Heute: Das Model Diana Pohland und ihr Lebensgefährte Tim Hornack unterrichten in Moorburg Ashtanga-Yoga.

Das Licht ist gedimmt. Auf den Fensterbänken flackern Kerzen. Es ist Montag, acht Uhr. Über Moorburg rauscht der Lärm des Hafens. Schiffe stampfen, Containerbrücken surren wie riesige blaue Spinnen am Ufer hin und her. Auf der A7 staut sich der Verkehr. Die Luft ist voll von Bewegung, Geräuschen, Geschäftigkeit. Der Alltag hat die Menschen im Griff. Alles muss schnell gehen. Keine Zeit zum Innehalten?

In den Räumen der ehemaligen Grundschule Moorburg herrscht Stille. Absolute Stille. Durchbrochen nur vom tiefen Ein- und Ausatmen der Menschen, die sich dort versammelt haben, um gemeinsam eine sportliche Auszeit zu erleben. Eine körperlich-geistige Reise zu sich selbst. Es ist Zeit für Yoga.

Diana Pohland schließt die Augen, atmet tief ein. Durch den Raum vibriert der tiefe Ton des Anfangsmantra. Die Schüler stimmen mit ein. Sie schließen die Augen, halten die Handflächen vor der Brust verschränkt. Dann senken sie die Arme, heben sie weit in die Höhe, machen den Körper lang, beugen den Oberkörper vor, drücken die Nase an die Knie, umschließen mit den Händen die Fußgelenke. Jeder bewegt sich in seinem Tempo, legt sich auf den Boden, streckt Oberkörper und Kopf in die Höhe, hebt den Po, Arme und Beine durchgestreckt, Füße und Hände auf dem Boden. Es sind fließende Bewegungen, die äußerster Konzentration bedürfen. Alles andere wird ausgeblendet.

Yoga, das ist eine Mischung aus Bewegung und Innehalten. Aus Anspannung und Loslassen. Körperlich anspruchsvoll und bisweilen extrem anstrengend. „Yoga ist kein Sport, Yoga ist eine Philosophie. Ein Möglichkeit, zu sich selbst zu finden. Und jeder kann diesen Weg gehen“, da sind sich Diana Pohland und ihr Lebensgefährte Tim Hornack einig. Wie das geht, haben die beiden Trainer selbst in vielen 100 Ausbildungsstunden gelernt. Seit drei Jahren betreiben die beiden Yoga-Lehrer, die auch privat ein Team sind, nun eine eigene Schule für Ashtanga Yoga am Moorburger Elbdeich. Es ist eine besondere Form des Yoga, die in dieser Form nur selten im Hamburger Raum praktiziert wird. „Ashtanga Yoga eine der wichtigsten klassischen Yoga-Methoden“, sagt Tim Harnack. „Doch gilt er von allen Yogastilen als der härteste.“ Ashtanga Yoga ist eine sehr kraftvolle, dynamische Richtung. In Fitness-Studios findet sich diese Form gelegentlich unter dem Namen Power-Yoga. Das Übungssystem besteht aus einer festgelegten Reihenfolge, die jeweils mit Bewegungselementen verbunden ist. Die Reihenfolge ist so aufeinander abgestimmt, dass nacheinander alle Körperteile aktiviert und gedehnt werden. „Man kann sehr gut abschalten und kommt ordentlich ins Schwitzen“, sagt Tim Harnack. „Sportlich ambitionierte Menschen mit guter Kondition finden im Ashtanga ihr Yoga-Glück.“

„Beim Ashtanga Yoga übt jeder Schüler in seiner eigenen Geschwindigkeit eine exakt abgestimmte Serie von Körperhaltungen, die gezielt auf den Aufbau und die Dehnung der Muskulatur zielt und Gelenke und Wirbelsäule stärkt“, erklärt Diana Pohland. „Beweglichkeit, Ausdauer und Kraft entwickeln sich.“ Das besondere beim Ashtanga Yoga ist, dass die Schüler selbstständig durch ihre individuell angepasste Sequenz gehen. Die Aufgabe der Lehrer ist es lediglich, zu korrigieren, motivieren und adjustieren.

