Harburg. Vorm Phoenix-Center bilden sich lange Schlangen. Angebot soll ausgeweitet werden. Bald gibt’s den Piks sogar im Massagestudio.
Die derzeit hohe Zahl an Corona-Infektionen ist hauptsächlich auf Ungeimpfte und nur im geringen Maße auf Impfdurchbrüche zurückzuführen. Der gesetzliche als auch der gesellschaftliche Druck auf Ungeimpfte nimmt dementsprechend zu. Doch sind die Menschen tatsächlich bislang alle unwillig gewesen? Ein Blick auf die Warteschlangen bei mobilen Impfterminen lässt das Gegenteil vermuten: Wenn das Angebot niedrigschwellig ist, lockt es die Impfwillige an.
Die Hamburger Sozialbehörde will diese Angebote deshalb ausbauen und vor allem verstetigen – auch im Hamburger Süden. Im Harburger Phoenix-Center soll nun regelmäßig geimpft werden. Auch für die Region Süderelbe ist ein fester Standort mit regelmäßigen Öffnungszeiten geplant – am besten zentral in Neugraben. Auffällig ist, dass an immer ungewöhnlicheren Orten geimpft wird. Beispielsweise am vergangenen Dienstag in einem orientalischen Hochzeitssaal und am Sonntag, 5. Dezember, sogar in einem Eißendorfer Thai-Massage-Studio. Doch angesichts der langen Schlangen braucht es auch mehr Termine.
Corona-Impfung in Harburg: Mehrere Stunden Wartezeit
Wer am Dienstagnachmittag am Phoenix-Center in Harburg vorbeikam, traute seinen Augen kaum. Bei feuchtkühlen Temperaturen standen mehrere hundert Menschen vor dem Einkaufszentrum. Rund 200 Meter lang war die Schlange. Alles Impfwillige. Vom Bahnhof Harburg über die Moorstraße, bis zu einem unscheinbaren Eingang an der Bushaltestelle erstreckte sich die Reihe der Wartenden, die im ersten Stock des Einkaufscenters den mehr oder weniger ersehnten Piks mit der Impfdosis haben wollten. Die Wartezeit vor dem Center-Eingang betrug mehrere Stunden, in der Ladenpassage brauchte es noch einmal rund eine Stunde.
„Der Druck auf die Ungeimpften ist mittlerweile zu groß“, sagt eine junge Frau , die wartet. „Ich weiß nicht, wie ich morgen meine Kinder zur Kita bringen soll und arbeiten kann ich auch nicht. Die Teststationen sind ähnlich voll wie die Impfstation hier.“ So wie ihr geht es einem großen Teil der Menschen, die am Dienstag ihre erste Spritze bekommen wollen. Nicht alle sind von der Impfung überzeugt. Einige fühlen sich regelrecht gezwungen. Andere geben an, einfach keine Zeit zwischen Arbeit und Familie gefunden zu haben.
Stimmung wird am Abend aggressiv: Impfstoff ging aus
Der Zeit-Faktor scheint bei vielen Harburgerinnen und Harburgern ein wichtiger Grund gewesen, sich noch nicht impfen zu lassen. Trotz Termins ging für die Immunisierung im ehemaligen Impfzentrum in den Hamburger Messehallen mit An- und Abfahrt ein halber Arbeitstag ins Land – meist unbezahlt. Wolfgang Brandt, Vorsitzender des DGB Harburg kritisiert das. „Ich finde, dass es eine Verpflichtung für Arbeitgeber geben muss, ihre Mitarbeiter für die Impfung bei voller Bezahlung freizustellen“, sagt er. „Leider ist das aber nicht so.“
Das seien doch alles Ausreden, meinen die Anderen. Auch sie standen am Dienstag in der Schlange und froren. Sie standen an, weil sie unbedingt den Booster wollten. „Mein Arzt hat erst Mitte Dezember Termine für die Auffrischung“, sagte eine 80-jährige Frau aus Hausbruch, die bereits vier Stunden vor dem Phoenix-Center steht. „Mein Sohn ist schon zwei Mal vorbeigefahren und wollte mich abholen. Aber ich bleibe hier, ich möchte auf Nummer sicher gehen.“ Dabei wurde die Stimmung mit fortschreitender Zeit nicht besser. Mancher versuchte auch vorzudrängeln.
Impfangebot im thialändischen Massagestudio am 5. Dezember
Aggressiver wurde die Stimmung vor allem als der Impffluss zeitweise ins Stocken geriet. Der Grund: Der Impfstoff war ausgegangen. Mit Blaulicht rauschte ein Fahrzeug des DRK heran und brachte Nachschub. Am Dienstag bekamen alle, die es wollten, ihre Impfung. Am Wochenende mussten dagegen einige vertröstet werden. Eins einte die Wartenden am Ende des Abends doch: nämlich das Unverständnis rüber die wenigen Möglichkeiten, sich impfen zu lassen.
Dieser Mangel an Impfgelegenheiten war es auch, der Andreas Michel auf die Idee brachte, im Harburger „Asien-Sbay-Massagen“-Studio, das er mit einer thailändischen Geschäftspartnerin betreibt, Impftermine zu ermöglichen. „Viele unser Klientinnen und Klienten fragten uns, ob wir wüssten, wo man sich impfen lassen kann, am Besten ohne die lange Anfahrt und Anmeldung beim Impfzentrum“, berichtet er. „Ich selbst habe bereits im September bei einem offenen Impftermin an der Kirche zwei Stunden Schlange gestanden. Ich weiß also, dass es zu wenig Angebote gibt.“
Als er von der Impfaktion im Irish Pub „Old Dubliner“ las (das Abendblatt berichtete), erkundigte er sich dort, wie diese Aktion zustande gekommen war und wandte sich selbst an DRK Harburg, das die Logistik für die mobilen Impftermine gewährleistet. „Außerdem blieb ich im Kontakt mit dem Dubliner-Team“, sagt er. „Der Pub wird uns an den Impftagen mit Außenschirmen und -tischen unterstützen, so dass die Anmeldung bereits vor der Tür erfolgen kann.“
Corona-Impfung bald auch in Harburger Massagestudios
Als Andreas Michel und seine Geschäftspartnerin sich vor acht Wochen zu der Impfaktion entschlossen, war eine Verschärfung der Corona-Regeln noch gar nicht im Gespräch. „Im Gegenteil: Da sah es noch so aus, als würde man jetzt auch die letzten paar Unversorgten schnell impfen können und dann wäre die Pandemie vorbei“, erinnert er sich.
Körpernahe Dienstleistungen wie die Massagen im Sbay-Studio unterliegen jetzt wieder der 2G-Regel. Je mehr seiner Klienten geimpft sind, desto mehr könnten sich behandeln lassen. „Das hat sich so aber erst ergeben, als wir das schon lange beschlossen hatten“, sagt er. Das Impfen habe noch einen Aspekt: „Es betont, dass wir hier Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Denn obwohl wir schon im Fenster darauf hinweisen, dass es hier keine Erotikdienste gibt, hat das noch nicht jeder kapiert, der hier klingelt.“
Die nächsten Impftermine im Phoenix-Center sind am Sonnabend, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag jeweils von 13 bis 19.45 Uhr. Im Asien Sbay, Eißendorfer Straße 79, wird am 5. Dezember von 8.45 bis 15.30 Uhr geimpft.