger S-Bahn-Linie eingeweiht wurde. Die sechs Haltebereiche sind rund um eine zentrale Verkehrsinsel angeordnet, in deren Mitte sich der Zugang zur S-Bahn-Station sowie zum Fernbahnhof befindet. Der Vorteil dieser Anlage ist, dass die Fahrgäste umsteigen können, ohne die Fahrbahnen zu kreuzen. Allerdings sind die Kapazitäten hier seit Jahren ausgereizt. Der gegenwärtige Betrieb kann gerade eben noch stattfinden. Gesteigert werden kann er nicht. Das merken die Harburger jedes Mal, wenn er doch gesteigert werden muss; beispielsweise bei Schienenersatzverkehr.
Gegenüber dem querungsfreien Umsteigen von heute ist die Anlage der Zukunft ein Rückschritt: Parallel zur zentralen Verkehrsinsel soll ein weiterer Bussteig zwischen Bahnhof und Phoenix Center in der Mitte der Hannoverschen Straße entstehen.
Hier sollen die vier Linien des „Harburger Korridors“ von Sinstorf nach Eißendorf, sowie die beiden Linien von Rönneburg nach Neugraben und Hausbruch halten. Sie sind die meistgenutzten Linien im Harburger System und haben den Bahnhof nicht als Endhaltestelle. Für diese Busse würde so die Runde um die Verkehrsinsel entfallen. Diese ist zwar keine lange Strecke, durch ausscherende Kollegen und die Ampel an der Ausfahrt allerdings für jeden Fahrer zeitaufwändig und nervenzehrend.
Vorteil für Fahrer wird zum Nachteil der Fahrgäste
Der Vorteil für die Fahrer wird zum Nachteil für die Fahrgäste: Ihr Weg zum Umstieg wird länger. Zur S-Bahn wird es einen Niedergang geben, der in die erste Ebene der unterirdischen Bahnhofsanlage führt. Barrierefrei, so erfuhren die Abgeordneten, wird dieser aber nicht sein. Der Grund: Der Niedergang führt nur bis zur Zwischenebene. Dort wäre der Weg bis zum nächsten barrierefreien S-Bahn-Zugang so weit, dass man damit rechnet, dass mobilitätseingeschränkte Fahrgäste lieber oberirdisch bis zum Fahrstuhl auf der Businsel queren, der bis 2025 wahrscheinlich in Betrieb ist.
Um Platz für die zweite Businsel zu schaffen, wird auf der Hannoverschen Straße eine Fahrspur entfallen. Für von Osten kommende Autofahrer ist dann ein Linksabbiegen in die Moorstraße nicht mehr möglich. Außerdem werden an der alten Anlage einige so genannte „Überliegerplätze“, auf denen Busse parken, deren Fahrer ihre gesetzlichen Ruhezeiten einlegen, aufgegeben und später an anderer Stelle neu geschaffen. Ein Kuriosum: Die neue Businsel muss im Linksverkehr angefahren werden, damit die Türen zum Bürgersteig zeigen.
Umbau des Busbahnhofs sollte längst gestartet sein
Ursprünglich sollte der Umbau längst begonnen sein. Der erste Plan sah den Baustart für 2019 vor. Michael Sander ärgert das: „Wir wurden seinerzeit dazu gedrängt, die Planung schnell abzusegnen, damit alsbald gebaut werden kann und dann ist lange nichts passiert!“
Auch der SPD-Verkehrsexperte Frank Wiesner ist darüber verärgert: „Ich halte die Lösung der Hochbahn für nicht optimal und hatte seinerzeit einen Alternativvorschlag. Den lehnte man aus Zeitgründen ab, nur um sich dann Zeit zu lassen!“
Die Verzögerung hat zwei Gründe: Erstens haben Baugrunduntersuchungen einige Probleme ergeben, die erst noch genauer geprüft werden mussten und zweitens ist der Umbau der Busanlage eingebunden in die Sanierung des „Harburger Doppelknotens“, der Kreuzung von Hannoverscher Straße, Moorstraße, Buxtehuder Straße und Walter-Dudek-Brücke, die täglich zirka 45.000 Fahrzeuge passieren.
Auch diese sollte längst begonnen sein. Die Verkehrskoordinatoren von Stadt und Bezirk hielten es allerdings für ratsam, zunächst die Sanierung der Harburger Stadtautobahn abzuwarten, die erst 2020 abgeschlossen wurde. Sonst wären Harburgs Hauptzugänge zur Autobahn A1 alle gleichzeitig Großbaustellen gewesen.
Auch so werden ZOB-Umbau und Doppelknotensanierung erhebliche Auswirkungen auf den Harburger Verkehr haben. Auch wenn Hochbahn und Verkehrsbehörde sich noch nicht in die Karten gucken lassen wollen: Am wahrscheinlichsten ist es, dass es während der Umbauphase gar keine ZOB-Alternative gibt und die Busse des Harburger Korridors durch die innerstädtische Wilstorfer Straße auf den Harburger Ring geleitet werden.
S-Bahn-Station Harburg Rathaus könnte Umsteigeknoten werden
Umsteigeknoten könnte dann die S-Bahn-Haltestelle Harburg Rathaus werden – mit langen Fußwegen für viele Umsteiger. Der Umbau des Doppelknotens soll in mehreren Schritten erfolgen, damit die Kreuzung nie völlig blockiert ist.
Die Busse allein könnte die Wilstorfer Straße vielleicht verkraften. Fraglich ist dann allerdings, was passiert, wenn dazu auch noch PKW-Ausweichverkehr wegen des Knoten-Umbaus kommt. Ältere Harburger werden sich an die Zeit erinnert fühlen, als die S-Bahn in den Harburger Untergrund gegraben wurde. „Das war jetzt sicherlich nicht das letzte Mal, dass wir uns mit dieser Angelegenheit auseinandergesetzt haben“, sagt Michael Sander.
Veloroute 11 nach der Sanierung Teil der Kreuzung
Rainer Bliefernicht, Verkehrsexperte der CDU-Bezirksfraktion, findet deutlichere Worte: „Das ist alles unausgegoren! Bevor wir da zustimmen können, muss das noch ausgearbeitet werden!“
Grundsätzlich verweigern kann die Bezirkspolitik die Zustimmung jedoch nicht. Sie hat sie bereits gegeben. Verkehrsausschussvorsitzender damals war Rainer Bliefernicht.
Offiziell und vor allem als Haushaltsposten gilt die Sanierung der Doppelkreuzung am Bahnhof als Teil des Velorouten-Ausbaus. Das stimmt allerdings nur insofern, als tatsächlich die Veloroute 11 nach der Sanierung Teil der Kreuzung sein wird.
Die Grundsanierung der Straßenkreuzung vom Unterbau bis herauf zur Fahrbahnmarkierung wäre aber auch überfällig gewesen, ohne dass man Fahrradstreifen auf den Asphalt malt. Parallel zu ZOB- und Kreuzungsumbau wird an der Walter-Dudek-Brücke die Harburger Fahrradstation mit 1200 Stellplätzen und Servicebereich gebaut.