Stelle. Die Grünen, der BUND und Anlieger-Interessengemeinschaft wollen die Ansiedlung des Zentrallagers verhindern.
Der geplante Bau eines Logistiklagers in Stelle sorgt weiter für Unmut in der Gemeinde. Befürworter des Aldi-Bauprojekts verweisen auf die zu erwartende Gewerbesteuer, Gegner fürchten die Zerstörung von Natur und historischer Hügelgräber. Am 13. Juli könnte im Gemeinderat eine Entscheidung fallen. Doch da in diesen letzten entscheidenden Wochen wegen der Corona-Pandemie kein demokratischer Protest in der üblichen Form möglich ist, fordern die Grünen in Stelle eine Vertagung der Entscheidung.
„Darf eine Entscheidung, die in so hohem Maße Tatsachen schafft und so viel Gegenwind in der Bevölkerung erzeugt, in einer Zeit getroffen werden, in der Teile unserer Grundrechte eingeschränkt sind?“ Das fragen die Dawina Reiter und Helga Schenk aus dem Vorstand des Grünen-Ortsverbands. Sie sind der Meinung, dass dies nicht rechtens sei.
2300 Steller Bürger sprachen sich gegen das Aldi-Lager aus
Vor einiger Zeit hätten sich per Unterschrift fast 2300 Steller Bürger und Bürgerinnen gegen das Zentrallager ausgesprochen, sagen die Politikerinnen. „Das sind fast 20 Prozent der Einwohner Stelles. Rechtfertigt eine kaum einzuschätzende Einnahme durch Steuern, dass durch die Zunahme des Lkw-Verkehrs der Lärm und die Emissionen steigen werden?“ Dieser geringe Nutzen sei den Menschen in Stelle kaum zu vermitteln.
Zurzeit sei es weder möglich, eine große Demonstration zu organisieren noch Infostände aufzustellen. Deshalb müsse die Entscheidung ausgesetzt werden. „Solange die Gegner des Bauprojekts nicht ohne Angst vor einer Corona-Infektion auf die Straße gehen können, um gegen das Großprojekt zu demonstrieren, darf der Gemeinderat nicht über das Projekt entscheiden und unabänderliche Tatsachen schaffen.“
BUND will das Logistiklager ebenfalls verhindern
Sollte dies dennoch geschehen, wollen die Grünen in Stelle die Möglichkeit prüfen, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Dies könne klären, ob in diesem Fall die Grundrechte der Steller Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt werden.
Der BUND Stelle will das Logistiklager ebenfalls verhindern und verweist darauf, dass Aldi Seevetal für das Geschäftsjahr 2018 – laut Bundesanzeiger, aktuellere Zahlen gibt es nicht – keine Gewerbesteuer an die Gemeinde entrichtet habe. Schon in den drei Jahren zuvor seien die Zahlungen immer geringer ausgefallen, von rund 1650 Euro im Jahr 2015 auf rund 600 Euro in 2017. Der nun negative Jahresabschluss werde von Aldi unter anderem mit dem Modernisierungsprogramm aller Filialen begründet, das noch einige Jahre andauern werde.
Dies schreibt der BUND-Ortsverband in einem Brief an die Ratsmitglieder und den Bürgermeister – und will damit die hohen Erwartungen an mögliche Gewerbesteuereinnahmen durch das Zentrallager entkräften.
„Von unserer Seite wurde diese Vermutung immer als zu positive Erwartungshaltung dargestellt und auf die Risiken hingewiesen“, schreiben Maik Ehlers und Joachim Markwardt für die Ortsgruppe. „Die Gemeinde begibt sich damit in die finanzielle Abhängigkeit von nur einem sehr konjunkturabhängigen Gewerbebetrieb, der ein hohes und nachhaltiges Gewerbesteueraufkommen nicht garantieren kann und nicht einmal Aussagen über die zu erwartende Höhe verlässlich preisgibt.“
Die IG glaubt, dass Aldi größer baut, als bisher angenommen
Auf die zu erwartende Verkehrsbelastung weist die Interessengemeinschaft (IG) der Anlieger K 86 in Stelle hin. Eine Verkehrszählung des Landkreises, die Ende Februar begann, habe 70.152 Fahrzeugbewegungen innerhalb von sieben Tagen ergeben. Dies sei eine Steigerung von 24 Prozent gegenüber Messungen aus dem Jahr 2015, sagt Dietrich Voigt, Sprecher der IG. Im Durchschnitt seien 8786 Pkw und 1236 Lkw pro Tag gezählt worden. Hinzu kämen künftig noch etwa 1000 An- und Abfahrten per Lastwagen zum Zentrallager. Die IG geht davon aus, dass Aldi deutlich größer bauen könnte als bisher bekannt, da das Unternehmen ein anderes Zentrallager im Landkreis Cuxhaven zum Jahresende schließen wird.
„Wird Aldi Nord durch die Belieferung von demnächst 120 statt 80 Filialen die Kapazität des geplanten Zentrallager Fachenfelde-Süd um 50 Prozent erhöhen müssen?“, fragt Voigt. Eine mögliche Erweiterung müsse durch eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung geklärt werden. Ansonsten seien alle bisher erstellten Gutachten zur Umwelt- und Verkehrsbelastung überholt.
Bürgermeister Robert Isernhagen zeigt sich erstaunt über die Annahme, dass der Rat der Gemeinde am 13. Juli eine abschließende Entscheidung zu dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Logistikzentrum Fachenfelde–Süd und damit für oder gegen das Aldi-Zentrallager treffen werde. Fest stehe lediglich, dass der Ausschuss für Ortsentwicklung, Energie und Wirtschaftsförderung sich am 17. Juni mit der Abwägung der Stellungnahmen aus den Beteiligungen der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit befassen werde. Der weitere Fahrplan werde im Anschluss festgelegt. „Der Ablauf des Bauleitverfahrens wird sich nicht verselbstständigen“, sagt der Bürgermeister und betont noch einmal: „Das Verfahren wird sauber abgearbeitet, ein Schritt nach dem anderen wird vollzogen.“
Bebauungsplan
Aldi plant den Neubau eines Logistikzentrums in der Gemeinde Stelle nahe der Autobahn. Die gewerbliche Entwicklungsfläche Fachenfelde-Süd ist dafür grundsätzlich geeignet, allerdings muss ein entsprechender Bebauungsplan aufgestellt werden. Vorgesehen ist ein sogenannter vorhabenbezogener Bebauungsplan. Dieser ist auf das konkrete Bauvorhaben von Aldi abgestimmt und sichert zugleich, dass ausschließlich das derzeit geplante Vorhaben dort erlaubt ist. Sollte Aldi das Logistiklager noch erweitern wollen, wäre zuvor ein Änderungsverfahren und ein neuer Durchführungsvertrag notwendig. Dieser Vertrag regelt die konkrete Umsetzung des Vorhabens.