Moorburg. Um das Schiffswrack im Uferschlick vor der Moorburger Schanze ranken sich einige Gerüchte und Geschichten. Was dahinter steckt.

Um das Schiffswrack, das genau an der Übergangsstelle zwischen Süderelbe und Köhlbrand im Uferschlick vor der Moorburger Schanze vor sich hin korrodiert, ranken sich einige Gerüchte und Geschichten. Vieles ist Hafenschnack. Wenig ist belegt oder aufgezeichnet. Ein Kriegswrack soll die Hülle der „Mountbatten“ sein, schreibt sogar Google in seinen Weltkartendienst. Das Wrack soll nur noch dort liegen, weil sich eine seltene Wurmart angesiedelt hat und die Umweltbehörde die Bergung verbietet. Der Schrotthaufen im Schlamm sei eine Hinterlassenschaft der Abwrackwerft, die sich bis vor einigen Jahren auf der Moorburger Schanze befand. Es ist ein alter Kohletransporter für das frühere Kraftwerk. Quatsch, Schnack, Tünkram!

Legende: seltene Wurmart soll sich dort angesiedelt haben

Die spätere
Die spätere "Mountbatten" wurde im Krieg vom Fischtrawler zum U-Boot-Jäger "Stella Pegasi" umgerüstet. Im Auftrag der Krone malte Stephen Bone das Schiff 1943 mit Ölfarbe auf Papier. © Glasgow Museums | Stephen Bone

Wer etwas nachfragt, -forscht und -denkt, kann auch selbst darauf kommen. Die „Mountbatten“ kann schon deshalb kein Kriegswrack sein, weil sie erst 1951 dort sank. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sich im zweiten Weltkrieg ein britisches Schiff bis in den Hamburger Hafen gewagt hätte. Dass sich eine seltene Wurmart dort angesiedelt hat, ist zwar wahrscheinlich; aber nachgeguckt hat dort noch niemand. Die Abwrackwerft zog erst 1987 nach Moorburg. Da lag die „Mountbatten“ schon Ewigkeiten im Schlick. Und der Vorgänger des Kohlekraftwerks Moorburg war ein Gaskraftwerk. Wie bei allen Legenden gibt es aber auch bei diesen immer ein paar Körnchen der Wahrheit, aus denen sie ranken.

Butter bei die Fische – und Fische bestimmen das Schicksal der „Mountbatten“ tatsächlich: Auf Kiel gelegt wurde der Dampfer 1934, vom Stapel lief er 1935. Cochrane Sons im nordenglischen Selby bauten seinerzeit Fischtrawler wie am Fließband. Das Meer schien wie ein Füllhorn, die Fische nie auszugehen und mit dem technologischen Fortschritt in Schiffbau und Fangtechnik – gerade war bei den Briten die „French Gear“, das „französische Fanggeschirr“ mit lenkbaren Scherbrettern und einer Grundkette, die die Plattfische aufscheuchte, in Mode gekommen – schien die industrielle Fischerei wie eine Gelddruckmaschine zu sein.

Auf Kiel gelegt wurde der Dampfer 1934, Stapellauf war ein Jahr später

Das Wrack der „Mountbatten“ vor der Silhouette der Kattwykbrücke.
Das Wrack der „Mountbatten“ vor der Silhouette der Kattwykbrücke. © xl | Lars Hansen

Das neue Schiff schaffte mit ihrer Dreikolben-Verbund-Dampfmaschine 12 Knoten Fahrt und wurde flussabwärts nach Grimsby an die Perihelion Steam Fishing Company ausgeliefert, auf den Namen „Hendren“ getauft, erhielt die Fischerkennung GY 128 und fuhr schnurstracks in die Fischereikrise: Erstmals merkte man damals, dass die Fische sich nicht so schnell vermehrten, wie man sie fing. Die ersten Fangquoten wurden eingeführt und die britische Fischereiflotte hatte Überkapazität. Die „Hendren“ fischte in der Nordsee, vor Island und Grönland, wechselte einmal den Eigner, aber weder Namen noch Kennzeichen.

