Eißendorf. Lange galt die Stadtteilschule Ehestorfer Weg als verrufen – das hat sich komplett geändert – ab August hat sie auch einen neuen Namen.

Wenn Tobias Langer durch die Flure seiner Schule geht, schmettert ihm alle paar Meter fröhlich „Guten Morgen“ entgegen. Schüler winken ihm zu, fragen, wie es geht und wünschen einen guten Tag. Der freundliche und respektvolle Umgangston zwischen den Jugendlichen und Lehrkräften ist etwas, auf das der Schulleiter stolz ist. Denn sie gehört zu den vielen Veränderungen, die er seit seinem Start an der Stadtteilschule Ehestorfer Weg vor dreieinhalb Jahren angeschoben hat.

Damals, im Sommer 2017, als Langer das Ruder von seinem Vorgänger Wolfgang Meyer übernahm, der die Schule 25 Jahre lang geleitet hatte, sagte Langer: „Die Schule wünscht sich Veränderung.“ Kollegen, Lehrer, Pädagogen und Berater sowie Eltern und, nicht minder wichtig, die Schüler, alle gemeinsam waren bereit, einen neuen Kurs einzuschlagen. Mehr gegenseitigen Respekt, individualisiertes Lernen und ein konstruktives, stärkendes Miteinander wollte der Schulleiter. Eine Schule, die sich für die Schüler wie eine „Heimat“ anfühlt.

Jetzt ist der Veränderungsprozess der Schule so gut wie abgeschlossen. Die Stadtteilschule Ehestorfer Weg hat sich in vielerlei Hinsicht gewandelt. Um das neue Image zu unterstreichen, soll abschließend ein neuer Name her. Ab August wird die Einrichtung in Elisabeth-Lange-Schule umbenannt und trägt damit den Namen einer Harburgerin, die in der Zeit des Nationalsozialismus‘, unbeeindruckt von der antisemitischen Politik, zu ihrer jüdischen Freundin hielt. „Elisabeth Lange vertritt Werte, die uns im schulischen Alltag begleiten. Sie war eine mutige Frau. Sie hat Herz, Mitgefühl und Toleranz gezeigt“, sagt Tobias Langer. „Das ist auch der Anspruch unserer Schule. Loyal und kritisch, menschlich und mutig zu sein.“

Stadtteilschule Ehestorfer Weg hatte bis vor drei Jahren einen schlechten Ruf. Das hat sich grundlegend geändert.
Stadtteilschule Ehestorfer Weg hatte bis vor drei Jahren einen schlechten Ruf. Das hat sich grundlegend geändert. © HA | Hanna Kastendieck

Der neue Name Elisabeth-Lange-Schule krönt den vor dreieinhalb Jahren von Langer angeschobenen Umstrukturierungsprozess der Stadtteilschule, die bis dato einen schlechten Ruf im Stadtteil hatte. Es hieß damals: „An der Stadtteilschule Ehestorfer Weg wird nicht gelernt.“ Und: „Dort gibt es nur Gewalt.“ Lehrer waren frustriert, die Schulleitung unzufrieden. Als Langer kam, verließen zeitgleich zwölf Kollegen die Einrichtung. Auch aufseiten der Schülerschaft gab es viel Ablehnung. „Viele haben die Schule nicht als Bildungseinrichtung akzeptiert. Sie kamen zu spät zum Unterricht, hielten sich nicht an die Regeln und zeigten sich respektlos gegenüber den Lehrern“, so Langer. Die Anmeldezahlen lagen bei 20 Schülern. Heute sind es viermal so viel. Tendenz steigend.

