Kreis Harburg. Das heiße Wetter und die Trockenheit stresst die Bäume. Betroffen von den Angriffen der Borkenkäfer sind vor allem Fichten.
Eine Lichtung bei Schätzendorf, ein kahles Loch im Wald. Noch im Mai wuchsen hier 80 bis 100 Fichten. Jetzt sind von den 70 bis 80 Jahre alten Bäumen nur noch mühsam die Stümpfe im Unterholz zu sehen. Stürme aber vor allem Borkenkäfer haben die Fichten so stark befallen, dass sie gefällt werden mussten.
Die Stämme liegen inzwischen aufgeschichtet am Wegesrand und warten auf den Abtransport. Ein Verlust, der Waldbesitzer Norbert Leben ärgerlich macht. Zudem fürchtet er, dass bei neuen Stürmen der Wind noch mehr Angriffsfläche für die vorerst geretteten Bäume weiter hinten findet. Leben zuckt mit den Schultern. Er ist nicht der einzige, dessen Wald die gefräßigen Käfer und der Klimawandel immer mehr zusetzen.
Die Käferplage geht ins dritte Jahr
Die Plage durch die zu den Rüsselkäfern zählenden Insekten geht ins dritte Jahr. Trockenheit und Stürme hatten 2018 und 2019 allein im Landkreis Harburg Schäden an 35.000 bis 40.000 Festmetern (entspricht einem Kubikmeter) Holz hinterlassen. Umgebrochene Bäume konnten sich dann gar nicht, zuerstverschonte wegen des fehlenden Wassers kaum gegen die Käfer wehren.
Wasser dringt nicht mehr bis zu den Wurzeln
„Jetzt haben wir immer noch ein Regendefizit. Im Winter konnte das Wasser nicht bis in mehrere Meter Tiefe zu den Wurzeln durchdringen“, sagt Sebastian Bölsing, der im Waldbesitzerverband Niedersachsen eine Forstgenossenschaft leitet. Im Gegensatz zu den von der trockenen Wärme gestressten Bäumen profitieren die Käfer jedoch vom Klimawandel.
„Vor zehn Jahr gab es noch drei Generationen pro Jahr. Jetzt sind es vier“, stellt Bölsing fest, der in Göttingen promoviert hat. „Inzwischen muss bundesweit eine Fläche von der Größe des Saarlandes neu aufgeforstet werden“, sagt Norbert Leben, der Präsident des Verbandes und Vorsitzende der Forstwirtschaftlichen Vereinigung Nordheide-Harburg, die den Landkreis umfasst.
Preis für Fichtenholz ist im Keller
Das Schlagen der angefressenen Bäume wirkt sich dabei nicht nur in der Natur, sondern auch wirtschaftlich aus. Durch das aufgeblähte Angebot sind die Preis für Fichtenholz abgesackt. „Gab es Ende 2017 noch 80 Euro für einen Festmeter, sind es jetzt höchstens 35 bis 45 Euro“, sagt Lennart Hatesohl, der Bezirksförster für das Amt Nordheide-Heidmark, in dem die Lichtung in Schätzendorf liegt. Für Palettenholz gibt es gerade noch 20, für Holz für Spanplatten sechs Euro. Das macht die Waldwirtschaft für die Besitzer zu einem Zuschussgeschäft. Denn allein das Fällen und der Rücken hinaus aus dem Wald kostet 20 Euro pro Festmeter. Das Aufforsten ist noch gar nicht eingerechnet.
Die Käfer kennen keine Gnade. Haben die Männchen sich einen Baum ausgesucht, bohren sie ein Loch und richten eine Rammelkammer ein. Dorthin locken sie ein Weibchen, mit dem sie sich paaren. Die Weibchen legen zehn bis 15 Eier, aus denenen die Larven schlüpfen. Die Larven wiederum fressen dann Gänge zwischen der Rinde und dem Holz und unterbrechen den Harzfluss des Baumes, über den Wasser bis in die Wipfel aufsteigt.
