Hamburg. Während der Bauzeit drohen immer wieder Vollsperrungen der Harburger Chaussee. Behelfsbrücke soll als Baustellen-Umleitung entstehen.

Vier Jahre Bauzeit veranschlagt die Bahn für die Erneuerung der „Veddeler Brücken“ über Harburger Chaussee und Müggenburger Zollkanal. In dieser Zeit wird es vorkommen, dass die Harburger Chaussee ganz oder teilweise gesperrt werden muss. Diesem Umstand kann man sogar Positives abgewinnen, sagt der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich (SPD). Baubeginn ist noch in diesem Monat.

 Dass die Eisenbahnbrücken neben der S-Bahn-Station Veddel alt sind, sieht man ihnen an: Der Farbton der Schutzlackierung erinnert an nachkolorierte Schwarzweißfotos, die Verbindungen zwischen den Trägern sind noch genietet und unter den harmlosen Flugroststellen versteckt sich hier und da ernsthafte Korrosion. Dass die eine etwa und die andere über 120 Jahre alt ist, glaubt man kaum; aufgrund des kantigen Kastenfachwerks der Kanalbrücke und der völligen Schmucklosigkeit der Straßenüberführung, die beide in ihrer Nüchternheit spätere Baumoden weit vorwegnahmen. Lange wird man die antiken Industriebauwerke nicht mehr betrachten können. Sie werden ersetzt.

„Die Veddeler Brücken erreichen mit ihrem Alter von über 100 Jahren das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer“, schreibt eine Bahnsprecherin. „Für den langfristigen Erhalt einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur ist ein Ersatz der Bauwerke erforderlich. Da die Brücken direkt nebeneinander liegen, werden sie zeitgleich ersetzt.“

Die Brücken sind wichtiger Teil einer Bahnmagistrale

Nun kann man die beiden Brücken nicht einfach mal kurz vier Jahre lang abreißen und neu bauen. Sie sind nicht nur Harburgs Zufahrt zum Hauptbahnhof sondern Bestandteil der Europäischen Bahnmagistrale Malmö-Maschen-Mailand. Täglich queren rund 600 Züge die Brücken. „Diese Brücken sind von großer Bedeutung für die Eisenbahnanbindung Hamburgs. Daher werden die Erneuerungsarbeiten so durchgeführt, dass es möglichst wenige Einschränkungen im Eisenbahnbetrieb gibt“, schreibt die Bahnsprecherin.“

An einigen Stellen wurde die Brücke bereits geflickt: Die geschraubte Verbinderplatte ist neu. Die Original-Vebindungen sind genietet..
An einigen Stellen wurde die Brücke bereits geflickt: Die geschraubte Verbinderplatte ist neu. Die Original-Vebindungen sind genietet.. © xl | Lars Hansen

Dafür wird westlich der heutigen Brücken eine Behelfsbrücke als Baustellen-Umleitung gebaut. So werden während der Bauarbeiten von den vier Gleisen, die auf den Brücken liegen, die meiste Zeit drei Gleise befahrbar bleiben. Außerdem ist bereits im Vorwege ein so genannter Gleiswechselbetrieb eingerichtet worden, welcher eine flexiblere Steuerung des Eisenbahnbetriebs ermöglicht, weil dadurch die Gleise in beide Richtungen befahren werden können. Dennoch werden sich Fahrplaneinschränkungen während der Bauzeit nicht vermeiden lassen. So wird es unter anderem zeitweise vorkommen, dass hauptsächlich Regionalzüge, an einigen Tagen aber auch Fernzüge, aus Richtung Süden bereits in Harburg halten und hier wenden. Die Bahn verspricht, solche Phasen rechtzeitig zu kommunizieren.

Die S-Bahn ist nicht betroffen. Ihre Gleise wurden erst in den 1980er-Jahren gelegt und dafür eigene damals neue Brücken gebaut. Der S-Bahnhof Veddel ist selbst als Brücke über den Müggenburger Zollkanal angelegt und wird während der Bauzeit eine ideale Baustellen-Beobachtungs-Plattform sein. Früher verlief zwischen den beiden Brücken die Freihafengrenze, weswegen sich die Kanalbrücke im Freihafen seit jeher im Besitz der Hansestadt Hamburg befand und die Überführung über die Harburger Chaussee seit jeher Bahneigentum war. Entsprechend werden auch die Kosten – insgesamt 82 Millionen Euro – für den Brückenersatz zwischen Hamburg und dem Bund aufgeteilt.

Die Originalverbindungen sind noch genietet

Die Überführung Harburger Chaussee wurde 1886 gebaut, die Zollkanalbrücke 1905 im Zuge der Hafenerweiterung nach Süden. Beide Brücken liegen schon länger zur Erneuerung an. Zum Teil sind sie bereits ausgebessert worden man sieht dies an einigen Stellen, wo Verbindungsbleche ersetzt wurden. Die neuen Teile sind verschraubt, während die Originalverbindungen noch genietet sind. Die Erneuerung verzögerte sich auch deswegen, weil die Hamburger Hafenbehörden zeitweilig überlegten, das Veddeler Wasserkreuz, zu dem auch der Zollkanal gehört, zuzuschütten. Eine Brücke hätte sich dann erübrigt.

Die Brücke über die Harburger Chaussee. Die Straße darunter wird in der Bauzeit mehrmals länger gesperrt werdenmüssen.
Die Brücke über die Harburger Chaussee. Die Straße darunter wird in der Bauzeit mehrmals länger gesperrt werdenmüssen. © xl | Lars Hansen

Zu Baubeginn finden vorbereitende Arbeiten statt, wie beispielsweise das Einrichten der Baustellenflächen, das Umverlegen von Kabeln im Baufeld sowie Kampfmittelsondierungen. Ein Teil dieser Arbeiten erfolgte bereits vor dem offiziellen Beginn, seit 2019. Dann werden Schritt für Schritt zunächst die Umfahrungsmöglichkeit der Baustelle geschaffen, im nächsten Schritt nacheinander die alten Brücken zurückgebaut und durch die neuen Bauwerke ersetzt.

Für die Kanalbrücke werden die neuen Brückenelemente zunächst auf einer schwimmenden Arbeitsplattform westlich der Brücke vormontiert. Sie werden dann nacheinander in ihre jeweilige Endposition „eingeschwommen“. Für die Brücke Harburger Chaussee werden die neuen Elemente im Werk gefertigt und dann per Straßentransport zur Baustelle gebracht. Für den Rückbau der alten Brücke und das Einheben der neuen Überbauten sind Voll- und Teilsperrungen der Harburger Chaussee notwendig.

Der Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich, zugleich Vorsitzender des Regionalausschusses Wilhelmsburg Veddel, sieht dem gelassen entgegen: „Vielleicht hat es sogar einen Lerneffekt, wenn der Lkw-Verkehr auf die Hafen-Hauptroute wechseln muss, statt den Schleichweg über die Harburger Chaussee durchs Wohngebiet zu nehmen", sagt er. „Trotzdem werden wir das Projekt genau beobachten."