Hamburg. Kehrwieder-Brauerei erhält beim Wettbewerb „European Beer Star“ für jedes eingereichte Bier einen Preis. Welche auszeichnet wurden.
Der Weihnachtsmann kam aus Thüringen und hatte Geschenke aus Bayern im Gepäck: Drei „European Beer Stars“ – zwei goldene und einen bronzenen – überbrachte Privatbrauer-Verbandspräsident Detlef Projahn in Harburg-Sinstorf an Oliver und Julia Wesseloh.
Die beiden sind die Köpfe der „Kehrwieder Kreativbrauerei“, die im Gewerbehof, der einst Sitz der Hansano-Meierei war, zu Hause ist. Zwar sind es die Kehrwieder-Leute gewohnt, Preise zu erhalten. Aber das war eine Besonderheit.
Hamburger konnten zum vierten Mal Medaillen abräumen
Denn in diesem Jahr hatten sie sich nur auf die wichtigsten Wettbewerbe der Branche konzentriert. Zu denen gehört der „European Beer Star“ zweifellos. Was die Freude über die drei Medaillen umso größer macht: Mehr hätten die Sinstorfer gar nicht kriegen können, denn sie hatten nur drei Biere eingereicht – das hopfenstarke Lager „Prototyp“, das Stout „El Duderino“ und das neueste alkoholfreie Bier aus der Sinstorfer Produktion, „Coconut Grove“. Drei Schuss, drei Treffer.
Und nicht nur das: Die Hamburger Kreativbrauer konnten damit bei dem weltweit renommierten Wettbewerb zum vierten Mal in Folge Medaillen abräumen.
Am Wettbewerb um den European Beer Star können Brauereien aus aller Welt teilnehmen, egal ob große oder kleine. Auch internationale Brauereiriesen schicken dann und wann eines ihrer Produkte in einer der 71 Kategorien ins Rennen. Veranstaltet wird der Wettstreit allerdings vom Bundesverband der Privatbrauer, ausgerichtet wurde er diesmal von den bayerischen Privatbrauern in München. Der Urteilsschwerpunkt liegt auf dem Handwerk. Die Juroren sind selbst Braumeister, Biersommeliers oder Fachjournalisten. Pro Bierstil kann ein Teilnehmer ein Produkt anmelden.
Kehrwieder-Chef war selbst als Juror im Wettbewerb aktiv
Kehrwieder-Chef Oliver Wesseloh war selbst als Juror im Wettbewerb aktiv. Das geht selbstverständlich nur, solange man in einer Kategorie urteilt, in der man nicht selbst angetreten ist. Wer jetzt denkt, dass Bierwettbewerbsjuror ein absoluter Traumjob ist, wird von Wesseloh, ehemaliger Weltmeister der Biersommeliers – bierernst eines Besseren belehrt. „Man probiert in einer Session, also vormittags oder nachmittags, zirka 25 Biere“, berichtet er. „Man sieht sie an, riecht daran, nimmt einen Probierschluck, stellt die Probe weg und beurteilt sie. Dann muss man schon wieder den Kopf frei bekommen, damit man die nächste Probe genauso akribisch beurteilen kann. Sonst wird es ja ungerecht.“
Wegen seines renommierten Urteilsvermögens und seinem Ruf als Kreativbrauer sollte Wesseloh auch in der Finalrundenjury der Kategorie „Free Style“ sitzen, wurde aber kurz vor der Sitzung ausgetauscht. „Da wusste ich, dass unser Bier es ins Finale geschafft hatte“, sagt er. „Aber dass es gleich Gold wird? Eigentlich hatten in dieser Kategorie alle auf die amerikanischen Teilnehmer gewettet.“
Nachfrage sprengt die Kapazitäten in Sinstorf
Das Kehrwieder-Goldmedaillen-Freestyle-Bier heißt „El Duderino“ und Kinokenner wissen, dass dies eine Anspielung auf den Kultfilm „The Big Lebowski“ ist. Zum Freestyle-Wettbewerb gehörte auch die Story, die das Produkt vermitteln soll. Lieblingsdrink des Filmhelden „The Dude“ ist der „White Russian“ aus Vodka, Kaffeelikör und Milch. Das haben die Sinstorfer Brauer in Bier umgesetzt: ein alkoholfreies Stout mit Röstmalz, Kaffee und Laktose gebraut. Die Jury war begeistert.
Der zweite Gold-Gewinner, das „Prototyp“, ist ein alter Bekannter. Es ist das erste Bier, das Oliver Wesseloh nach langen Wanderjahren in den USA und Kanada in Deutschland in Eigenregie braute, damals noch ohne eigene Brauerei und deshalb bei einem befreundeten Brauer im bayerischen Nittenau. Schnell wurde das geschmacksstarke Lagerbier so erfolgreich, dass Wesseloh es mittlerweile wieder in Nittenau brauen muss, da die Nachfrage die Kapazitäten in Sinstorf sprengt. Zweimal im Monat fährt er nach Bayern. In der Zwischenzeit arbeitet das Bier allein, allerdings mit Wesselohs Braufreund als kompetentem „Babysitter“.
Bronzegewinner ist das neue alkoholfreie Bier der Kehrwieder-Brauer, Coconut Grove. Es ist bereits das dritte alkoholfreie im Angebot der Sinstorfer. Den Start machte 2018 ihr „überNormalNull“ (kurz: ü.NN) das weltweit erste alkoholfreie Craft Beer. Es wurde damals bei den Beer Stars gleich mit einer Goldmedaille ausgezeichnet und zum Vorbild für andere Handwerksbrauereien. Coconut Grove hat sehr fruchtige Noten und eine nachgewiesene isotonische Wirkung, ist also ideal für sehr heißen Tage.
Eheleute Wesselohs werden auch Geschäftspartner
Im Hause Kehrwieder freuen sich Julia und Oliver Wesseloh mit dem gesamten Team riesig über die drei Medaillen. „Insbesondere, weil ein etablierter Klassiker, eine saisonale Spezialität und ein alkoholfreies Bier ausgezeichnet wurden und damit die drei Säulen von Kehrwieder abgebildet werden“, sagt Julia Wesseloh.
Außer den Wesselohs arbeiten noch fünf weitere Mitarbeiter für die Sinstorfer Brauerei. Die firmiert demnächst um. Während viele Paare sich erst beim Arbeiten kennenlernen und dann privat zusammenkommen, ist es bei Kehrwieder umgekehrt: Julia Wesseloh, bislang Angestellte ihres Mannes wird nun außer seiner Lebens- auch seine Geschäftspartnerin. Die Arbeitsteilung bleibt allerdings dieselbe, wie zuvor: Er braut, sie macht das Marketing.