Harburg. Elbblick-Lokal „Inselklause“ in Neuland hat viele Widrigkeiten überstanden. Warum der Wirt trotzdem nicht weitermachen will.
„In Hamburg sagt man Tschüs!“, lautete die wenig verklausulierte Formulierung im letzten Newsletter der „Inselklause“. Zehn Jahre, nachdem Andreas „Köni“ Koenecke das Lokal auf der Neuländer Pionierinsel übernahm, schließt er es. Wieder öffnen wird die Inselklause nur, wenn sie jemand übernimmt.
„Das waren zehn tolle Jahre aber sie waren auch sehr kraftraubend“, sagt Köni.
Kultkneipe Inselklause: Nach jedem Hochwasser hieß es immer schnell klar Schiff machen
Von Anfang an hatte Andreas Koenecke zu kämpfen. Das Lokal, was er übernommen hatte, war eine ebenerdige Bretterbude auf einer Insel im Deichvorland, nicht all zu hoch über dem mittleren Hochwasser. Ähnlich, wie sein Vorgänger räumte Köni die Inselklause im Oktober, zum Beginn der Sturmflutsaison, leer und im April wieder ein. Nach jedem Hochwasser hieß es dennoch immer schnell klar Schiff machen, sonst hätte sich der Schlamm betonhart festgetrocknet.
Vom Vorbesitzer hatte Köni jedoch nicht nur die im Winter problematische Lage übernommen, sondern auch die im Sommer traumhafte: direkt an der Elbe, mit Blick auf Binnenschiffe und Reiher. Und er hatte den Ruf der besten Bratkartoffelbude südlich des Nordpols mit erworben. Er übernahm das Zubereitungsgeheimnis und fügte noch sein eigenes Alleinstellungsmerkmal hinzu: Nach seiner selbsterfundenen Kräutersud-Methode bereiteten Räucherfisch.
Ärger um Parkplätze, Verbot der Werbung und später auch der Open-Air-Konzerte
Koenecke machte das Geheimtipp-Ausflugslokal zum Szenetreff, indem er regelmäßig Konzerte veranstaltete. Weil er damals ohnehin nur in der warmen Jahreszeit geöffnet hatte, meist Open Air. Schnell sprach sich das bei Harburgs Pistengängern herum. Allerdings kam das nicht überall auf der Insel gut an. Andere Nutzer des kleinen Flusseilands nahmen Anstoß und setzten die Behörden auf Könis Kneipe an.
Erst waren es die Parkplätze, die abgesperrt wurden, dann die Werbung, die man Koenecke verbot. Immer wehrte Köni sich, oft mit Erfolg.
Genervt von Sturmfluten und Schlammschippen reifte im Wirt ein Plan: Die Klause, durch die ständige Feuchtigkeit ohnehin gammelig, sollte auf Stelzen neu entstehen und die Elbe, wenn diese auf die Insel kam, von oben auslachen. Ein Bauantrag wurde gestellt. Bis er genehmigt wurde, brauchte es einige Zeit und viel Verhandlungsgeguld. 2018 war dann Baubeginn.
Ohne Live-Musik mussten Bratkartoffeln und Räucherfisch den Umsatz herausreißen.
Kurz vor der Eröffnung des überaus gelungenen, vom Charakter her aber zur Originalklause stark abweichenden Neubaus dann der nächste Behördenschock: In der neuen Betriebserlaubnis wurde Open-Air-Live-Musik explizit verboten. Grund unter anderem: Das ehemalige Landschaftsschutzgebiet Schweenssand, das an die Pionierinsel grenzt, war zwischenzeitlich zum Naturschutzgebiet aufgestiegen. Damit hatten Fische und Vögel Anrecht auf Nachtruhe. Köni konnte nichts dagegen tun.
Das war ein Schlag ins Kontor. Immerhin war das gastronomische Konzept der Klause stark auf die Konzerte ausgerichtet. Die konnten nun nur noch in der höhergelegten Gaststube mit ihren 33 Plätzen stattfinden. Ab jetzt mussten Bratkartoffeln und Räucherfisch den Umsatz herausreißen.
Erfolgreiche Teilnahme an „Mein Lokal, Dein Lokal“ im TV. Doch dann kam Corona
Köni ging das an. Versuchte, sein Lokal als Restaurant bekannt zu machen und nahm 2019 sogar mit einigem Erfolg an der Gastro-Reality-Show „Mein Lokal, Dein Lokal“ bei einem kleinen Privatfernsehsender teil. „Als die Staffel ausgestrahlt wurde, war das Interesse auch groß, aber ich musste die Gäste am Telefon abweisen, denn mittlerweile schrieben wir das Jahr 2020 und Corona beherrschte das Leben“, sagt Köni. „Wir hatten Lockdown.“
Selbst durch die kommenden zwei Jahre, geprägt von Vollschließungen oder ständig wechselnden Einschränkungen für Wirte und Gäste, manövrierte Koenecke die Klause noch. „Danach war allerdings das Personal weg. 2023 musste ich viel mehr selbst machen, als mir gut tat.“
Das hatte Konsequenzen. Könis Schulter gab auf. Alte Kampfsport- und – noch brutaler – Handball-Verletzungen forderten ihren Zoll. „Ich fiel aus und musste Personal einstellen, obwohl das knapp war“, sagt er. „Rücklagen für den umsatzschwachen Winter konnte ich nicht bilden.“
Um die Zukunft macht sich der Harburger Kultwirt Andreas Koenecke keine Sorgen
Auch diesen Engpass hätte Köni noch überwinden können, um dann in diesem Jahr endgültig durchzustarten, um sein kleines Fischrestaurant mit dem riesigen Ausblick bekannt zu machen und zu etablieren. Empfehlungen in Tourismusführern hat er schon, aber bei der Harburger Kundschaft braucht jeder Wirt erst mal langen Atem. „Aber jetzt, mit 58, nach 10 Jahren voller Anstrengung und ohne Wochenenden haben meine Freundin und ich uns entschieden, auch mal wieder ein normales Leben zu genießen“, sagt er. „Und mein Boot habe ich ja auch lange vernachlässigt.“
- Gunter Gabriels Stammlokal: „Bei Rosi“ – Harburgs letzte Hafenkneipe ist verkauft
- Abschied vom Traditionshaus Goldener Engel
- Harburger Kultlokal lebt wieder auf: Neues Café im alten „Grauen Esel“
Um die Zukunft macht er sich keine Sorgen. „Ich habe in meinem Leben einiges an Berufserfahrung gesammelt, bin fit in Rechnungswesen und Finanzen, erfahren im Kulturmanagement, kann organisieren. Ich finde eine Stelle“, sagt er. „Und ich finde auch einen Käufer für die Inselklause. Wenn der´nett ist, räuchere ich vielleicht sogar Fisch für ihn.“