Harburg. Die Sanft-Reinigung ist von Harburgs Sand nicht wegzudenken – trotzdem werden sich Kunden des Traditionsgeschäfts in Zukunft darin üben müssen
Die Sanft-Reinigung ist von Harburgs Sand nicht wegzudenken – und trotzdem werden sich Kunden des Traditionsgeschäfts in Zukunft darin üben müssen. In den Schaufenstern des 1982 eröffneten Ladens hängen gegenwärtig große gelbe Schilder, auf denen „Traurig aber wahr! Wir schließen Ende August“ zu lesen ist.
Vor 37 Jahren sieht die Welt noch ganz anders aus: Deutschland gibt es zweimal, Nicole triumphiert mit „Ein bisschen Frieden“ beim Eurovision Song Contest, die Grünen ziehen zum ersten Mal in die Hamburger Bürgerschaft ein – und die Sanft-Reinigung an den Sand 23.
Bis zu vier Mitarbeiter an der Theke
„Damals lief der Laden richtig gut, wir haben sogar Großkunden beliefert“, sagt Mitarbeiterin Elke Horvath. „Und wir hatten hier bis zu vier Mitarbeiter hinter der Theke.“ Doch die alten Glanzzeiten sind längst vorbei, Horvath bedient die Kunden heute allein. Zumindest theoretisch, bis jetzt waren heute nämlich nur drei von ihnen da. Die Mitarbeiterin deutet auf den Zettel, auf dem sie die Einnahmen notiert.
Es ist Mittag, in der Kasse befinden sich gerade mal zwanzig Euro. Grund für die Flaute? „Die Leute reinigen ihre Sachen heute oft zu Hause“, sagt Horvath. „Es werden auch fast nur noch Hemden abgegeben, und die kosten nur zwei Euro.“ Lohnende Aufträge kämen so gut wie gar nicht mehr. „Gleichzeitig sind die Mieten immer höher geworden, dadurch wurde es noch schwieriger.“
Sand-Umbau verringerte Kundenzahl
Der Umbau des Marktplatzes brachte das Fass nun aber endgültig zum Überlaufen. „Durch die Baustelle auf dem Sand bleiben jetzt noch mehr Kunden weg“, so Horvath. Auf die Fertigstellung des Platzes im Herbst zu warten, kommt für die Sanft-Reinigung nicht mehr in Frage.
Denn auch jetzt schreibt der Laden schon rote Zahlen, länger könne man sich das nicht leisten. „Wir müssen ja schließlich auch was verdienen“, sagt die Mitarbeiterin. Die Reinigung ist nicht das einzige Geschäft am Sand, dem die Umbaumaßnahmen und die Mieten derart zu schaffen machten. Anfang des Jahres schloss der Genussladen Sohl seine Türen, das Bastelgeschäft und der Bäcker machten in jüngster Vergangenheit ebenfalls dicht.
Mitarbeiter und Kunden sind traurig
Mitarbeiter und Kunden der Reinigung sind über die bevorstehende Schließung gleichermaßen bestürzt. „Wir sind alle tieftraurig“, sagt Horvath. „Alle fragen, ob wir es uns nicht noch mal überlegen könnten. Aber es geht einfach nicht mehr.“
Kunde Ralf Kretschmer schlägt das Ende des Geschäfts aufs Gemüt: „Ich finde es schade, dass die schließen“, sagt er. „Die haben ihre Arbeit immer sehr gut gemacht. Wahrscheinlich waren die einfach zu günstig, zwei Euro für ein Hemd sind ja so gut wie nichts.“
10.000 mittelständische Läden dicht
Das Geschäftesterben am Sand spiegelt die Situation in vielen Teilen Deutschlands wieder. Von 2012 bis 2017 mussten im gesamten Bundesgebiet mehr als 10.000 mittelständische Läden zumachen, schätzt der Handelsverband Deutschland (HDE). Profiteure sind oft große Ketten und Onlineshops.
Ralf Kretschmer wird für die Reinigung seiner Kleidungnun auf die Karstadt-Filiale am Schlossmühlendamm ausweichen. Elke Horvath wird die nette Atmosphäre am Sand vermissen, hat die bittere Pille aber geschluckt. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagt sie. Sie setzt ihre Hoffnung nun auf die Bemühungen des Chefs, der zurzeit mit Hochdruck daran arbeitet, in der Nähe des Marktplatzes eine neue Immobilie aufzutreiben.
Bremer Straße ist im Gespräch
„Gerade ist die Bremer Straße im Gespräch“, so Horvath. Da seien die Mieten noch erträglicher. „Allerdings müssen wir uns dann wohl auf ein kleineres Geschäft einstellen.“
Ob der Kundenstamm der Reinigung eine solche Umsiedlung überstünde, und ob die Suche nach einem neuen Standort überhaupt erfolgreich verläuft, stehe zurzeit aber noch in den Sternen.