Viel wichtiger aber noch ist, dass die Schüler gern in die Schule kommen. Sie identifizieren sich mit der Bildungseinrichtung. „Sie spüren, dass sie bei uns gehört werden und dass sie wichtig sind“, sagt der Schulleiter. „Sie erfahren ihre Schule als einen Ort, an dem sie sich frei, aufgehoben und gesehen fühlen.“

Regelunterricht samt Mittagspause wurde bis 15 Uhr verlängert

Um das zu erreichen, haben Langer und sein Team in den vergangenen drei Jahren so ziemlich alles in der Schule umgekrempelt. Sie haben 22 der 24 Klassenräume verlegt, die Unterrichtstaktung von 90 auf 60 Minuten reduziert und den Regelunterricht inklusive Mittagspause bis 15 Uhr verlängert. Weil es für den Biorhythmus besser sein soll, startet der Unterricht erst um 8.30 Uhr. Wer früher starten will, kann in den „Hafen“ gehen. Das Präventions- und Beratungszentrum, das im Oktober 2018 eingeweiht worden ist, ist das eigentliche Herzstück der Schule. Dort steht ein 16-köpfiges Team aus Sonder- und Sozialpädagogen sowie Lehrern bereit, das verlässlich und zu festgeschriebenen Zeiten für die Schüler ebenso da ist, wie für die Kollegen. „Hier findet jeder Einzelne Hilfe und Unterstützung – ganz gleich, was er auf dem Herzen hat, ob es Probleme im persönlichen Umgang sind, es um die Bewältigung von Unterrichtsstoff oder die Frage geht, wie es nach dem Besuch der Schule weitergehen soll“, sagt Tobias Langer.

Tobias Langer, Leiter der Stadtteilschule Ehestorfer Weg, wünscht sich für die Schulen in der Corona-Pandemie mehr individuellen Handlungsspielraum.
Tobias Langer, Leiter der Stadtteilschule Ehestorfer Weg, wünscht sich für die Schulen in der Corona-Pandemie mehr individuellen Handlungsspielraum. © HA | Hanna Kastendieck

Auch die Unterrichtsstrukturen wurden verändert, um jedem einzelnen Schüler gerecht zu werden. „In einer Stadtteilschule gibt es eine große Bandbreite an Schülern, von sehr leistungsstark bis schwach. Die Aufgabe der Schule ist es, jeden Schüler anzusprechen und in seinem individuellen Lernen voranzubringen“, sagt der Schulleiter. „Wir müssen alles abdecken, von der sonderpädagogischen Betreuung bis zur Hochschulreife.“ Dafür stehen im Unterricht stets zwei Kollegen im festen Team zur Verfügung. Hinzu kommt die Unterstützung durch die Fachkräfte im „Hafen“.

Die Schüler sind freundlich, hilfsbereit und pünktlich

Die grundlegendste Veränderung aber hat es im Umgang und in der Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern gegeben. „Die Schüler haben Respekt vor den Lehrkräften, sie halten sich an Regeln und wissen, dass der Unterricht an erster Stelle steht“, sagt Tobias Langer, dessen Augenmerk vor allem auf den „alten Tugenden“ liegt, die seiner Meinung nach die wesentliche Grundlagen für das Lernen sind: Disziplin, Verlässlichkeit, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen. „Jeder Schüler muss sein eigener Manager werden“, lautet einer der Leitsätze von Langer. „In jedem Schüler steckt ein Forscher, aber auch ein Arbeiter“, lautet ein anderer.

„Die Schüler haben erstmal lernen müssen, dass Schule eine Bildungseinrichtung mit Autorität ist und es Folgen hat, wenn sie Mist bauen“, so Langer. „Wenn sie sich nicht an die Regeln halten, gibt es ein Elterngespräch. Ändert sich auch dann nichts, folgt ein Zeugniseintrag.“ Die Folge: Die Schüler werfen keinen Müll mehr in die Gegend, sie verwenden keine Schimpfwörter, sind freundlich und hilfsbereit und kommen pünktlich in den Unterricht. „Die Haltung hat sich geändert“, sagt Tobias Langer. „Und das wiederum hat positive Auswirkungen auf die Mitarbeit im Unterricht und auf die Identifikation mit der Schule. Schmierereien und Vandalismus gibt es hier so gut wie gar nicht.“

Auch für die kommenden Jahre hat Tobias Langer bereits Pläne. Für 17 Millionen Euro soll ein Neubau für die Unter- und Mittelstufe entstehen. Die Fertigstellung ist für Anfang 2024 geplant. Darüber hinaus wird derzeit die eigene Oberstufe aufgebaut. Nach den Sommerferien startet der erste elfte Jahrgang am Standort Ehestorfer Weg 14. 2024 werden dann die ersten Schüler an der Elisabeth-Lange-Schule ihr Abitur machen.