Bei Ausbruch des Krieges 1939 beschlagnahmte die Royal Navy so gut wie alle großen Fischtrawler des Landes; nach guter britischer Tradition samt Besatzung. Die Fischer kannten ihre Schiffe und die befahrenen Gewässer am besten und bekamen noch einen Schnellkurs in der Bedienung der Waffen, die jetzt das Fanggeschirr ersetzten: Eine Vier-Zoll-Kanone, zwei Fliegerabwehrgeschütze, zwei Maschinengewehre sowie eine Abwurfvorrichtung für Wasserbomben. Alle bei Cochrane gebauten Trawler wurden von der Navy nach Sternbildern benannt. Die „Hendren“ wurde zur „Stella Pegasi“ und sollte als Geleitfahrzeug U-Boote bekämpfen – theoretisch: Tatsächlich ist für ihre zwölf Geleit-Einsätze kein Feindkontakt verzeichnet.

Schiffsname erinnert an Familie des jüngst verstorbenen Prinz Philip

Andere Trawler hatten nicht so viel Glück: Ein Drittel dieser beschlagnahmten Hilfsschiffe ging verloren. Das Schwesterschiff der „Stella Pegasi“ beispielsweise, die „Stella Dorado“ wurde bei der Evakuierungsaktion von Dünkirchen von einem deutschen Torpedoboot versenkt.

Gleich nach Kriegsende wurden Geschütze wieder gegen Geschirr getauscht und die „Stella Pegasi“ wieder zurückgegeben. England war hungrig und die Fischbestände in Nordsee und Nordatlantik hatten sich in den Kriegsjahren erholt, weil ihnen kaum jemand nachgestellt hatte. Den Namen „Stella Pegasi“ behielt das Schiff zunächst und fischte von Hull aus mit dem Kennzeichen H90. 1946 erfolgte ein Besitzer- und Namenswechsel. H90 erhielt den neuen Namen „Arctic Crusader“, wurde dann 1947 nach Grimsby verkauft und erhielt den Namen „Mountbatten“. In diesem Jahr hatte Philip Mountbatten um die Hand der Kronprinzessin Elizabeth angehalten. Nur zwei Jahre später, das Schiff war gerade mal 14 Jahre alt, lief die „Mountbatten“ im norwegischen Bodo-Fjord auf Grund und wurde aufgegeben.

Überführung auf der Elbe nach Hamburg im Jahre 1951

Bei Hochwasser ragen nur kleine Teile der „Mountbatten“ aus dem Köhlbrand.
Bei Hochwasser ragen nur kleine Teile der „Mountbatten“ aus dem Köhlbrand. © xl | Lars Hansen

Ein Jahr später fand sich ein Käufer für die Überreste, der das Schiff – wahrscheinlich zum endgültigen Abwracken – nach Hamburg schleppen lassen wollte. Die Überführung fand im März 1951 statt. In der Elbmündung kam ein Sturm auf. Die Mountbatten nahm Wasser und bekam Schlagseite. Vor Moorburg wurden die Taue gekappt und die Mountbatten ging erneut auf Grund. „Heutzutage würden wir so ein Wrack bergen“, sagt Sinje Pangritz von der Hamburg Port Authority. „Damals ließ man Wracks liegen, wenn sie die Schifffahrt nicht beeinträchtigten. Mit Würmern hat das nichts zu tun.“

Auch bei der Umweltbehörde weiß man nichts von geschützten Würmern. Allerdings bildet das Wrack ein isoliertes Biotop, in dem sich durchaus eigenständige Arten entwickelt haben könnten. Was es dort auf alle Fälle gibt, sind Barsche und Zander. Die warten im Strömungsschatten des Wracks auf Beute, weiß das renommierte Anglermagazin „Rute und Rolle“, das wiederum beschreibt, wie man dort am besten die Raubfische fängt: Von einem Boot aus, mit der Vertikaltechnik.

Guter Blick von einer Landzunge rechts des Werftgeländes

Als die Abwrackwerft noch an der Moorburger Schanze operierte, hatten ihre Mitarbeiter die Sicht aufs Wrack mit Containern versperrt. Sie waren es leid, dass ständig Neugierige über ihr Betriebsgelände irrten. Seit der Betrieb 2019 schloss, steht hier nur noch ein Absperrzaun mit vielen offenen Stellen. Ohne diesen Zaun zu überwinden, gelingt ein guter Blick auch oft von der kleinen Landzunge rechts vom Werftgelände.