Von Totholz und kranken Bäumen springen die Käfer auf gesunde Bäume über. Die können sich im Normalfall wehren, indem sie die Käfer mit ihrem Harz verschmieren. Ganz ähnlich wie bei den Monstern im Film „Ghostbusters“, die ihre Jäger verschleimten. Doch die Bäume haben jetzt nicht genug Harz für solche Aktionen.
Prävention ist nicht möglich
„Der Kampf gegen die Käfer ist präventiv nicht möglich“, sagt Leben. „Er wäre finanziell nicht zu stemmen und in der Praxis nicht umzusetzen.“ Es bleibt fast nichts andere übrig, als darauf zu achten, ob Bohrmehl am Stamm festgestellt wird. Dann müssen die Bäume so schnell wie möglich fallen, die Rinde muss muss runter und die Stämme müssen möglichst weit außerhalb der Wälder gelagert werden. „Damit sind unsere Förster fleißig am Werk“, weiß der Chef der Forstwirtschaftlichen Vereinigung.
400 Fallen für Borkenkäfer
Dann gibt es noch die Tri-Nets. Das sind Dreibeiner, die mit einem Netz umgeben sind. In der Mitte hängt ein Köder mit einem nachempfundenen Sexuallockstoff für die Käfer. Fliegen sie auf das Netz, haben sie Kontakt mit einem Gift, das sie rasch unschädlich macht. Allein in den Privatwäldern im Landkreis Harburg stehen 400 dieser wie ein kleines Zelt anmutenden Trinets, ausgestattet mit Warnhinweisen für Wanderer.
Klar ist: Die bereits 2019 zugesagt Förderung, die sich Bund und Land im Verhältnis von 60 Prozent zu 40 Prozent teilen, kommt für die Wälder zur rechten Zeit. Insgesamt geht es um knapp 800 Millionen für vier Jahre bis einschließlich 2023. Die Förderrichtlinie der EU liegt seit Mittwoch bei den Waldbesitzern vor. Doch mit den 120 Millionen Euro, die für Niedersachsen vorgesehen sind, sind längst noch nicht alle Probleme vom Tisch.
Aufforsten kostet 3500 bis 4000 Euro pro Hektar
So sollen die privaten Waldbesitzer die Kosten für das Aufarbeiten der Wälder seit Anfang 2018 nicht abrechnen können. Für Niedersachsen kommen da 55 bis 60 Millionen Euro zusammen. Für das Forstamt Nordheide-Heidmark geht Förster Hatesohl, der seit Anfang April 2019 im Dienst ist, von 3500 bis 4000 Euro pro Hektar für das Aufforsten aus.
Zudem fürchtet Waldbesitzer-Verbandschef Leben, dass das Land künftig auf heimischen Arten bestehen wird. „Wir wollen aber klimatolerante Arten wie Douglasie, Küstentanne, Roteiche und Japanlärche. Sie kommen mit den sandigen, wenig nährstoffreichen Böden zurecht“ sagt er. Hintergrund ist auch, dass sich bei möglichst vielen Arten die Chancen erhöhen, dass in einem Waldgebiet nicht gleich alle Bäume vom Borkenkäfern befallen werden. Das Risiko wird gestreut. Die Entscheidung über die künftig favorisierten Baumsorten soll in Hannover noch in diesem Jahr fallen.
Wenigstens drei neue Forststellen sind notwendig
Für die Arbeiten in den Wäldern hält Leben für den Kreis Harburg mindestens drei neue Stellen für notwendig. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation dürfte es aber für die Waldbesitzer schwer werden, auf mehr Personal zurück zu greifen. Zwar werden Förster und Forstwirte von den Landwirtschaftskammern eingestellt. Doch die Waldbesitzer sind vertraglich dazu verpflichtet, einen großen Teil der Entgelte sowie Sachkosten zu übernehmen und etwa Dienstwagen zu bezahlen. Leben ist sicher: „Wenn wir den Wald für die Menschen erhalten wollen, ist das am Ende des Tages eine Sache des Landes.“
Auf der Lichtung bei Schätzendorf kommt die Sonne durch, die Temperatur nähert sich 30 Grad. Leben schaut skeptisch nach oben: „Wenn wir weiter solche heißen Tage erleben, wird es immer mehr tote Bäume geben.“