Die Rollstuhl-Basketballer von Blau-Weiss Buchholz gewinnen die letzten beiden Heimspiele und werden Oberligavierter. Neben dem Sport ist die Vermittlung von Selbstvertrauen und Lebensmut ein wichtiger Aspekt.

Buchholz. Es scheppert kräftig. Zwei Rollstühle krachen ineinander. Blitzschnell dreht Alexander Budde aus dem Knäuel nach links ab, wirft den Ball zu Thomas Erdrich. Sofort sind zwei Braunschweiger da. Sie versuchen, den Buchholzer zu blockieren. Provozierend gelassen nimmt der Mann im Trikot von Blau-Weiss Buchholz den Ball in die rechte Hand, streckt den Arm hoch über alle hinweg und schon tanzt der Ball auf dem Eisenring des Korbes. Als er durchs Netz fällt, setzt Jubel ein, von den Zuschauern in Rollstühlen und den auf der Tribüne Sitzenden. Eine heitere, ausgelassene Stimmung begleitet die letzten Punktspiele in der Oberliga Nord der Rollstuhl-Basketballer. Die erste Mannschaft von Blau-Weiss Buchholz hat die Kieler Wheeler und den MTV Braunschweig zu Gast.

Die Braunschweiger sind den Gastgebern fast hilflos unterlegen. Mit dem Treffer von Thomas Erdrich haben die Buchholzer auf 41:13 erhöht. Der große, schlanke Mann ist nicht nur der überragende Blau-Weiss-Werfer. Die gesamte Liga schließt er mit 237 Punkten als zweitbester Scorer ab. Vor allem bilden Thomas und Barbara Erdrich aber das Zentrum der Buchholzer Behindertensportgruppe, die 43 Mitglieder zählt.

Thomas hat eine Teillähmung von Geburt an. Barbara ist als 23-Jährige zu Hause auf dem Bauernhof vom Heuboden gestürzt. Von den drei Söhnen spielt der Jüngste im Team des Vaters. Auch „Fußgänger“, wie Rollifahrer unterscheiden, dürfen im Rollstuhl mitspielen. Und Frauen wie Lisa Hoppe, die diesmal die einzige war. „Damit Männer und Frauen sowie Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam spielen können“, erläutert Abteilungsleiterin Barbara Erdrich, „bekommt jeder Spieler eine Punktzahl zugeordnet. Je stärker die Behinderung, desto geringer die Punkte. Ein Fußgänger wird mit Maximum von 4,5 Punkten eingeordnet. Jede Mannschaft darf zusammen höchstens 14,5 Punkte ins Spiel bringen.“

Im letzten Oberliga-Kampf baute die erste Mannschaft ihren Vorsprung konzentriert aus. So konnte Spielertrainer Hans-Werner Süß Korrekturen vornehmen, ohne selbst eingreifen zu müssen. Es ist fast sechs Jahre her, dass der sportliche Mann, der von Geburt an seine Beine nicht nutzen kann, nach Buchholz kam. Er brachte Ehrgeiz und Leistungswillen, aber auch Freude und Lachen mit. Für sein ehrenamtliches Engagement ist Hans-Werner Süß beim Fest des Sports vom Kreissportbund und Landkreis Harburg ausgezeichnet worden. „Bevor ich nach Buchholz kam, war ich 20 Jahre Graveur bei der US-Armee in Heidelberg. Als die abzogen, stand ich vor dem Nichts“, erzählt der Rollifahrer bei einer Zigarettenpause.

Trainer Hans-Werner Süß wird auf dem Fest des Sports ausgezeichnet

In Heidelberg spielte Hans-Werner Süß Rollstuhl-Basketball in der 1. und 2. Bundesliga und ließ sich zum Übungsleiter im Behindertensport ausbilden. Sport hat ihm geholfen, sich zu etablieren. Beschäftigt ist er in der Integrationsschule in Buchholz. Das wiederum hat dazu geführt, dass er gelegentlich persönliche Integrationsarbeit leistet. Wie beispielsweise in der Klasse 4b der Grundschule Steinbeck. „Ich habe zwölf Rollis mitgenommen“, erzählt der ehrenamtliche Übungsleiter, „so haben die Kinder einmal selbst Basketball im Rollstuhl spielen können. Das hat ihnen viel Spaß gemacht“, fügt Hans-Werner Süß hinzu und muss über einen Zehnjährigen lachen, der sich nun zum Geburtstag einen Rollstuhl wünscht.

Bei diesen Kennenlerntreffen mit Schülern geht es nicht nur um Sport. „Die Kinder fragen mich alles“, erzählt der Muskelmann im Rollstuhl. „Wie ich mich anziehe? Wie ich Auto fahre? Sogar, wie ich schlafen gehe, wollen sie wissen.“ Und Süß ist einer, der offen und direkt über seine Behinderung spricht. Auch, dass er seine Kindheit meist in Heimen verbracht hat und wie ihm der Sport Selbstvertrauen und Lebensmut gebracht hat.

Wenn er an seinen eigenen Weg zurückdenkt, freut er sich umso mehr über Alexander Budde, den Jüngsten im Oberligateam. „Der Junge ist erst 14 Jahre alt“, sagt Süß, „und hat schon einen solchen Leistungssprung gemacht. Der wird ein Großer in unserem Sport.“ Zum U23-Landeskader gehört der groß gewachsene Junge schon, der unter einem offenen Rücken leidet, und auch zum Schülerteam, das sich für das Bundesfinale von Jugend trainiert für Olympia in Berlin qualifizieren will.

Mit Blau-Weiss Buchholz gewann Alexander Budde gegen MTV Braunschweig mit 63:25. Im ersten Oberligaspiel hatten die Buchholzer gegen die Kieler Wheeler mit zwölf Punkten zurück gelegen, um letztlich noch mit 37:36 zu gewinnen. Unter den sieben Teams belegen sie in der Abschlusstabelle den vierten Platz.