Eine Einheit dauert 75 Minuten. In diesem Zeitraum können Schüler kommen und ihre Übungen machen, in ihrem ganz individuellen Tempo. „Jeder entscheidet selbst, wie lange und intensiv er üben möchte“, sagt Tim Hornack. „Es geht darum, dass die Teilnehmer selbstständig ihren Weg finden und auf ihr persönliches Ziel hinüben.“

Hornack selbst kam eher durch Zufall zum Yoga. Ein Sportler, durch und durch, kräftig und zäh. Als Jugendlicher verbringt er die meiste Zeit auf dem Skateboard, macht Kung Fu, Capoeira, Free-Running. Er jongliert, lernt Akrobatik und landet irgendwann beim Breakdance. In der Woche trainiert er wie ein Irrer, am Wochenende steht er in der Disco hinterm Tresen. Und weil er ein neugieriger Typ ist, einer, der alles ausprobiert, geht er mit einem Kumpel — „just for fun“ — in den Buddhistischen Tempel in der Thadenstraße. Dort animiert ihn ein Mönch, einmal zwei Wochen auf etwas zu verzichten, was ihm wirklich Freude macht. Und zu sehen, was passiert. „Also habe ich beschlossen, keinen Alkohol zu trinken“, sagt er. „Und dabei gemerkt, wie schwer es mir fällt, nüchtern Spaß zu haben.“ Eine Erkenntnis, die ihn nachdenken lässt. Er findet das Experiment spannend, entscheidet sich, weiterzumachen. „Ich wollte wissen, ob ich in der Lage bin, Freude daran zu haben, einfach ich selbst zu sein“, sagt er. „Das Glück kommt nicht von Außen, es muss von Innen kommen.“ Das gelte auch beim Yoga.

Aus Neugier besucht er eine Übungsstunde bei einem Yogalehrer in St. Georg, ist fasziniert vom Ashtanga-Yoga, den Bewegungen, der Kraft und Dynamik. Irgendwann ist ihm klar, dass er mehr sein will als nur ein Schüler. Er beginnt eine Ausbildung zum Yoga-Lehrer. Zeitgleich macht er eine Lehre zum medizinischen Masseur. Und er lernt Diana Pohland kennen. Sie arbeitet als Model. Als Tim ein paar Freiwillige sucht, an denen er das Massieren üben kann, meldet sich Diana bei ihm. Sie kennt ihn schon länger über eine Freundin. Kurze Zeit später sind sie ein Paar. Fasziniert von seiner Begeisterung fürs Yoga besucht auch sie einen Kurs und beschließt ebenfalls eine Ausbildung zum Trainer zu machen. 2015 gründen die beiden ihre eigene Yogaschule „Yoga Üben“.

Täglich außer mittwochs und sonnabends wird hier praktiziert. Die Teilnehmer sind bunt gemischt. Die Jüngste ein Teenager, die Älteste Ende 70. Sie alle treibt das Ziel, ihren Körper zu kräftigen, ihren Geist zur Ruhe zu bringen und auf diesem Weg zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden zu gelangen. „Das Schöne ist, dass ich die Übungen überall machen kann“, sagt Yogaschüler Clemens Reichle. „Im Wald, Zuhause, unterwegs.“ Der zweifache Vater arbeitet als Werklehrer. Als sein Rücken nicht mehr mitmachen wollte, machte er sich auf die Suche nach einem Sport — und landete beim Yoga. „Seitdem bin ich quasi beschwerdefrei. Ich kann mir kein besseres Training vorstellen.“ Seine Lehrer sehen das genauso. Fast genauso. Seit der Geburt ihrer Tochter Irma haben sich die Prioritäten bei den beiden Yoga-Experten vorübergehend verschoben. Sie beginnen neuerdings jeden Tag mit einem Staunen. Über das, was ein Kleinkind von Natur aus noch kann und die Erwachsenen mühsam lernen müssen: Yoga.